Zu früh gefreut? – Zum Urteil über die „Einwanderung messianischer Juden“

In der zweiten Aprilhälfte jubelte die christliche Welt: Jesus-gläubige Juden dürfen nach Israel einwandern. Das Oberste Gericht des Staates Israel hatte in einem Streit zwischen zwölf messianischen Juden und dem israelischen Innenministerium entschieden, nicht zu entscheiden. Das Innenministerium, das sich bis dato geweigert hatte, Christus-gläubigen Neueinwanderern die israelische Staatsbürgerschaft anzuerkennen, gab nach und damit grünes Licht für die Einbürgerung der messianischen Juden. Die Akte läuft unter der Bezeichnung "Steckbeck gegen das Innenministerium".

Doch juristische Bauernschläue kann sich langfristig als strategische Dummheit erweisen. Vielleicht hat der stillschweigende Rückzug des orthodox-jüdisch dominierten Innenministeriums seinen guten Grund. Es wäre zumindest nicht das erste Mal im Nahen Osten, dass der Verlierer laut „Sieg“ schreit, während sich der Gewinner einer Schlacht in aller Stille damit abfindet, als Verlierer dazustehen – um derweil ungestört die Früchte des Sieges genießen zu können. Dass das im Fall „Steckbeck gegen das Innenministerium“ möglicherweise so ist, deuten Überlegungen an, die der promovierte Historiker Zvi Sadan in einem Artikel des von ihm herausgegebenen hebräisch-sprachigen messianisch-jüdischen Magazins „Kivun“ äußert.

Jüdische Mutter oder orthodoxe Konversion

Doch zunächst zum Hintergrund: Zur Einwanderung in den Staat Israel ist berechtigt, wer nachweisen kann, dass er Jude ist. Jude ist nach dem jüdischen Ritualgesetz, der „Halacha“, wer eine jüdische Mutter hat oder nach orthodoxem Ritus zum Judentum konvertiert ist. Seit dem Verfahren „Oswald ‚Daniel‘ Rufeisen gegen das Innenministerium“ im Jahre 1962 gilt noch der Zusatz: „und wenn der Antragsteller nicht zu einer anderen Religion konvertiert ist“. Ein weiteres Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1989, das mit dem Namen „Beresford“ verbunden ist, bestimmt, dass messianische Juden nach israelischem Recht als Mitglieder einer anderen Religion anzusehen seien, die ihre Religionszugehörigkeit freiwillig gewechselt hätten.

Das so genannte „Rückkehrergesetz“ des Staates Israel fasst den Rahmen der Einwanderungsberechtigten etwas weiter. Die Gründungsväter des Staates wollten all denen Zuflucht gewähren, die von den Nazis aufgrund ihrer jüdischen Abstammung verfolgt worden waren. So kam es zu dem Paradox, dass die Definition des Jude-Seins der Nürnberger Rassegesetze von 1935 Eingang in die Gesetzgebung des jüdischen Staates Israel fand. Nach dem Rückkehrergesetz hat jeder das Recht, nach Israel einzuwandern, der mindestens einen jüdischen Großelternteil nachweisen kann – auch wenn er selbst nach halachischer Definition nicht jüdisch ist.

Zehn Kläger halachisch keine Juden

Zehn der zwölf messianisch-jüdischen Kläger gegen das israelische Innenministerium im Falle „Steckbeck“ sind zwar jüdischer Abstammung, gemäß halachischer Definition aber Nichtjuden. Die Argumentation ihrer Anwälte unterstrich die Tatsache, dass sie als Nichtjuden gar nicht hätten aus dem Judentum hinauskonvertieren können. Insofern sei ihr Glaube an Jesus als den Messias Israels gar nicht relevant für ihre Einwanderung nach Israel. Lediglich die jüdische Abstammung gebe ihnen im Rahmen der Bestimmungen des Rückkehrergesetzes das Recht auf die israelische Staatsbürgerschaft.

Durch sein Einlenken im Falle „Steckbeck“ gab das Innenministerium also zu: Messianische Nichtjuden, die jüdischer Abstammung sind, dürfen nach Israel einwandern. Aber messianische Juden – das heißt, „echte“ Juden, die sich zu Jesus von Nazareth bekennen – dürfen nach wie vor nicht nach Israel einwandern, sondern werden auch weiterhin von Rechts wegen als Verräter ihrer Religion betrachtet.

Dr. Zvi Sadan kommt nun zu dem Schluss, dass der jüngste Gerichtsentscheid im Blick auf die messianischen Juden zwar einen „gewissen Erfolg“ darstelle, schlussendlich aber die Behauptung untermauere, „messianische Juden“ seien eigentlich gar keine „richtigen“ Juden. Die messianischen Juden der Akte „Steckbeck“ haben sich, so Sadan, ihre israelische Staatsbürgerschaft um den Preis der Aufgabe ihres Judentums erkauft.

Taktisches Eigentor

Da die messianisch-jüdische Gemeinschaft in Israel aber darum kämpft, gesellschaftlich und rechtlich als „echte Juden“ anerkannt zu werden, ist das Verfahren „Steckbeck gegen das Innenministerium“ im besten Falle als taktisches Eigentor zu werten. Denn dieser Entscheid bestätigt das Urteil von 1989, dass messianische Juden keine Juden sind, sondern einer anderen Religion angehören – und das unter dem Beifall der christlichen und messianisch-jüdischen Welt.

Möglicherweise wurde diese Einigung zur Frage der Stellung messianischer Juden im jüdischen Staat Israel jedoch auf der Grundlage einer Falschaussage vor Gericht getroffen. Die messianisch-jüdischen Antragsteller haben um ihrer Staatsbürgerschaft willen betont, sie seien Nichtjuden. Bleibt abzuwarten, ob sie sich auch künftig als „messianische Heiden mit jüdischer Abstammung und israelischer Staatsbürgerschaft“ bezeichnen werden, oder ob – wie Zvi Sadan befürchtet – diese Gruppe messianischer Juden gegen das biblische Gebot verstoßen hat „Du sollst gegen deinen Nächsten nicht als falscher Zeuge aussagen“ (2. Mose 20,16).

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