JERUSALEM (inn) – Israels Gesundheitsministerium meldet am Montag einen Anstieg der Coronafälle im Land auf 255. Bei etwa 50 Personen wurde das Virus in den vergangenen 24 Stunden festgestellt. Das ist bislang die höchste Zahl innerhalb eines Tages. Der Großteil der Infizierten habe nur leichte Symptome. 13 Betroffene befänden sich in einem moderaten Zustand und fünf Personen seien schwer krank, heißt es von der Behörde. Weitere vier Personen zeigten keine weiteren Symptome mehr und hätten sich laut Ministerium erholt. 8.325 Test wurden bislang durchgeführt. Etwa 2.600 Personen aus dem Medizinbereich seien in Quaratäne, 18 sind infiziert.
Laut der israelischen Armee wurde bei einem fünften Soldaten COVID-19 diagnostiziert. Derzeit steht auch der komplette Kadettenkurs des Außenministeriums, 21 zukünftige Diplomaten und ihre drei Ausbilder, unter Quarantäne, nachdem bei einer Person der Gruppe das Virus festgestellt wurde.
Weitere Zehntausende Israelis wurden unter Quarantäne gestellt, nachdem sie entweder Länder mit einem hohen Virusaufkommen bereist hatten oder mit einer infizierten Person in Kontakt gekommen waren. Aktuell seien 50.337 Personen in häuslicher Isolation. Die Behörde glaubt, dass noch mehr Menschen an dem Virus erkrankt sind, die aber aufgrund der längeren Inkubationszeit bislang noch keine Symptome entwickelt haben.
Zusammenarbeit zwischen Israel und den Palästinensern
Im Rahmen der Corona-Krise arbeiten israelische und palästinensische Medizinteams zusammen, um das Virus im Westjordanland einzudämmen. Die zuständige israelische Armeebehörde COGAT bietet laut eigenen Angaben der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Hilfe für das Gesundheitssystem, gemeinsame Trainingseinheiten und Ausrüstung für medizinische Einrichtungen an.
Unterdessen erklärte ein Vertreter des PA-Gesundheitsministeriums, dass die Situation in den palästinensischen Gebieten „unter Kontrolle scheint“. Am Sonntag waren 38 Corona-Patienten erhoben. Es bestehe jedoch die Befürchtung, dass sich das Virus von Israel auf das Westjordanland ausbreite. Er wolle nicht über ein solches Szenario nachdenken, obwohl er es nicht ausschließen könne. „Wir werden die Krise nicht allein bewältigen können. Wir werden die Hilfe von Israel und anderen internationalen Parteien benötigen.“ Derzeit finde eine tägliche Koordination mit dem jüdischen Staat statt, „um die Ausbreitung des Virus zu verhindern“.
Al-Aqsa-Moschee und Felsendom geschlossen: Gebet im Freien
Wegen des Coronavirus soll die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalems Altstadt bis auf Weiteres geschlossen bleiben. Der Leiter der Stätte, Scheich Omar al-Kiswani, erklärte am Sonntag, dass Muslime auf dem Tempelberg vorerst im Freien beten könnten. Zudem sei der Felsendom als Vorsichtsmaßnahme geschlossen. Die Tore zu der gesamten Anlage auf dem Tempelberg sollten aber für Betende geöffnet bleiben, sagte er.
Am Sonntag billigte die israelische Regierung einen Vorschlag, der dem Inlandsgeheimdienst Schabak eine Massenüberwachung der Telefone der Israelis ermöglicht. Diese Maßnahme solle dazu dienen, die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen. Dafür sei keine gerichtliche Anordnung nötig. Die Maßnahme bedarf noch der endgültigen Genehmigung durch den Knesset-Unterausschuss für Geheimdienste. Die Befugnis soll 30 Tage nach der Billigung durch das Gremium enden. Der Vorstoß rief erhebliche Kritik hervor, dass die Privatsphäre und bürgerliche Freiheiten beschnitten würden.
Die Regierung erließ zudem die Verordnung, dass Polizisten und städtische Kontrolleure etwa Bußgelder gegen Personen verhängen dürfen, die gegen Heimquarantäne verstoßen. Das teilte das Ministerium für innere Sicherheit mit. Bei Verhandlungen über Haftverlängerung soll der Häftling nicht physisch anwesend sein, sondern es soll eine Video-Übertragung geben. Zudem ist eine Einschränkung bei Besuchen in Haftanstalten geplant. Gespräche zwischen Anwälten und Häftlingen sollten möglichst telefonisch erfolgen.
Netanjahu: Keine Hamsterkäufe und Versammlungen von mehr als zehn Personen
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu verkündete auf einer Pressekonferenz am Samstag die Schließung aller Vergnügungszentren. Abgesagt sind alle Veranstaltungen in Theatern und Kinos sowie alle Konzerte. Kaffeehäuser und Restaurants blieben ab Sonntag geschlossen. Ebenso wurden alle Kitas, Kindergärten und Schulen sowie die Universitäten „bis auf Weiteres“ geschlossen. Spekuliert wurde auch über einen Stopp aller öffentlicher Verkehrsmittel, doch das hat Netanjahu bisher nicht verkündet. Weiter rief er dazu auf, keine Hamsterkäufe zu tätigen. Alles gebe es im Überfluss, sowohl Nahrungsmittel, Alkoholseife wie auch Toiletten- und Küchenpapier. Israels Lagerhäuser seien „bis unter die Decke voll“ und es gebe keinerlei Engpässe.
Netanjahu erklärte zudem, dass Versammlungen von mehr als zehn Personen in einem Raum verboten seien. Gleichwohl hielten sich bei seiner Pressekonferenz eindeutig mehr als zehn Personen auf, darunter einige Minister und die Journalisten.
Ultra-orthodoxe Schulen kündigten am Sonntagabend an, dass bei ihnen weiterhin der Betrieb laufe. Jedoch würden die Schüler auf Gruppen von jeweils zehn Personen aufgeteilt. Netanjahu hatte sich mit Rabbinern und anderen ultra-orthodoxen Vertretern getroffen, um sie davon zu überzeugen, die Schulen zu schließen, wie dies für die restlichen Schulen im Land gelte. Der Premier zeigte sich aber mit der nun gefundenen Regelung von Kleingruppen einverstanden.
Die Vereidigung der Knesset findet am Montag auch in besonderer Weise statt. In insgesamt 40 Runden werden je drei Parlamentarier vereidigt, damit die Zahl der Anwesenden nicht zehn Personen übersteigt.
Premier: Virus wie ein „unsichtbarer Terrorist“
Künftig werde die Privatsphäre gestört, wenn die Behörden genaue Angaben über Treffen von Infizierten mit anderen Menschen erkunden sollten. Netanjahu sagte, dass das Virus wie ein „unsichtbarer Terrorist“ sei, den es entsprechend zu bekämpfen gelte. Und im Kampf gegen Terror habe Israel eben mehr Erfahrung als die meisten Länder der Welt. Er verkündete, dass Israel an der vordersten Front stehe und weitgehend erfolgreich die Ansteckungsquote niedrig gehalten habe. Bisher gibt es in Israel mit etwa neun Millionen Einwohnern noch keinen einzigen Toten.
Auch der Beginn des Korruptionsprozesses gegen Netanjahu ist wegen der Coronavirus-Krise um zwei Monate verschoben worden. Eigentlich war die Verhandlung für Dienstag angesetzt. Nun soll er am 24. Mai beginnen. Das teilte das Gericht am Sonntag mit.
An den Mauern der Jerusalemer Altstadt leuchteten am Sonntagabend die Farben der italienischen Flagge. Damit wollte die Stadt Solidarität mit den Italienern ausdrücken, weil das Land besonders betroffen ist von dem Virus.
Von: mab/Ulrich W. Sahm