Der Zusammenbruch der Koalition und die Ausschreibung von Neuwahlen haben zu Besorgnis über einen bevorstehenden „Rechtsruck“ in Israel geführt. Die Schlagwörter „Palästinenser“, „Siedlungen“ oder „Friedenspolitik“, an denen normalerweise das „Links“ oder „Rechts“ in Israel festgemacht wird, kommen nicht einmal vor. Zudem hat der Wahlkampf noch gar nicht richtig begonnen.
Premierminister Benjamin Netanjahu wirbt für eine persönliche Wahl seiner unersetzlichen Person, während Oppositionschef Jitzhak Herzog meint, dass er der einzig denkbare Kandidat für eine „bessere“ Regierung sei, sowie die „schlechte Periode“ der sechsjährigen Regierungszeit Netanjahus beendet sei. Keiner dieser Sprüche sollte auf die Goldwaage gelegt werden.
Das Ende der derzeitigen Regierung wurde durch persönliche Fehden und Profilierungssucht einiger Spitzenpolitiker herbeigeführt. Dabei geht es weder um rechts noch um links.
Die eben entlassene Justizministerin Zippi Livni von der Bewegungspartei behauptete, dass Netanjahu den Weg zu Neuwahlen frei gemacht habe wegen eines Gesetzes zur Abschaffung von Gratiszeitungen. Sie meinte „Israel Hajom“ (Israel Heute), eine Gründung von Sheldon Adelson, amerikanischer Casino-Multimilliardär und persönlicher Freund Netanjahus. Das Blatt wurde zum Sammelbecken angesehener Journalisten, die infolge des Zeitungssterbens auf der Straße standen. Manche argumentierten, Israels Demokratie sei gefährdet, wenn die Pressevielfalt beschnitten würde. Andere mochten nicht die politische Linie des Blattes zugunsten Netanjahus, obgleich auch die Tageszeitung „Ha‘aretz“ eine klare politische Linie gegen Netanjahu fährt. Vor allem ging es um Neid, weil das kostenlose Verteilblatt 39,9 Prozent des Zeitungsmarkts erobert hatte. Mit „rechts“ oder „links“ hatte das wenig zu tun.
Ein weiterer Streitpunkt war die Idée fixe des bisherigen Finanzministers Jair Lapid, Erstwohnungen für junge Ehepaare von der Mehrwertsteuer zu befreien. Auch hier ließ sich nicht wirklich ermitteln, was „Linke“ oder „Rechte“ davon hielten. Lapid hatte jedenfalls keinen Erfolg. Die Wohnungen wurden teurer, weil die Bauunternehmer ihre Preise erhöhten und das Bauland in Israel knapp ist. Die voraussichtlichen Kosten für das von Netanjahu abgelehnte Projekt seines Finanzministers sollten sich auf etwa 2 Milliarden Schekel (fast eine halbe Milliarde Euro) belaufen, ziemlich exakt die Summe, die der israelische Steuerzahler jetzt für die Parlamentswahlen ausgeben muss. Bei all diesen Themen ist keinerlei Ruck in irgendeine Richtung zu ermitteln.
Der letzte große Skandal um das umstrittene Gesetz „Israel als jüdischer Staat“ hat vor allem im Ausland Emotionen geweckt. Die Amerikaner warnten sogar vor einer Gefahr für die Demokratie. Aber wer gegen den Gesetzesvorschlag wetterte, erwähnte nicht, gegen welche von vier Vorlagen er polemisierte. Unerwähnt blieb auch, dass schon Netanjahus Vorgänger, Ehud Olmert, von den Palästinensern eine Anerkennung Israels als „Staat des jüdischen Volkes“ gefordert hatte, um deren Traum einer „Rückkehr“ der auf fünf Millionen angeschwollenen Masse palästinensischer Flüchtlinge abzublocken. Eine weitere Diskussion um die umstrittenen Vorlagen erübrigt sich, weil sie wegen der Neuwahlen erst einmal untergehen.