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Wiederaufbau in Gaza?

Ganze Häuserzeilen liegen in Trümmern. Das Minarett einer Moschee ist umgekippt und hängt wie eine Brücke über der Straße, festgeklemmt am benachbarten Haus. Erinnerungen an Dresden 1945 werden wach. Der weitgereiste UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon behauptet, so schlimme Zerstörungen noch nie gesehen zu haben.
Verschiedene Hindernisse erschweren den Wiederaufbau im Gazastreifen.
Doch der Eindruck, Israel habe den Küstenstreifen mit 1,8 Millionen Einwohnern flächendeckend bombardiert, wie die Alliierten deutsche Städte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, entspricht nicht der Wirklichkeit. Einerseits hat Ban Ki-Moon offenbar syrische Städte wie Homs oder Aleppo noch nicht besucht. Andererseits stammen die meisten Bilder der Zerstörung des Gazastreifens aus Beit Hanun, Sadscha‘ija, Chan Junis und anderen grenznahen Orten. Gaza-Stadt und Dschabalija, beispielsweise, blieben beim jüngsten Krieg zwischen der radikal-islamischen Hamas und dem Staat Israel fast unberührt. Kartenmaterial der UNO-Organisation OCHA zeigt, dass sich die israelischen Angriffe auf Gebiete konzentrierten, von denen aus Raketen abgeschossen wurden. Die geografisch begrenzte Invasion der israelischen Armee war auf mehr als dreißig Angriffstunnel ausgerichtet. Bei deren Sprengung flogen dann auch darüber liegende Wohnhäuser in die Luft. Die Israelis haben gezielt Kommandozentralen, Waffenlager und Wohnhäuser bekannter Hamas-Kommandeure angegriffen. Dabei wurden auch Moscheen und Kliniken getroffen. In manchen Fällen löste eine einzige israelische Rakete ein „Feuerwerk“ von Sekundärexplosionen versteckter Raketen, Sprengstoffe und Waffen aus. Die UNO schätzt den Gesamtschaden, der im Gazastreifen durch die Militäroperation „Zuk Eitan“ („starker Fels“) im Sommer 2014 entstanden ist, auf vier Milliarden US-Dollar. Allerdings differenziert sie dabei nicht zwischen zivilen Einrichtungen und so genannter „militärischer Infrastruktur“. OCHA zählt 6.166 zerstörte oder schwer beschädigte Häuser. Doch der Sprecher der UNO-Flüchtlingshilfe-Organisation UNRWA, Chris Gunness, redet von über 100.000 zerstörten oder beschädigten Häusern. Die UNO-Gremien scheinen schlecht koordiniert zu sein.

Noch keine Spenden überwiesen

Vier Milliarden Dollar sollten bei einer Geberkonferenz in Kairo Mitte Oktober eingesammelt werden. Mehr als dreißig Länder waren vertreten. Sogar US-Außenminister John Kerry war gekommen. Mit einer Spende von Katar über einer Milliarde Dollar und weiteren 500 Millionen Dollars der Saudis, beliefen sich die versprochenen Hilfsgelder letztendlich gar auf 5,4 Milliarden US-Dollar. Das übersteigt die geschätzten Kriegsschäden bei Weitem. Seither schweigen die Medien zum Wiederaufbau von Gaza. Der Islamische Staat, Kobane, Syrien, die Ukraine und andere Themen sind offensichtlich wichtiger als das Leiden der Palästinenser, obgleich täglich dramatische Entwicklungen einen Wiederaufbau unmöglich machen. Wie schon nach dem Gaza-Krieg von 2009, haben die Geberländer aus politischen oder humanitären Gründen zwar Millionensummen versprochen, bislang jedoch nichts überwiesen. Palästinenser beklagen zudem, dass Israel der Hauptverdiener am Wiederaufbau von Gaza sei. Alle Waren, bis zum letzten Zementsack, müssten in Israel eingekauft werden und in jedem Fall den Grenzübergang Kerem Schalom passieren, auch wenn sie vom Ausland angeliefert werden. Pro Tag können dort höchstens 220 Lastwagen auf Waffen oder Schmuggelware überprüft werden. Andere Warenterminals, wie Karni, Sufa und Nahal Os, hätten größere Kapazitäten, wurden aber bereits vor Jahren infolge von Attacken der Hamas geschlossen.

Autonomiebehörde gibt Geld nicht an Gaza weiter

Grundsätzlich kann der Warentransfer von Israel in den Gazastreifen jederzeit gestoppt werden. Als aus Gaza zum zweiten Mal seit dem letzten Waffenstillstand eine Rakete auf Israel abgeschossen wurde, sperrte Israel die Grenzübergänge. Der Terminal Eres im Norden des Gazastreifens steht nur für „Fußgänger“ offen. Diplomaten, Journalisten und Palästinenser in akuten „humanitären“ Fällen dürfen passieren. Dazu gehörten in letzter Zeit auch nahe Verwandte von Hamas-Spitzenfunktionären wie Mussa Abu Marsuk und Ismail Hanije, die sich in israelischen Hospitälern behandeln ließen. Israels Verteidigungsminister Mosche Ja‘alon kündigte an, kein Baumaterial mehr in den Gazastreifen zu liefern, sollte die Hamas erneut Angriffstunnel bauen. Trotz dieser Drohung hat die Hamas inzwischen aber iranischen und anderen Medien neue Tunnel präsentiert. In der Vergangenheit hatte Israel Zement, Kies und Baustahl nur für die UNO und andere internationale Organisationen genehmigt, unter der Bedingung, dass nichts in die Hände der Hamas-Organisation gelangt. Während des Krieges haben die Israelis dann doch Zementsäcke mit hebräischer Aufschrift in Angriffstunneln der Hamas entdeckt. Ebenso stellte sich heraus, dass in UNO-Schulen und Kliniken Waffen und Raketen der Hamas versteckt worden waren. Die „de facto“-Regierung der Hamas behauptet, niemals den „Serry-Plan“ der UNO für den Wiederaufbau des Gazastreifens gesehen zu haben. Hamas-Vizechef Mussa Abu Marsuk erklärte, die UNO dürfe deshalb nicht an der Rekonstruktion beteiligt werden. Jeder Wiederaufbau müsse allein von Palästinensern geplant und durchgeführt werden. Doch die Autonomiebehörde in Ramallah, der offizielle palästinensische Ansprechpartner für UNO und westliche Staaten, weigert sich, auch nur einen Schekel nach Gaza zu überweisen, solange die Hamas der Autonomiebehörde nicht die Kontrolle über alle Grenzübergänge nach Israel und Ägypten überlässt. Direkt können an die Hamas keine Gelder überwiesen werden, weil sie als Terror-Organisation gilt. So kann sie nicht einmal Hilfsgelder abzweigen, um die Gehälter ihrer Beamten und Kämpfer zu bezahlen. Seit April haben diese keinen Lohn mehr erhalten. Angeblich war die Finanznot der Hamas einer der Hauptgründe für die Entführung der drei Israelis im Juni, den darauf folgenden Raketenbeschuss Israels und den darauf folgenden Gaza-Krieg.

Ägypten macht dicht

Früher waren Abgaben für Schmuggelware aus Ägypten die wichtigste Einnahmequelle der Hamas. Neben Baumaterial gelangten durch die Schmugglertunnel auch billiges, subventioniertes Benzin und Dieselöl in den Gazastreifen, zusätzlich Raketen, Waffen, Sprengstoff und Autos. Heute muss alles teuer aus Israel importiert werden. Die Ägypter behaupten, sie hätten 1.800 Schmugglertunnel zerstört. Die Hamas gibt an, sie habe noch 1.000 Tunnel. Sollte es tatsächlich insgesamt 2.800 Tunnel auf einer Strecke von elf Kilometern geben, dann bedeutete das einen Tunnel alle drei Meter! Am 24. Oktober wurden bei einem Terroranschlag 33 ägyptische Soldaten im Sinai getötet. Daraufhin schloss Ägypten den einzigen Grenzübergang zum Gazastreifen in Rafah. Die Ägypter sind überzeugt, dass die Hamas hinter dem Attentat steckt, was Gaza freilich dementiert. In der Folge begann Ägypten, eine 500 Meter breite Pufferzone entlang der Grenze zwischen der Sinai-Halbinsel und dem Gazastreifen einzurichten. Alle Bewohner der Zone wurden evakuiert, ihre Häuser gesprengt. Das Gestrüpp wird planiert. Zudem wollen die Ägypter einen zehn Meter tiefen Wasserkanal graben, um jeglichen Tunnelbau im sandigen Boden unmöglich zu machen. Der zwischenzeitlich abgesetzte islamistische Präsident Ägyptens, Muhammad Mursi, hatte zuvor schon verfügt, dass niemand mehr in einer fünf Kilometer breiten Zone entlang der Grenze wohnen, ein Haus besitzen oder vermieten dürfe. Unter Mursis Nachfolger Abdel Fattah al-Sisi wird das Projekt nun umgesetzt. Als die Israelis vor ihrem Abzug aus Gaza im Sommer 2005 die Grenze mit ähnlichen Methoden absichern wollten, hagelte es internationale Kritik und Verurteilungen in der UNO. Zudem stellten sich internationale Menschenrechtler den israelischen Bulldozern in den Weg. Für die Amerikanerin Rachel Corrie bedeutete dies den Tod. Die Ägypter müssen offensichtlich keinerlei derartige Störungen oder diplomatische Verwicklungen befürchten. Das zeigt, dass sich UNO, Diplomaten und Menschenrechtsorganisationen nicht wirklich um das Schicksal der Palästinenser scheren. Während der Gazastreifen vor dem Abzug Israels 2005 noch zugänglich war, bedeutet das Vorgehen der Ägypter zusammen mit der seit 2007 bestehenden israelischen Blockade nunmehr erstmals die totale Abriegelung. Abschließend sei erwähnt, dass noch immer kein endgültiger Waffenstillstand ausgehandelt ist. Das hätte in Ägypten geschehen sollen. Jetzt haben aber alle Beteiligten, die Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas, die Hamas, Israel und die Ägypter eine ganze Reihe von Gründen, die Gespräche aufzuschieben. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Prinzipiell könnte der Krieg jederzeit fortgesetzt werden. Für die Geberländer bedeutet das im Klartext, dass sie bald weitere Steuergelder verschleudern können.

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