Tomaten und Kartoffeln sind erst vor etwa 500 Jahren aus Amerika nach Europa gelangt. Den Zucker haben die Kreuzfahrer vor rund 1.000 Jahren aus Akko (heute Nordisrael) mitgebracht, um den Honig zu ersetzen. Und sogar Hühnchen sind keineswegs „Eingeborene“.
Archäologische Ausgrabungen bei Marescha in der Wüste Negev, besser bekannt als „Beit Guvrin“, haben ergeben, dass ausgerechnet im Land Israel vor etwa 2.300 Jahren die erste Hühnerfarm im Westen gegründet worden war. Die Hühner kamen vor etwa 5.000 Jahren als „exotische Kreaturen“ aus Ostasien und wurden zunächst für Hahnenkämpfe und als heilige Opfertiere verwendet. Es dauerte Jahrhunderte, bis sich die Vögel in der Levante akklimatisiert hatten. Lee Perry-Gal leitete die Ausgrabungen der Universität Haifa, bei denen hunderte Hühnerknochen mit Brand- und Schnittspuren gefunden wurden – ein Zeichen, dass sie geschlachtet, gegrillt und gegessen wurden. Auffällig viele Knochen weiblicher Hühner bedeuten, dass die Vögel auch für die Produktion von Eiern in der ersten industriellen Hühnerfarm der westlichen Welt gedient hatten.
Im hellenistisch-griechischen Weltreich waren dank „Globalisierung“ die Grundlagen für Handel gelegt. Aber nach Europa gelangten die Hühnchen erst in der Zeit der Römer, die den Griechen als Besatzer und Weltmacht im Nahen Osten folgten.
In Marescha hat man nicht nur „unterirdische landwirtschaftliche Einrichtungen“ gefunden, sondern auch Wandmalereien mit Abbildungen von Hühnern. Daraus folgern die Archäologen, dass für die ersten Hühnerzüchter im Heiligen Land dieser Produktionszweig ein wichtiges Standbein war, vor allem für den Export. Weitere Forschungen ergaben, dass an rund 200 geprüften anderen hellenistischen Ausgrabungsstätten im Vergleich nur wenige Hühnerknochen gefunden wurden, was Marescha zu einem Zentrum der Hühnerzucht in der alten Welt gemacht hat. Nach Rom gelangten die Hühnchen erst etwa einhundert Jahre vor der Zeitenwende.
Das berühmte Kochbuch des im Jahr 25 nach Christus geborenen Marcus Gavius Apicius zeigt, dass Geflügel sehr populär war. Doch in den Kochtopf wanderten eher Strauße, Kraniche, Enten, Gänse, Flamingos, Turteltauben, Rebhühner und das Haselhuhn. Für das „Pullum“ (Huhn) findet man dort einige Rezepte, etwa auf „parthische Art“, „à la Varius“ und auf „numidische Art“. Diese Hühnchen wurden mit Honig, Jericho-Datteln, Liquamen (vergleichbar mit thailändischer Fischsoße), Honig, Liebstöckel, Wein und Laser angerichtet. Das von den Römern auch Laser Vivum genannte Gewürz ist identisch mit dem sehr „streng“ riechenden Asafoetida. Aus gutem Grund wurde diese Zutat in mittelalterlichen Kochbüchern „Teufelsdreck“ genannt. (uws)