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Wenn Männer auf die Stimme einer Frau hören

In seinem Buch „Höre auf ihre Stimme“ beleuchtet der Publizist Chaim Noll die Rolle biblischer Frauengestalten. Die Hebräische Bibel nimmt der israelische Jude mit deutschen Wurzeln dabei ebenso in den Blick wie das Neue Testament. Eine Rezension
Von Elisabeth Hausen

Für Chaim Noll ist klar: Die Frauen der Bibel erfahren eine für ihre Zeit ungewöhnliche Wertschätzung. Dies führt der in der DDR aufgewachsene Israeli in seinem Buch „Höre auf ihre Stimme“ näher aus. Der Titel ist ein biblisches Zitat. In 1. Mose 21,12 (Elberfelder) heißt es: „Aber Gott sprach zu Abraham: Lass es nicht übel sein in deinen Augen, wegen des Jungen und wegen deiner Magd; in allem, was Sara zu dir sagt, höre auf ihre Stimme!“

Hintergrund ist die Geschichte der Halbbrüder Ismael und Isaak: Da Sara keine Kinder bekommen konnte, zeugte ihr Mann Abraham schließlich auf ihren Rat mit der ägyptischen Magd Hagar den Erben Ismael. Doch etwa 13 Jahre später bekamen Abraham und Sara doch noch einen Sohn, den sie Isaak nannten.

Sara forderte Abraham auf, die ägyptische Magd Hagar mit dem Sohn Ismael in die Wüste zu schicken. Denn sie befürchtete, Ismael könne Anteil an dem Erbe erhalten, das Isaak zusteht. Abraham wollte sich darauf nicht einlassen. Doch Gott bestätigte Saras Willen, und Araham handelte danach.

Noll: Liebe verband Abraham und Sara

In Abrahams Umfeld war Vielehe durchaus üblich, wie auch andere biblische Geschichten zeigen. Abraham hingegen nahm sich trotz Saras Unfruchtbarkeit keine Zweitfrau.

Der Autor deutet dies so: „Abraham liebte seine Frau Sara so sehr, dass er ihre Kinderlosigkeit in Kauf nahm, um mit ihr in der bisherigen intimen Zweisamkeit – ohne weitere Frau – zusammenleben zu können. Es handelt sich sichtlich um eine Beziehung, die auf anderen Gemeinsamkeiten beruhte als auf der Erzeugung von Nachwuchs, eher auf Liebe, Freundschaft, zwischenmenschlicher Nähe, frei von jedem Zweck.“ Er hebt hervor, dass diese „betont menschliche Gemeinsamkeit beim ersten ausführlich vorgestellten Paar der Bibel“ klar zum Ausdruck komme.

Eine weibliche Gestalt, die nur einmal in der Bibel erwähnt wird (Jesaja 34,14), und das ohne nähere Erklärung, ist Lilit. Dennoch geht Noll ausführlicher auf sie ein als auf manch biblische Figur, wobei er die außerbiblische jüdische Tradition einbringt. Hier geht es um eine mögliche Beziehung, die Adam gehabt haben soll, bevor er Eva kennenlernte. Auf jüdische Quellen greift der Autor auch an anderen Stellen zurück.

Bibel als Quelle für facettenreiches Verhältnis zwischen den Geschlechtern

Noll lebt als religiöser Jude in Israel. Die Bibel beschreibt er als eine der „reichsten historisch-literarischen Quellen für das spannungsgeladene und komplizierte, von Begehren und Ungleichheit, Anziehung und Disharmonie gezeichnete, aufregende, wild bewegte, oft beglückende, oft tragische Verhältnis zwischen den Geschlechtern“. In dem Buch betont er mehrmals, dass er von der Zweigeschlechtlichkeit überzeugt ist, wie sie die Bibel propagiert – mit den entsprechenden, in der Schöpfung angelegten Unterschieden zwischen Mann und Frau.

Obwohl es nicht direkt etwas mit Frauen in der Bibel zu tun hat, thematisiert Noll auch Homosexualität. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass diese nur verboten sei, wenn Gewalt angewandt werde. Die Beziehung zwischen David und Jonathan ist für ihn „ohne Frage homoerotisch“, was er allerdings nicht näher begründet. Aus der Tatsache, dass homosexuelle Beziehungen zwischen Frauen nicht erwähnt werden, schließt er – nicht ganz nachvollziehbar –, dass sie nicht verboten seien.

Befreiung der Frau durch Bibel inspiriert

Grundsätzlich ist der Publizist davon überzeugt, dass die Frauen in Israel mehr Freiheiten hatten als ihre Geschlechtsgenossinnen in anderen Teilen der antiken Welt. Er beobachtet eine positive Entwicklung, sieht aber auch Rückschritte, etwa im Buch der Sprüche, das alte Klischees wieder aufgreife.

Im Zusammenhang mit der allgemeinen geschichtlichen Entwicklung der Stellung der Frau hält er fest: „Vieles von dem, was später als Errungenschaft und preiswürdiges Ergebnis langwieriger Bemühungen menschlicher Gesellschaften betrachtet wurde, ist im mosaischen Gesetz als Idee vorweggenommen. Das allmähliche Bekanntwerden dieser Regelungen und der auf ihnen basierenden Gepflogenheiten in der römischen Provinz Judäa war einer der Gründe, warum im Rom der Kaiserzeit zunehmendes Interesse sowohl am Judentum als auch am Christentum entstand.“

Ein Beispiel für die Fortschrittlichkeit der biblischen Gesetzgebung ist für Noll die Episode um die fünf Töchter des Zelofhad, die alle namentlich erwähnt werden: Nach dem Tod ihres Vaters während der Wüstenwanderung wenden sie sich an die Ältestenversammlung. Weil sie keine Brüder haben, bitten sie darum, das Erbe an sie zu übertragen. „Die fünf jungen Frauen erreichten, dass Mose in diesem bahnbrechenden Fall einen Gottesspruch herbeirief, der zu ihren Gunsten erging (4. Mose 27,6).“ Daraus entstand ein allgemeines Erbrecht für Töchter, Frauen wurden also zu juristisch autonomen Personen.

Vorbildlich: Jesu Umgang mit Frauen

Doch Noll beschränkt sich nicht auf die Hebräische Bibel. Er stellt auch Frauen aus dem Neuen Testament vor – und Jesu Umgang mit ihnen. Zudem zitiert er christliche Theologen. Er nimmt eine „Unterstützung geistig arbeitender Männer durch Frauen“ wahr. Ein Beispiel findet er in der Geschichte von Maria und Marta (Lukas 10,38–42): Während sich Marta um den Haushalt kümmert, lauscht Maria auf Jesu Worte – und wird von ihm gelobt.

Jesus „schätzte also die Bereitschaft, mit den Gästen zu reden, ihnen zuzuhören und von ihnen zu lernen, höher als die Erfüllung der herkömmlichen Gastfreundschaft, das Kochen, Zurichten und Bedienen“, folgert der Autor. Hinzu komme „das darin enthaltene Bekenntnis zum Recht der Frauen, geistig tätig zu sein“. Paulus und die Kirche hätten Regeln, die Jesus vernachlässigte, wieder aufgegriffen und damit die Freiheit der Frau eingeschränkt: Züchtige Kleidung nennt der Publizist als ein Beispiel.

Foto: Evangelische Verlagsanstalt
Chaim Noll: „Höre auf ihre Stimme. Die Bibel als Buch der Frauen“, Evangelische Verlagsanstalt, 336 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-374-07310-8

In seinem Buch nennt Noll viele Argumente dafür, dass die Bibel ein „Buch der Frauen“ sei. Er streicht ihren Einfluss, oft im Hintergrund, heraus und stellt die ungewöhnliche Wertschätzung von Frauen in den Kontext der antiken Umwelt. Dabei lässt er jüdische Auslegungen mit einfließen, die mitunter für christliche Leser befremdlich sein können – etwa im Zusammenhang mit der sagenumwobenen Lilit. Doch die Lektüre erweitert den Horizont und regt zum weiteren Nachdenken an.

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5 Antworten

  1. Lilit finde ich nicht bei Jesaja 34,14, und leider ist sie in meiner Konkordanz überhaupt nicht erwähnt.
    Wer kann mir da weiterhelfen?

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    1. In Jesaja 34,14 heißt es laut der revidierten Luther-Übersetzung von 2017: „Da werden Wüstentiere und wilde Hunde einander treffen, und ein Bocksgeist wird dem andern begegnen. Auch Lilit wird dort hausen und ihre Stätte finden.“
      Elberfelder übersetzt: „Da treffen Wüstentiere mit wilden Hunden zusammen, und Bocksdämonen begegnen einander. Ja, dort rastet die Lilit und findet einen Ruheplatz für sich.“

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  2. „Wenn Männer auf die Stimme einer Frau hören“: Frage: und wie behandelt Abraham Sarai, die in der Wüste dann Ismael gebar ? Meiner Meinung nach läßt er sie schutzlos…!? War sein Tun nur damals nicht verwerflich ?

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  3. Ich finde das Thema wichtig: Ich bin GEGEN die frauenfeindliche und anitjüdische Gottlosigkeit in dieser Welt. Für sollten alle mehr Israel-freundlich und Frauen-freundlich werden. Und Sarah ist ein gutes Beispiel, das Buch Esther auch etc. Die Bibel ist für mich die Grundlage für ein besseres Leben, das es in dieser Welt doch so selten gibt.

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