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Was bedeutet das „Wunder“ heute?

Zum 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel kommentieren israelische und deutsche Medien das „Wunder“. Der Blick richtet sich dabei in die Zukunft des Verhältnisses beider Staaten.
Aus gegebenem Anlass: Kommentatoren betrachten heute die Zukunft des Verhältnisses zwischen Deutschland und Israel.
Die deutsche „Bild“-Zeitung und das israelische Massenblatt „Yediot Aharonot“ haben für den Jubiläumstag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel eine Ausgabe mit gemeinsamen Beiträgen vorbereitet, darunter Interviews mit beiden Staatspräsidenten. Auf der gemeinsam gestalteten Titelseite begrüßen die Zeitungen ihre Leser auf Hebräisch mit „Jom Tov Israel“ („Guten Tag, Israel“) und auf Deutsch mit „Schalom, Deutschland“. Eine journalistische Zusammenarbeit hatte sich auch das ZDF-„Morgenmagazin“ vorgenommen. Moderator Mitri Sirin gastierte im Studio des israelischen Pendants „HaBoker schel Keschet“ („Der Morgen von Keschet“), während sein israelischer Kollege Joav Limor beim ZDF vor der Kamera stand. Sirin begrüßte das israelische Publikum mit „Boker tov“, seine israelischen Gäste lobten ihn dafür, dass er ein paar Wortfetzen Hebräisch kann. Zweimal schalteten die Programme im Laufe des Morgens einander zu. Der „Welt“-Journalist Jacques Schuster weist auf die „Wucht“ hin, die die Aufnahme diplomatischer Beziehungen damals bedeutet habe. Denn nach dem Holocaust hätten die Israelis Schauder und Widerwillen gegenüber Deutschland gehegt. Heute allerdings übten viele Deutsche „wuchtige Kritik“ an Israel, etwa an dessen Militäreinsätzen. Dabei wäre ohne Israel die Bedrohung durch Islamisten für Deutschland akuter, als sie ohnehin schon ist, meint der Autor. In diesem Sinne bleibe das Verhältnis zwischen beiden Staaten relevant.

Neue Gemeinsamkeiten gesucht

Klaus-Dieter Frankenberger von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bezeichnet die Aufnahme der Beziehungen vor dem Hintergrund des Holocausts als „Wunder“. Doch in Zukunft werde das Verhältnis beider Staaten weniger von der Vergangenheit geprägt sein. Aus diesem Grund müsse es nach „neuen zukunftsfeste Angeboten“ suchen, die für das Leben junger Leute in beiden Ländern relevant seien. Dabei dürfe die „historische Verpflichtung“ jedoch nicht in Vergessenheit geraten, mahnt der Autor. Der Nahost-Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ Peter Münch sieht das Verhältnis beider Staaten nicht als „Wunder“, sondern als Ergebnis eines Ringens beider Seiten. Doch heute wachse das Missverständnis. Deutsche sähen Israel als Aggressor gegen Palästinenser. Israelis könnten „auf den verdruckst erhobenen deutschen Zeigefinger“ verzichten. Der einzige Ausweg sei ein offener Umgang der Regierungen miteinander. „Das Verhältnis ist gefestigt genug, um Konflikte auszuhalten.“ Optimistischer gibt sich Herb Keinon von der israelischen Tageszeitung „Jerusalem Post“. Israel pflege zu vielen Ländern ein auf Interessen beruhendes Verhältnis. Das zu Deutschland sei jedoch „besonders“. Deutschland spüre eine besondere Verantwortung für Israel und sei „Israels bester Freund in Europa“. Das sei angesichts Israels Stellung in der Europäischen Union vorteilhaft. „Man stelle sich vor, wie schlimm es für Israel aussähe, stünde Deutschland nicht an seiner Seite.“ Die israelische Tageszeitung „Ha‘aretz“ sieht die 50 Jahre als ein „sehr besonderes Verhältnis“, mitunter sogar als „komplizierte Liebesbeziehung“, in der sich aber auch einiges „normalisiert“ hat. Das Blatt macht das anhand des Buchmarktes fest: Seit 1961 hätten viele deutsche Verleger israelische Literatur auch aus einem schlechten Gewissen heraus in Deutschland veröffentlicht. Das habe zu einem unverhältnismäßigen Anstieg der Übersetzungen geführt. Heute sei diese Zahl rückläufig, was nicht auf Desinteresse, sondern auf eine „Normalisierung der Beziehungen“ zurückzuführen sei. (df)

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