Warum ziehen Israelis nach Berlin? Dieser Frage widmet sich die 30-minütige rbb-Dokumentation „Echtes Leben: Heimat gesucht! Israelis in Berlin“. Doch bereits die erste Person, die im Film vorgestellt wird, hat keine typische Biografie. Nirit zog bereits 1987 nach Berlin, beziehungsweise Westberlin – also lange bevor Berlin sich so großer Beliebtheit bei jungen Israelis erfreute, wie heute. In ihrer neuen Heimat sei sie damals als Jüdin wahrgenommen worden, erzählt sie. Diese Identitätszusschreibung war neu für sie. In Israel sei sie dagegen nur als Israelin wahrgenommen worden. Bis heute hadert sie mit der neuen Zuschreibung. Denn obwohl Nirit als eine der versiertesten Stadtführer für jüdischen Themen gilt, ist ihr persönlich das Judentum fremd.
Ihr 22-jähriger Sohn Joel entdeckt dagegen gerade sein Jüdisch-Sein. Das führt innerhalb der Familie zu regelmäßigen Diskussionen. Joel erklärt, seine Mutter habe Angst, dass er strenggläubig werden könnte. Joel selbst ist in Deutschland geboren, besitzt aber auch die israelische Staatsbürgerschaft. Er arbeitet im Bundestag als Besucherbetreuer. Auch dort wird er regelmäßig auf seine jüdische Identität angesprochen. Ein Thema, das er ungern mit Fremden besprechen will.
Gründe für Berlin gibt es viele
Protaginsten sind auch Dory und Moshe. Das homosexuelle Paar kam erst vor zwei Jahren von Tel Aviv nach Berlin. Zuvor lebten sie in Paris. Die beiden Israelis verstehen sich als Migranten und fühlen sich in dieser Rolle wohl. Berlin mache es Migranten wie ihnen einfach, erklären sie. Grundsätzlich würden sie aber nicht an einen Ort gehören, sondern an alle Orte. Heimat ist für Dory und Moshe auch die hebräische Literaturszene der Stadt, in der sie als Promis gelten. In der Doku begibt sich Dory auf Ahnensuche nach seiner aus Berlin stammenden Familie – und wird fündig. Für ihn mache die Tatsache, dass seine Vorfahren in Berlin begraben liegen, die Stadt ebenfalls zur Heimat.
Die Doku macht ganz praktisch sichtbar, welche Vielzahl an Faktoren Berlin zur spürbaren Heimat von Israelis werden lässt: Studium, neue Freunde, der Wohlfühlfaktor eines weltoffenen und toleranten Berlins oder die eigene Familiengeschichte. Fast schon ungewohnt, aber dafür umso angenehmer, ist zudem die Tatsache, dass die Doku jüdisches und israelisches Leben in Deutschland beleuchtet, ohne dass der Holocaust oder Antisemitismus eine Rolle spielen. Klar ist allerdings auch: Es gibt unzählig viele weitere Gründe für Israelis, Berlin als eine neue Heimat anzunehmen.
Die Dokumentation „Echtes Leben: Heimat gesucht! Israelis in Berlin“ wird am Sonntag, 12. September, ab 17:30 Uhr, in der ARD ausgestrahlt. Anschließend ist sie in der Mediathek abrufbar.