Nicht nur aus Europa und Amerika, sondern auch von Israelis werden derartige Vorwürfe gegen die Regierung Israels erhoben. So schreibt David Grossman in einem Spendenaufruf für die Menschenrechtsorganisation „B’Tselem“: „Die israelische Besatzung des Westjordanlandes erscheint ohne Ende, während der Gazastreifen zunehmend isoliert ist und verarmt.“ Der preisgekrönte israelische Schriftsteller beklagt, dass „mehr als vier Millionen Palästinenser ohne die grundlegenden Rechte leben, die wir in Israel für selbstverständlich halten“, und macht dafür „militante Siedlungen“ und die „Trennungsbarriere“ verantwortlich. Seinen Einsatz für „Gleichheit“, ein „Ende der Gewalt“, „die Würde aller Menschen“ und dafür, „unseren Nachbarn Freiheit und Respekt zu geben“, begründet er mit seiner tiefen Sorge „um Israels Demokratie und Zukunft“.
Ganz andere Töne schlägt ein anderer prominenter Vertreter der israelischen Linken an. Professor Amnon Rubinstein war fast drei Jahrzehnte Knessetmitglied, zuletzt in der linksliberalen Meretz-Partei. Er erklärte in einem Radiointerview Ende 2012 den Niedergang seiner Bewegung. Die israelische Linke habe darauf gebaut, dass territoriale Zugeständnisse Frieden bringen. „Aber“, so Rubinstein, „die palästinensische Führung und die arabische Welt haben alles getan, um das als falsch zu entlarven!“
Kategorische Ablehnung verhinderte arabischen Gebietsgewinn
Tatsächlich spielen die kategorischen Nein der Araber zu jeglichem Kompromiss eine entscheidende Rolle beim chronischen Scheitern aller Friedensbemühungen in Nahost und weisen eine für arabische Verhältnisse ungewöhnliche Stringenz auf. Hätten die arabischen Staaten 1947 ein Ja zum Teilungsplan der UNO gefunden, wären israelische Städte wie Naharija oder Be‘er Scheva heute arabisch. Hätte die Arabische Liga 1967 in Khartum das israelische Gesprächsangebot nicht ausgeschlagen, könnten heute die Jerusalemer Altstadt weitgehend und alle so genannten „Palästinensergebiete“ arabisch sein. Hätte Jasser Arafat im Sommer 2000 in Camp David das Angebot Ehud Baraks nicht abgeschlagen, wäre heute ein Großteil der Westbank palästinensisch, einschließlich des Tempelbergs in Jerusalem. Zu Beginn seiner letzten Amtszeit unternahm Premierminister Benjamin Netanjahu einen bis dato beispiellosen Schritt und verhängte einen Siedlungsbaustopp. Die Reaktion der Palästinenser war der Abbruch aller Gespräche.
Dabei hatte Emir Faisal, Urgroßonkel des heutigen jordanischen Königs Abdallah II., offensichtlich noch kein Problem mit einer jüdischen Besiedlung von West- und Ostufer des Jordans gehabt. In einem Briefwechsel mit dem Zionistenführer Chaim Weizman betonte der arabische Fürst 1919 die „uralten Verbindungen zwischen Arabern und Juden“ und wollte eine „jüdische Einwanderung nach Palästina im großen Rahmen“ fördern. Damals umfasste „Palästina“ neben dem Staatsgebiet Israels und den Palästinensergebieten auch noch das gesamte Gebiet des heutigen Königreichs Jordanien. Als zwischen 1949 und 1967 Westbank und Gazastreifen in arabischer Hand waren, kam niemand auf die Idee, die Errichtung eines unabhängigen Palästinenserstaates zu fordern.
Frage der Sicherheit im Vordergrund
Aber seither ist viel Wasser den Jordan hinunter geflossen. Was Israelis heute bewegt und vor einem Friedensschluss mit ihren arabischen Nachbarn zurückschrecken lässt, sind weniger Gebietsansprüche, als vielmehr die Frage der Sicherheit. „Wenn die Araber mir glaubhaft versprechen, mich leben zu lassen, werde ich sofort Frieden schließen“, erklärt Valery – nach wie vor mit starkem französischem Akzent, obwohl sie schon vor mehr als dreißig Jahren nach Israel eingewandert ist. „Wir wollen unsere Kinder nicht auf dem Altar des Selbstmordwahnsinns opfern“, erklärt ein anderer Israeli und Regierungschef Netanjahu wird nicht müde zu wiederholen, was viele in seinem Volk für extrem wichtig halten: „Höchste Priorität hat unser Überleben als Nation!“
Die stoische Gelassenheit, mit der die Weltgemeinschaft seit Jahren die martialischen Töne des Mullahregimes aus Teheran erträgt, „der Schandfleck Israel müsse von der Landkarte verschwinden“, sind genauso wenig dazu angetan, Israelis kompromissbereiter zu stimmen, wie die jüngsten Absichtserklärungen syrischer Salafiten: „Wenn wir Damaskus erobert haben, wenden wir uns nach Tel Aviv!“ Weder die Aussagen des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi noch die des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas oder der Tenor dessen, was an palästinensischen Schulen gelehrt wird, sind von einer anderen Tonart geprägt.
Israel kann seine Augen nicht davor verschließen, dass der Islam ein grundsätzliches Problem mit jüdischer Souveränität über auch nur den kleinsten Fleck „islamischen Bodens“ hat. Der demokratisch legitimierte Siegeszug der Islamisten im Rahmen des „arabischen Frühlings“ hat konkrete Auswirkungen auf israelische Befindlichkeiten. Eine freiheitlich-demokratische Rechtsordnung nach westlichen Maßstäben ist nirgendwo in der arabischen Welt auch nur in Ansätzen erkennbar. Traurige Tatsache bleibt, dass alle Gebiete, die Israel an seine Nachbarn abgetreten hat, zu Ausgangsbasen für Terror wurden: Der Sinai, der Südlibanon und der Gazastreifen. Und: Wie sähe es heute an Israels Nordgrenze aus, wenn man in den 1990er Jahren die Golanhöhen für einen Frieden mit Syrien an das Regime der Assads abgegeben hätte?!