Es begann mit einer Lesung. Am 19. Juni trug der Autor Markus Flohr im Studio "Dock 11" in Prenzlauer Berg vor, wie es sich anfühlt, als Deutscher in Israel zu leben. Nervös sei er gewesen, berichtet er im Nachhinein. Schließlich habe er noch nie vor so vielen Israelis aus seinem Buch "Wo samstags immer Sonntag ist" vorgelesen. 120 Zuhörer hat das Netzwerk "Habait" an diesem Abend begrüßt. Längst nicht alle von ihnen sind aus Israel. Auch Deutsche, sogar pakistanische und ägyptische Gäste kamen. "In Berlin können Israelis und Araber zusammen sein und sich austauschen", sagt Nirit Bialer später und formuliert damit das Ziel der von ihr mitgegründeten Initiative "Habait". Die Deutschen sollen ein Stück näher an die israelische Kultur heranrücken, das wünscht sie sich. Der 19. Juni soll dabei nur der Anfang gewesen sein. Das Haus soll noch voller werden.
Nirit Bialer lebt seit fünf Jahren in der Bundeshauptstadt. Schon in ihrer Heimat Israel lernte sie Deutsch, wollte mehr über die Kultur derer erfahren, die den Juden so viel Leid zugefügt haben. Sie begann, sich für die Völkerverständigung zu engagieren, organisierte Austauschprogramme. In Berlin betreut sie einen Jugendstammtisch. Ein Mal im Monat treffen sich Israelis, Deutsche und andere Interessierte. Zwischen 30 und 50 Gäste nehmen regelmäßig teil. Nicht genug, findet Bialer: "Die Menschen wollen mehr übereinander erfahren", ist sie sich sicher. "Habait" war der nächste Schritt.
"Jeder Israeli ist Botschafter seines Landes"
Es gibt wohl keine Stadt in Deutschland, die sich so sehr der jüdischen Kultur verschrieben hat, wie Berlin. Es gibt jüdische Musik- und Filmfestivals, Gemeinden und sogar ein Café, das ausschließlich koschere Speisen und Getränke serviert. Braucht es da überhaupt noch ein israelisches Netzwerk? Ja, meint Bialer. Wie wenig die Deutschen die Kultur der Israelis verstehen, bemerke sie immer dann, wenn sie sich in einer Runde als Israelin oute. Sie sei säkular, aber natürlich auch Jüdin. Das überfordere ihr Gegenüber meist. Aber es wecke auch Interesse. "Hier in Berlin bin ich vielleicht noch stärker mit meiner Heimat verbunden, als in Israel", begründet sie ihr Engagement. Schließlich sei jeder Israeli im Ausland ein Botschafter seines Landes. Politisch gehe es bei "Habait" aber nicht zu. "Israel ist mehr als Bomben", das gelte es vor allem zu verstehen.
Am 21. August will sie ihre Botschaft erneut loswerden. Dann veranstaltet "Habait" eine "Tel-Aviv-Beach-Party" mit israelischen Bands und Djs – sofern das Berliner Wetter mitspielt. "Es wäre schön, Menschen da zu haben, die gar nichts mit Israel zu tun haben", sagt Bialer. In ihrem Haus soll sich schließlich jeder zu Hause fühlen. Künftig könnte Berlin die Zentrale einer weltweiten "Habait"-Bewegung werden, hofft sie. Auch in anderen deutschen Städten sollen sich Netzwerke wie ihres gründen. Via Facebook hat sie bereits Kontakt zu Interessierten in Amsterdam. "Die Menschen müssen ihren Geist öffnen", sagt sie und rät den Deutschen: "Gebt Israel eine Chance". Doch auch die Israelis sollten sich öffnen. Sie muss es wissen. Berlin ist für die 33-Jährige zur Heimat geworden. Ob sie noch einmal nach Israel zurück wolle? Da müsse sie noch einmal drüber nachdenken, sagt sie und steigt mit Dutzenden anderer Berliner in die Bahn Richtung Wannsee.