In diesen Tagen feiern wir Juden und Jüdinnen das mehrtägige Pessach-Fest, es beginnt am Samstagabend. Das Fest erinnert an den Auszug aus ägyptischer Knechtschaft und beginnt mit dem „Seder“- Abend. Das hebräische Wort Seder bedeutet „Ordnung“, sie ist ein zentraler Bestandteil des jüdischen Pessach-Festes. Ein festliches Mahl, das nach einer bestimmten Ordnung und mit symbolischen Speisen begangen wird, hält die Erinnerung an den Auszug der Israeliten aus Ägypten wach.
Zu dieser „Festmahl-Ordnung“ gehören auch vier Gläser Wein, die während des abendlichen Seder-Mahls getrunken werden. Sie repräsentieren symbolisch die vier von G‘tt versprochenen Erlösungsideen:„Ich werde euch herausführen“, „Ich werde euch retten“, „Ich werde erlösen“ und „Ich werde euch zu meinem Volk nehmen…“ (2. Mose 6,6–8).
Darum sage zu den Söhnen Israel: Ich bin der HERR; ich werde euch herausführen unter den Lastarbeiten der Ägypter hinweg, euch aus ihrer Arbeit retten und euch erlösen mit ausgestrecktem Arm und durch große Gerichte. Und ich will euch mir zum Volk annehmen und will euer Gott sein. Und ihr sollt erkennen, dass ich der HERR, euer Gott, bin, der euch herausführt unter den Lastarbeiten der Ägypter hinweg. (Elberfelder Bibel)
Vier Welten oder vier Fremdherrschaften
Der jüdische Gelehrte Elijah Ben Salomon Salman, auch Gaon von Wilna genannt (1720–1792), verbindet die vier Kelche Wein mit vier Welten: dieser Welt, dem messianischen Zeitalter, der Welt der Wiederauferstehung der Toten und der kommenden Welt.
Eine andere Tradition besagt, dass die vier Gläser Wein der Befreiung von den verschiedenen Fremdherrschaften entsprechen, denen die Kinder Israel und später das jüdische Volk unterworfen waren.
Im 2. Buch Mose, dem Exodus, finden wir noch einen fünften Ausdruck, der die Erlösung beschreibt (6,8): Dann werde ich euch in das Land bringen, um dessentwillen ich meine Hand ⟨zum Schwur⟩ erhoben habe, dass ich es Abraham, Isaak und Jakob geben will, und ich werde es euch zum Besitz geben, ich, der HERR. (Elberfelder Bibel)
Beim Seder-Mahl haben wir die Tradition eines fünften Weinglases, es ist das Glas von Elijahu dem Propheten. In dieses Glas in der zweiten Hälfte des Seder-Mahles Wein eingeschenkt, in der Hoffnung, dass Elijahu vorbeikommen und „mit uns trinken“ wird. Elijahu kommt die Ankündigung der Ankunft des Maschiachs zu und somit der bevorstehenden Erlösung.
Erinnerung an Moses Schwester Mirjam
In einigen progressiven und liberal-jüdischen Familien gibt es den Brauch, neben das Glas für Elijahu ein weiteres Weinglas für Mirjam zu stellen, die Schwester Moses. Das mag zunächst verwundern, aber ihr kam während des Exodus eine bedeutende Rolle zu: Mirjam war dafür verantwortlich, dass die Kinder Israel stets genug Wasser hatten.
In Erinnerung an ihre lebenswichtige Aufgabe füllen einige Juden und Jüdinnen das ihr zugedachte Glas am Sederabend mit Wasser. Beim Seder-Mahl lehnen wir uns symbolisch mit der linken Seite beim Trinken der vier Becher Wein an eine Stuhllehne an. Am Tisch zu liegen war ein Privileg für freie Menschen, Sklaven war dies verwehrt.
Weinanbau in der Wüste
Eine Reihe Israelischer Winzer produzieren hervorragende Weine. Auch die südliche Negev-Wüste hat sich dank Pioniergeist und Expertise als Anbaugebiet israelischer Qualitätsweine entpuppt. Schon David Ben-Gurion pries, dass die Zukunft des Staates Israel in der Negev-Wüste läge. Bereits vor der Staatsgründung hatte der erste israelische Premierminister das landwirtschaftliche Potential der ariden Region erkannt.
Inspiriert von Ben-Gurions Visionen für die Wüste machten sich im Jahr 2000 einige Weinliebhaber auf, ein Abenteuer zu wagen: Anbau von Wein in der Wüste Negev, einer der trockensten Regionen der Welt. Experimentierfreude, Durchhaltevermögen und ein ausgeklügeltes Wasserversorgungssystem führten nach einigen Fehlschlägen letztendlich zum Erfolg.
Unterstützt wurden die Negev-Weinpioniere von der erfahrenen Carmel-Weinkellerei, angesiedelt im Norden Israels. Ein großes Wagnis, aber es sollte sich zeigen, dass das trockene Klima der Negev-Wüste sich als ein Vorteil erweist, denn es schützt die empfindlichen Rebstöcke vor Pilzkrankheiten. Die nächtliche Kühle der Wüste fördert zudem einen sehr guten Säureaufbau in den Weintrauben.
Die „Negev-Weinroute“ verläuft entlang der Schnellstraße 40 zwischen Be‘er Scheva und Mizpe Ramon. Über die Jahre haben sich weitere experimentierfreudige Weinbauern im Negev angesiedelt. Mittlerweile laden um die 25 Weingüter zur Wein-Verkostungen ein.
Von Rabbinern überwacht
Die Negev-Weine sind koscher, die gesamte Produktion wird durch Rabbiner überwacht. Somit gilt auch für den Weinanbau in der Wüste: Die Trauben dürfen erst ab dem vierten Jahr geerntet werden. Das siebte Jahr, das Schmita-Jahr, ist gemäß der Tora ein Ruhejahr für Ackerland. Diese Ruhezeit wird auch Schabbaton genannt. Die Rebstöcke können sich erholen.
Zwei Monate vor jeder Weintraubenlese darf nicht gedüngt werden. Andere Pflanzen neben Rebstöcken anzubauen, ist verboten. Zudem ist es Winzern koscherer Weine untersagt, verschiedene Pflanzenarten im Anbau zu vermischen. Ausschließlich religiöse Önologen (Weinbaufachleute) dürfen den Wein vor dem Abfüllen kosten. Ist der Wein-Fachmann säkular, übernimmt ein Rabbiner diese Aufgabe.
Lange Tradition
Der Weinanbau in der Negev-Wüste hat eine lange Tradition. Sie geht auf die Nabatäer zurück, einen Verbund antiker nordwestarabischer Nomadenstämme. Im 1. Jahrtausend vor Christus wanderten die Nomaden von Arabien aus in das Gebiet zwischen Roten und Toten Meer ein. Um 500 vor Christus zogen sie ins Ostjordanland und das Gebiet um Petra und vertrieben im Zuge ihrer Besiedlung vermutlich die Edomiter.
Als Karawanenhändler und Betreiber von Karawansereien kontrollierten sie die Gewürzroute, beginnend im Jemen über Arabien durch die Negev-Wüste bis zum Hafen von Gaza am Mittelmeer. Das Monopol über diese 2.500 Kilometer lange Handelsroute erklärt ihren kometenhaften Aufstieg sowie die wirtschaftliche und politische Macht ab dem 4. Jahrhundert vor Christus.
Als Nomaden ursprünglich Zeltbewohner, läutete die Römische Periode bei den Nabatäern eine rege Bautätigkeit fester Siedlungen entlang der Handelsroute ein: Petra als Hauptstadt im heutigen Jordanien, Bosra im heutigen Syrien und die Handelsmetropole Herga (Mada‘in Salih) im heutigen Saudi-Arabien. In der Negev-Wüste waren Avdat (Oboda), Elus (Chaluza) und Nizana die ersten nabatäischen Siedlungen, gefolgt von Mamschit, Schivta und Rechovot. Dank eines ausgeklügelten Bewässerungssystems brachten die Nabatäer die Wüste zum Blühen.
Im Zeitraum von 150 vor bis 105 nach der Zeitrechnung schlossen sich die Nomadenstämme zu einem Königreich Nabataea zusammen. Unter Pompeius wurden die freiheitsliebenden Nomaden römische Vasallen (63 vor der Zeitrechnung). Noch konnte Aratas die Einheit seines Reiches wahren.
Römische Provinz
Das Jahr 106 nach der Zeitrechnung markierte einen einschneidenden Wendepunkt. Unter Trajan verloren sie ihre Unabhängigkeit und wurden als römische Provinz Arabia Petraea in das Römische Reich eingegliedert, blieben aber bis zum Einfall der Muslime die herrschenden Karawanenhändler in der Wüste Negev.
Ein Merkmal römischer Stadtplanung ist, dass das Imperium stets anstrebte, die Landschaft ihrer Architektur zu unterwerfen, eine weitere Machtdemonstration. Nicht so die Nabatäer. Das einstige Nomadenvolk fügte ihre Siedlungen behutsam in die topographischen Gegebenheiten ein unter gleichzeitigem klugem Wassermanagement: Die Straßen fingen das kostbare Wasser der spärlichen Regenfälle auf. Sie leiteten es teils in Zisternen und teils direkt zu landwirtschaftlichen Parzellen, auf denen das sesshaft gewordene Wüstenvolk erfolgreich Gerste als Futtermittel für die Pferdezucht Obst und Wein anbaute, wie antike Weinpressen belegen.

Dank einer ausgetüftelten Zuteilungsmethode wurde jeder Obstbaum und jede Weinstockrebe gezielt bewässert. Das kostbare Nass sickerte direkt an den Pflanzen in den fruchtbaren Lössboden der Negev-Wüste ein.
Inspiration aus der Antike
Heute führt ein über 700 Meter langer Weg zu einer modernen Obstplantage nördlich von Schivta. Dort macht man sich die altertümlichen Methoden zunutze, um Johannisbrotbäume, Feigen, Mandeln, Pflaumen, Oliven, Granatäpfel, Pfirsiche, Aprikosen und Trauben erfolgreich anzupflanzen.
Inspiriert durch die traditionellen nabatäischen Anbauverfahren entwickelte der israelische Botaniker Michael Evenari (1904–1989) die Sturzwasserbewirtschaftung und trug maßgeblich zum Verständnis der Wüstenökologie bei. Evenari leistete mit seiner Forschungsarbeit zur Rekonstruktion und dem Wiederaufbau der Sturzwasserfarmen im Negev einen wesentlichen Beitrag für die moderne israelische Wüstenlandwirtschaft. Israelische Weinbauern profitieren vom antiken Wissen der Nabatäer und Evenaris Erforschung der Systematik der uralten nabatäischen Bewässerungstechnik.
Die israelischen Winzer haben David Ben-Gurions Vision, „die Wüste zu begrünen“, tatkräftig umgesetzt. Ihre Qualitätsweine sind eine kulinarische Offenbarung der Wüste Negev.
Chag Pessach sameach we LeChaim! (Frohes Pessach und Zum Leben!)
16 Antworten
Vier Gläser Wein. Was sagen wir dazu? Zum Wohl! Alla Salute!
Der beste Ehemann von allen, der eigentlich nie Alkohol trinkt, wird brav vier (kleine) Gläser Wein trinken. Danach ist er sehr, sehr müde 🙂 Le chaim, Prosit, Salute, Nasdrowje
@Antonia
Ernesto, unser Gärtner, bester Winzer von allen, kümmert sich auch um unseren Weinberg: unser Rotwein, der beste von allen.
Meine Güte, Ernesto ist aber gut beschäftigt. Mein Mann hatte auch einen Weinberg, mit leider sauren Trauben. Inzwischen wurde DER als Bauplatz verkauft. Aber israelische Weine kaufe ich auch gerne.
@Marita
Wir werden Ernesto zur Weinprobe in die Wüste Negev schicken. Er wird uns dann berichten.
Da ich säkular eingestellt bin trinke ich auch nichtkoscheren Wein, wenn er gut ist.
An Pessah sieht die Sache etwas anders aus da lege ich zumindest wert auf vier kleine Römer koscheren Weins
Zumindest damit gebührt es sich, IHN zu ehren.
Chag Pessah sameach leshalom
Frau Tegtmeyer erklärt wunderbar die Vorgehensweise beim Weinanbau in der Negev und den Brauch am Seder-Abend. Vielen Dank. Schwierige Bedingungen, glanzvoll gelöst, haben wir schon einige gute Weine verkosten dürfen. Mein Lieblingswein kommt vom Golan.
Das Wachstum, die Gefahren für die Traube, bis zur Pressung, wo alles Köstliche herausgepresst wird, ist ein schwerer Prozess für diese wunderbaren Früchte. 🍇🍇🍇 Der Prophet Jesaja benutzt auch einen Weg in Kapitel 3, um Israel anzusprechen. Der Weingärtner bepflanzt den fruchtbaren Hügel mit Edelreben. (Bild für Israel) Er baute auch einen Wachturm, damit nichts geraubt wird von Schädlingen, Dieben und dgl. Geistlich sind es Priester. Die Kelter ist der Tempel. Wie entstehen köstliche Trauben in meinem Leben ? Ich brauche Bereitschaft zur Selbstprüfung. Mein Leben gehört Gott und ich möchte kein wertloser Weinberg sein. Wenn jemand behauptet, mit Gott zu leben, dann darf Gott erwarten, dass solch ein Leben dem entspricht. Der einzige Nutzen des Weinbergs ist, köstliche, genießbare Früchte zu bringen.
ISRAEL DARF NICHT ZUR BEUTE FÜR DIE NATIONEN WERDEN.
Vier ist soweit ich weiß auch das Zeichen der Fülle. Bei Gott haben wir also alles in Fülle. Die Großzügigkeit der Liebe Gottes zu seinem Volk, dem alten wie dem neuen. Le chaim und Shalom!
Frau Tegtmeyer, toda raba! Dieser umfangreiche Artikel mit Bezug zur Bibel bzw. Tora [5 Bücher Mose] beleuchtet zudem die Themen Landwirtschaft in Südisrael sowie antike Völkerkunde. Dass Moses Schwester Miriam ihn als Baby im Weidenkorb nicht nur heimlich „bewachte“, sondern auch die Aufgabe der Wasserversorgung während der 40-jährigen Wüstenwanderung Israels hatte, war mir neu. Lesen bildet – und ich bin froh, dass es zu meinen Hobbies gehört.
Schabbat schalom vePessach sameach veKascher, am Israel ha-jekar! leCha’im!
Wein aus der Wüste? Schade, hier kann man sowas nicht kaufen. Früher hatte hier eine Supermarktkette, die es nicht mehr gibt, israelischen Wein. Aktivisten hatten Flugblätter verteilt, dass man den nicht kaufen solle. Die Flaschen waren darauf abgebildet. Danach war er immer sofort ausverkauft, man musste sich beeilen, wenn man eine Flasche kaufen wollte. Woran die Aktivisten nicht gedacht hatten: Es gab wohl nicht viele Israelkritiker, sondern nur empörte Menschen. Die meisten Kunden, wie ich selbst, haben gar nicht gewusst, dass dort im Regal israelischer Wein stand. Und haben ihn natürlich immer gekauft.
Machen Sie sich mal auf den Weg nach Köln, sofern es den Auwand lohnt,dort finden Sie in der Beethovenstraße gleich in der Nähe der großen Synagoge das Koscherland, ein recht ordentliches Einkaufsareal für koschere Lebensmittel und Utensilien.
Die Weine dort stammen teils von hier und teils aus Israel selbst
Ich gehe, obwohl säkular, für jüdische Feiertage
ebenfalls dort einkaufen
Ich kann den Laden durchaus empfehlen
SHALOM SHABBAT, Chag Pessah sameach we
le chaim
Bei DORONIA kann man sich alles schicken lassen, auch die koscheren Weine sus Israel und vieles andere mehr.
Der beste Wein, den ich je getrunken habe hiess oder heisst Jehuda (Ich trank allerdings erst etwa 3 oder 4 mal Israelischen Wein)
Mir war der normale Wein in Israel zu teuer. Da kaufte ich mir einen so für Passah oder so,weiss nicht wie man den nennt. Der war mir aber viel zu süß, ich mag nur trocknen Rotwein. Da lies ich die Flasche im Hotel in Jericho im Zimmer stehen und sagte zu meiner Frau, den kann jetzt die arabische Putzfrau mit nach Hause nehmen und zusammen mit ihrem Mann an einem gemütlichen Abend trinken trinken.
JSR,wenn man koscheren Wein für Pessah oder eine andere Festlichkeit besorgt, geht es dabei weniger um den Geschmack als um den symolischen Charakter.
Natürlich sollte es nicht unbedingt der hinterletzte billige Fusel sein, aber der Wert dieser Symbolik liegt doch wohl eher in der Bedeutung für den feiernden Gläubigen.
SHALOM