JERUSALEM (inn) – Das Vertrauen der Israelis in die staatlichen Institutionen bleibt niedrig. Das ist das Ergebnis des Demokratie-Indexes 2019, den der Präsident des Israelischen Demokratie-Instituts, Johanan Plesner, am Dienstag Staatspräsident Reuven Rivlin überreicht hat. Demnach vertrauen nur 14 Prozent der jüdischen Israelis (Araber: 20 Prozent) den politischen Parteien, 30 Prozent (24) der Knesset und ebenfalls 30 Prozent (28) der Regierung. 55 Prozent (56) vertrauen dem Obersten Gericht, wobei insbesondere Anhänger des rechten und ultra-orthodoxen Lagers eine Ungleichbehandlung konstatieren und die Richter als politisch beeinflusst ansehen. Das Vertrauen in die Verteidigungsstreitkräfte bleibt mit 90 Prozent (41) indes auf hohem Niveau.
Die Zahlen unterscheiden sich nicht wesentlich von den Ergebnissen der Vorjahre, wurden allerdings auch bereits im Mai, also noch vor den erneut vorgezogenen Neuwahlen erhoben. Dennoch setzte Präsident Rivlin sie in Bezug zu der inzwischen seit rund einem Jahr anhaltenden innenpolitischen Blockade. „Die Situation ist gefährlich, weil das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institutionen der Demokratie: in Wahlen, Parteien und die Knesset, erodiert ist.“ Die Herausforderungen des Landes erhielten nicht die Aufmerksamkeit, die eine normale Regierung ihnen entgegenbringen würde, mahnte Rivlin.
Araber sehen Wohlfahrtsstaat positiver als Juden
Dies ändert jedoch nichts daran, dass 84 Prozent der jüdischen und arabischen Israelis angeben, auch dann in Israel bleiben zu wollen, wenn sie eine westliche Staatsbürgerschaft angeboten bekämen. Immerhin die Hälfte hält den Zustand der Nation insgesamt für gut oder sehr gut. Positiv wird vor allem die Sicherheitspolitik bewertet. 64 Prozent meinen, dass der Staat seine Bürger ausreichend schütze – trotz ständigen Beschusses aus dem Gazastreifen. Hier gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Arabern und Juden.
Gleichzeitig sehen Araber den Wohlfahrtsstaat deutlich positiver. 62 Prozent sagen, dass der Staat die Wohlfahrt seiner Bürger stark oder sehr stark fördere. Unter den Juden tut dies nicht einmal jeder Dritte. Viel Unzufriedenheit gibt es auch mit dem Bildungs-, Verkehrs- und Gesundheitssystem – Themen, die auch in den vergangenen Wahlkämpfen immer wieder zur Sprache kamen. Während nur 41 Prozent der jüdischen Israelis glauben, dass alle Patienten gleich behandelt werden, tun dies unter den Arabern 68 Prozent.
Uneinigkeit über staatliche Identität
Bezüglich der Demokratie gehen die Ansichten stark auseinander: etwa jeder Dritte bewertet sie positiv, ein wenig mehr hingegen negativ. Unter den jüdischen Israelis ergibt sich die negative Einschätzung vor allem aus dem linken Lager, aus dem nur jeder Vierte zu einer guten oder sehr guten Einschätzung kommt. Etwa 85 Prozent der linken Israelis sehen die Demokratie in großer Gefahr, im rechten Lager tun dies 29 Prozent. Insgesamt hat die Sorge um die Demokratie deutlich zugenommen. 58 Prozent halten die politische Führung für korrupt oder sehr korrupt – mehr als im Vorjahr. Im März 2019 hatte der Generalstaatsanwalt erstmals öffentlich angekündigt, Premierminister Benjamin Netanjahu wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue anklagen zu wollen.
Uneinigkeit gibt es wiederum über die Identität des Staates. Zwar sind sich knapp zwei Drittel der Israelis einig, dass die Elemente Demokratie und Judentum derzeit nicht ausbalanciert seien. Während allerdings 64 Prozent der säkularen Juden glauben, dass die jüdische Komponente zu stark ist, glaubt ein ebenso großer Anteil der Haredim, dass das demokratische Element überwiegt. Dennoch gehen beide Gruppen überwiegend davon aus, dass jeweils ihre Lebensweise in der Gesellschaft an Zustimmung gewinnt: zwei von drei säkularen Israelis sagen, dass die Gesellschaft säkularer geworden ist, während dies unter den Haredim nicht einmal jeder Dritte so sieht.
Für den 17. Demokratie-Index befragte das Guttman Zentrum für öffentliche Meinung und Politikforschung des Israelischen Demokratie-Instituts im Mai 2019 1.014 Israelis (852 Juden und andere, 162 Araber), die repräsentativ ausgewählt wurden. Die maximalen Abweichungen wurden mit ±3,1 Prozent bei einem Konfidenzniveau von 95 Prozent berechnet.
Von: ser