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Uri Avnery nach Schlaganfall gestorben

Er wurde bekannt durch seine scharfe Kritik am Staat Israel und seinen Einsatz in der linken Friedensbewegung. Nun ist Uri Avnery im Alter von 94 Jahren in Tel Aviv gestorben.
War sein Leben lang engagiert: Uri Avnery (1923–2018)

TEL AVIV (inn) – Der ultralinke Friedensaktivist Uri Avnery ist tot. Er verstarb in der Nacht zu Montag mit 94 Jahren infolge eines Schlaganfalls in einem Tel Aviver Krankenhaus. Der Schriftsteller und ehemalige Knesset-Abgeordnete galt seit 70 Jahren als Anwalt eines palästinensischen Staates, schreibt die Tageszeitung „Ha’aretz“. Damals haben die heutigen Palästinenser sich jedoch noch als „Araber aus Palästina“ bezeichnet und noch nicht einmal einen eigenen Staat für sich beansprucht.

Avnery war Gründer der Friedensbewegung „Gusch Schalom“. Er war Chefredakteur der Wochenzeitung „HaOlam HaSeh“, nach dem Vorbild des „Spiegel“ unter Rudolf Augstein, mit dem zusammen er in Deutschland zur Schule gegangen ist. Am 10. September hätte er seinen 95. Geburtstag gefeiert. Zu seinen Ehren wurde bereits eine Veranstaltung für den 21. September im Tel Aviver Savta-Theater vorbereitet.

Avnery war der erste Israeli, der sich 1982 in dem von Israel belagerten West-Beirut im Libanon mit dem Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Jasser Arafat traf. Große Schlagzeilen machte er, nachdem der Oberste Gerichtshof seinen Antrag auf Änderung der Staatsangehörigkeit von „jüdisch“ auf „israelisch“ zurückwies.

Im seinem letzten Artikel, den Avnery für „Ha’aretz“ schrieb, äußerte er sich sehr kritisch zum Nationalstaatsgesetz, das die Knesset letzten Monat verabschiedet hat. Er argumentierte, dass die israelische Nation und nicht die jüdische Nation ihre Heimat in Israel habe. Avnery ist weltbekannt als Kritiker des Staates Israel und der (rechtsgerichteten) Politik des jüdischen Staates.

Untergrundorganisation wegen Terrormethoden verlassen

Avnery wurde am 10. September 1923 in Beckum im Münsterland als Helmut Ostermann geboren. Kurz nachdem er als Kind ans Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium in Hannover gewechselt war, floh seine Familie 1933 mit ihm vor der NS-Diktatur nach Palästina. Nach mehreren Namenswechseln nahm er mit 19 die hebräische Version Uri Avnery an. Zuvor hatte er den Vornamen seines 1941 als Soldat der britischen Armee im Zweiten Weltkrieg gefallenen Bruders Werner zu Avner hebraisiert.

Von 1938 bis 1942 war er Mitglied der Irgun. Avnery trat nach eigenen Angaben der Untergrundorganisation bei, um für die Freiheit gegen die britische Mandatsmacht zu kämpfen. Er verließ sie jedoch aus Protest gegen ihre „anti-arabischen und reaktionären Ansichten und Terrormethoden“. Im Unabhängigkeitskrieg 1948 war Avnery Soldat der „Hagana“. Er diente in der Einheit „Schu’alei Schimschon“ der Giv’ati-Brigade und wurde schwer verwundet. 1949 veröffentlichte er sein Kriegstagebuch „In den Feldern der Philister“ über die Geschehnisse während des Krieges.

Von 1950 bis 1990 war er Herausgeber und Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „HaOlam HaSeh“ („Diese Welt“ – im Unterschied zum Jenseits, der „kommenden Welt“). 1965 und 1969 wurde Avnery auf der Liste der gleichnamigen Partei „HaOlam HaSeh“ in die Knesset gewählt. 1973 konnte die neue Kleinpartei „Meri“ (Aufstand), auf deren Liste auch Avnery antrat, nicht genügend Stimmen für die Knesset gewinnen. 1975 wurde er bei einem Messerattentat schwer verletzt. 1977 wurde Avnery wieder zum Knessetmitglied gewählt, diesmal für die Liste der „Mehanej Smol LeJisrael“ (Linkes Lager Israels – kurz „Scheli“ als Akronym von „Schalom LeJisrael“ – Frieden für Israel). 1981 trat er nicht mehr zur Parlamentswahl an.

Für „Israel ohne Zionismus“

1993 begründete Avnery mit Freunden die israelische Friedensinitiative „Gusch Schalom“. Er setzte sich für die Trennung von Staat und Religion und gegen den orthodoxen Einfluss auf das religiöse und politische Leben in Israel ein. Er propagierte ein „Israel ohne Zionismus“, um den Staat von den seiner Meinung nach falschen Voraussetzungen der Vergangenheit zu befreien, die sich aus seiner Sicht erschwerend auf den Friedensprozess auswirken.

Am 13. September 2003 begab er sich als „menschlicher Schutzschild“ zum belagerten palästinensischen Präsidentensitz in Ramallah, um nach eigener Aussage die „Absichten von Premierminister (Ariel) Scharon zu durchkreuzen“, Jasser Arafat zu ermorden.

Im März 2006 verglich Avnery in einem Radiointerview den Anschlag der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) auf den rechtsextremen israelischen Politiker Rehavam Se’evi mit gezielten Tötungen militanter Palästinenser durch die Armee. 2009 verglich er die Blockade Gazas durch die israelischen Streitkräfte mit der Belagerung Leningrads durch die Wehrmacht. 2010 wurde Avnery nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv angegriffen, wo er die israelische Militäraktion gegen den „Free-Gaza“-Flottille kritisiert hatte. In der Kontroverse um das Gedicht „Was gesagt werden muss“ von Günter Grass vertrat Avnery die Auffassung, dass es antisemitisch sei, darauf zu bestehen, dass Israel in Deutschland nicht kritisiert werden dürfe.

Kritiker warfen ihm vor, mit der Aktion am 13. September 2003 und vielen Äußerungen in Interviews und Presseerklärungen die Politik Arafats zu rechtfertigen. Auf eine Frage zur Ermordung sogenannter Kollaborateure in den Palästinensergebieten antwortete Avnery: „Natürlich gab es Morde an Kollaborateuren. Kollaborateure sind Verräter. […] Wer seine Kameraden an eine feindliche Besatzung ausliefert, ist nach den Spielregeln militärischer Verbände, zumal im Untergrund, ein Verräter und wird umgebracht. […] Ich war ein Terrorist, als ich ein junger Mann war. […] Auch wir haben unsere Kollaborateure umgebracht, die unsere Kameraden an die englische Kolonialregierung ausgeliefert haben.“

Auszeichnungen

Avnery erhielt zahllose Auszeichnungen für seine scharfe Kritik am Staat Israel.

  • 1995: Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück

  • 1997: Aachener Friedenspreis (zusammen mit Gusch Schalom)

  • 1997: Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte

  • 1997: Niedersachsenpreis für Publizistik

  • 2001: Right Livelihood Award zusammen mit seiner Frau Rachel Avnery

  • 2002: Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik der Stadt Oldenburg

  • 2003: Lew-Kopelew-Preis zusammen mit dem Palästinenser Sari Nusseibeh

  • 2008: Carl-von-Ossietzky-Medaille des Berliner Vereins Internationale Liga für Menschenrechte – Uri Avnery, Adi Winter und Jossi Bartal stellvertretend für „Anarchists Against the Wall“

  • 2010: Blue Planet Award der Stiftung Ethik und Ökonomie (ethecon)

  • 2015: Marler Medienpreis Menschenrechte (Ehrenpreis) von Amnesty International

Von: Ulrich W. Sahm

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