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Überraschungen beim Papstbesuch

JERUSALEM / BETHLEHEM (inn) – Papst Franziskus hat am Montagmorgen in Jerusalem den Tempelberg und die Klagemauer besucht. In der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem würdigte er Überlebende der Judenvernichtung.
Auf dem Herzlberg zeigte Franziskus, dass sich die Einstellung des Vatikan zum Zionismus verändert hat.

Auf dem Tempelberg, von den Muslimen das „erhabene Heiligtum“ genannt, traf Franziskus den Mufti von Jerusalem, Scheich Husseini. Nach dem Gespräch streifte der Papst seine Schuhe ab, um den Felsendom zu betreten.
In einem kleinen schwarzen gepanzerten Subaru begab sich der Papst dann zur Klagemauer, der wichtigsten Heiligen Stätte des Judentums. Nach dem Verlesen von Psalmen legte der Papst einen Zettel in eine Ritze der Klagemauer. Darin bat er Gott um Frieden. Im Jahr 2000 hatte sein Vorvorgänger Johannes Paul II. Geschichte geschrieben, indem er in einem ausführlichen Brief die Juden um Vergebung für die Sünden von Mitgliedern der katholischen Kirche an den Juden gebeten hatte.

Kranz für Zionismusgründer

In schneller Fahrt durch menschenleere abgesperrte Jerusalemer Straßen ging es weiter zum Grab des Theodor Herzl. Der hatte die jüdische Nationalbewegung, den Zionismus, begründet und mit dem Buch „Der Judenstaat“ die Idee der Schaffung eines jüdischen Nationalstaates erdacht. Vor genau 110 Jahren hatte Herzl von Papst Pius X. eine schroffe und aus heutiger Sicht „politisch inkorrekte“ Abfuhr erhalten. Der Vatikan könne Herzls Anliegen nicht unterstützen, weil die Juden seit 2.000 Jahren die „Gottheit Jesu verleugnen“.
Papst Franziskus ließ schweigend von zwei israelischen Kindern einen Kranz mit weißgelben Blumen auf der schwarzen Marmorplatte niederlegen. Premierminister Benjamin Netanjahu reichte dem Papst und Staatspräsident Schimon Peres Steinchen, die sie nach jüdischer Sitte auf die Grabplatte legten.
Wortlos verschwand die Delegation aus dem Blickfeld der Fernsehkameras, die jeden Schritt des Papstes in alle Welt live übertragen. Auf Bitten des israelischen Premierministers hatte der Papst spontan einem Abstecher zum Denkmal für Israels Opfer des Terrors zugestimmt.

Yad Vashem: „Universale“ Ansprache stößt auf Zustimmung

An die nächste Station, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, hatten die Israelis große Erwartungen geknüpft, nachdem ausgerechnet der „deutsche“ Papst Benediktus XVI. dort eine von peinlichem Unwissen und Auslassungen geprägte Rede gehalten hatte.
Nach dem Entzünden der ewigen Flamme vor den im Boden des „Gedenkzeltes“ eingelassenen Namen der Vernichtungslager hat Papst Franziskus in seiner kurzen theologischen Rede weder die Nazis, noch die sechs Millionen jüdischen Opfer, noch die Rolle der Kirche in der Zeit der „Schoah“ erwähnt, wie israelische Kommentatoren vermerkten. Der Papst fragte nicht, wo Gott während des Genozids war, sondern vielmehr: „Wo war der Mensch?“ Das fragte der Papst, entsprechend dem Ruf Gottes nach dem Sündenfall des Adam. Yad Vashem-Direktor Avner Schalev äußerte sich „zufrieden“ mit der „universalen“ Ansprache des Papstes.
Zuvor hatte Schalev dem Oberhaupt der katholischen Kirche sechs Überlebende des Holocaust vorgestellt. Der argentinische Papst verbeugte sich tief vor den vier Männern und zwei Frauen und küsste jedem die Hand. Das war die einzige emotionale Geste an dieser Stätte des Gedenkens an die Grauen des Holocaust.
Diesen eher religiösen wie symbolischen Stationen des Papstes folgten bis zu seinem Rückflug nach Rom noch ein Gespräch mit den beiden Oberrabbinern, ein Empfang beim Staatspräsidenten Peres und eine Privataudienz mit dem israelischen Regierungschef.
Peres dankte dem katholischen Kirchenoberhaupt für dessen Eintreten gegen Antisemitismus. Überdies sagte er laut Mitteilung des Präsidialamtes: „Sie haben dem Heiligen Stuhl eine edle und natürliche Demut gebracht. Eine tiefe Identifizierung mit den Armen, den Unterdrückten und Notleidenden. Einen tiefen Sinn dafür, dass es die Aufgabe des Menschen ist, die Welt zu verbessern – Tikkun Olam – und sich in wissenschaftlichen Aktivitäten zu engagieren, für die die Heiligkeit des Lebens der höchste Wert ist. Diese Werte wurden durch die Propheten Jesaja und Amos in Jerusalem geäußert. Sie waren ein Leuchtturm für Jesus, den Nazarener, und den Heiligen Franz von Assisi, dessen Namen und Geist Sie als Papst und Oberhaupt der Katholischen Kirche angenommen haben.“
Als politisch brisant galt noch eine Messe im kleinen Kreis im Abendmahlssaal auf dem Zionsberg. Über 100 jüdische Extremisten der benachbarten Jeschiva (jüdische Hochschule) sind am Wochenende von der Polizei verhaftet worden, weil sie gedroht hatten, den Besuch des Papstes stören zu wollen. Sie hatten mehrmals offiziell dementierte Gerüchte gestreut, dass Israels Regierung beabsichtige, den heute nur als Museum verwendeten Abendmahlssaal, ein Stockwerk über dem traditionellen Grab des Königs David gelegen, an den Vatikan übergeben und für christliche Gottesdienste freigeben zu wollen.

Bethlehem: Jesus als Palästinenser

Bei seinem Besuch in Bethlehem am Samstag war Papst Franziskus mit geballter palästinensischer Propaganda konfrontiert worden. Nach seiner Landung mit einem jordanischen Hubschrauber nahe den Hirtenfeldern traf sich der Heilige Vater zunächst mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Darauf folgte eine kurze Pressekonferenz.
Mit einem offenen „Papamobil“, nur mit einer Windschutzscheibe versehen, fuhr er entlang der Paul VI.-Straße, die von Jerusalem zur Geburtskirche führt. Vor und hinter ihm ein Pulk schwarzer gepanzerter Mercedeslimousinen, in denen Sicherheitsleute saßen. Erstaunlich wenige Neugierige säumten den Straßenrand. Alle paar Meter stand ein uniformierter Polizist mit rotem Barret auf dem Kopf. Der sollte die nicht vorhandenen Massen zurückhalten.
Die Autokolonne stoppte an der 8 Meter hohen israelischen Betonmauer, die das Grab der Erzmutter Rahel vor Attacken schützt. Spuren von Brandbomben und Farbbeuteln sind bis hinauf zum Wachtturm zu sehen, von dem herab israelische Soldaten das Geschehen unter ihnen betrachten. Der Papst steigt aus und stellt sich in Pose vor die Mauer, umringt von Fotografen.
Nach diesem kurzen „Bad in der Menge“, wie es Franziskus liebt, geht es weiter zum Krippenplatz. Hier sitzen schon auf weißen Plastikstühlen in separaten Gittergehegen Priester, Lahme in Rollstühlen sowie etwa 10.000 andere Gläubige und Touristen, die sich rechtzeitig ein Ticket besorgt hatten. Die erste Reihe mit Polsterstühlen war für die Politiker reserviert. Fast jeder hatte einen Schal im Stil eines Arafat-Tuches mit palästinensischer Flagge um den Hals gelegt. Verteilt waren auch weiße Schirmmützen mit Vatikan- und Palästinaflagge.
An den Fassaden der Gebäude rund um den Krippenplatz vor der Geburtsbasilika hingen riesige „Gemälde“, die das noch nicht eröffnete Palästinamuseum bei Bir Seit angefertigt hatte. Verwendet wurden bekannte ikonenhafte Gemälde von Künstlern wie Rafael oder Michelangelo. Doch hinter der Abbildung einer Madonna ist dann anstelle der italienischen Landschaft die israelische Sperrmauer hineingemalt worden. Oder eine Kreuzabnahme Jesu, wobei die Beine Jesu einem heutigen Palästinenser gehören, der von israelischen Soldaten umringt ist. Die Botschaft ist klar: Jesus war Palästinenser und dessen römische Henker sind die heutigen Israelis.
Der Papst begibt sich zu der Tribüne mit Altar vor dem „Peace Center“. Hinter ihm ein weiteres Propaganda-Gemälde von Robert Giacaman. Der christlichen Familie Giacaman gehören die meisten Andenkenläden in der Häuserzeile mit übrigen Malereien.
Das Riesenbild, unter dem der Papst die Messe hält, zeigt die typische Krippenszene. Doch anstelle der Heiligen drei Könige sind die drei Vorgänger des Papstes zu sehen, die zuvor das Heilige Land besucht hatten: Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI.
Das Christuskind in der Krippe ist ein kräftiger Junge mit den Muskeln eines Bodybuilders. Anstelle einer Windel liegt auf ihm ein schwarz-weiß geschecktes Arafat-Tuch, wie es auch Josef um den Hals geschwungen hat.
Mehrsprachig begann die Messe. Während der Predigt zum „Bambino“ und zu „Pace“ (Frieden) auf Italienisch nickt Präsident Abbas, während die Bethlehemer Bürgermeisterin Vera Babun zwecks Kühlung mit dem Programmheftchen wedelt. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat ist derweil in Tiefschlaf verfallen.
Gerade als der Papst die Oblaten für die Eucharistie vorbereiten will, stehen Abbas und sein Entourage plötzlich auf. Abbas erklimmt die Tribüne, geht mitten im Gottesdienst auf den Papst zu und umarmt ihn zum Abschied, ehe der Palästinenserpräsident mit seiner Autokolonne verschwindet.

Muezzin unterbricht Segen

Die Messe ist vorüber, ohne Zwischenfälle. Dem Papst wird die Mitra über den Kopf gestülpt. Gerade wollte er den Abschlusssegen sprechen: „Benedicat vos omnipotens deus“, der Höhepunkt und Abschluss einer jeden katholischen Messe, als es plötzlich ohrenbetäubend laut „Allah U-Akbar“ brüllte. Hatte etwa der Muezzin der Omarmoschee bei diesem Papst so viel Respekt und Rücksicht gezeigt, dass er ihn wenigstens nicht mitten in der Messe unterbrach, wie bei früheren Papstbesuchen? Andererseits sagte ein Vatikanexperte, dass nichts verletzender sei, als den Papst in der Sekunde dieses Segens zu stören.
Die 10.000 Messeteilnehmer auf dem Krippenplatz mochten die muslimische Störung nicht. Lauthals pfiffen die Menschen und schrieen „Buh“.
Der Papst lief durch die zu ihm strömende Menge zum bereitstehenden Papamobil. Ein Palästinenser nahm seinen Arafat-Schal und klemmte ihn zwischen die beiden „Hörner“ der Tiara des Papstes. Doch sekundenschnell hatte ein Sicherheitsmann das peinliche Tuch am falschen Ort wieder entfernt.
Während die Menschen sich auf dem Krippenplatz verliefen, ging der Papstbesuch weiter im Flüchtlingslager Dehaische.

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