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Türkische Exporteure umgehen offenbar Handelsembargo gegen Israel

Anfang Mai kündigte die Türkei ein Handelsembargo gegen Israel an. Das Handelsministerium versprach eine „strikte“ Durchsetzung der Maßnahme. Doch eine Auffälligkeit zeigt: Zweifel sind angebracht.
Von Sandro Serafin

Offenbar haben israelische und türkische Handelspartner einen Weg gefunden, das Anfang Mai von der Türkei verhängte Handelsembargo gegenüber Israel zu umgehen. Aktuelle Handelsdaten legen jedenfalls nahe, dass beide Seiten Geschäfte nun über palästinensische Mittler abwickeln, wie die israelische Wirtschaftszeitung „Globes“ in einem Beitrag herausgearbeitet hat.

Denn aus Zahlen der Türkischen Exporteursversammlung (TiM), einer Dachorganisation für türkische Exporteure, geht hervor, dass der angebliche Import türkischer Waren durch „Palästina“ explodiert ist. Israelnetz konnte die Daten durch einen eigenen Blick in die Exportübersicht von TiM bestätigen.

Palästinenser importieren plötzlich Massen an Zement und Stahl

So nahm im Juli laut TiM der türkische Export nach „Filistin Devleti“, also in den „Staat Palästina“, um rund 1.180 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, was einer Verdreizehnfachung entspricht. Konkret stieg das Exportvolumen von 9,3 Millionen Dollar im Juli 2023 auf nunmehr 119,7 Millionen Dollar an. Im Vergleich zum Juni 2024 beträgt die Steigerung 105 Prozent, im Vergleich zum März, vor dem ersten Teilembargo, 1.090 Prozent.

Für Israel gibt die Statistik hingegen einen Einbruch um quasi 100 Prozent an, von 383,9 Millionen Dollar im Juli 2023 auf nun 1,7 Millionen Dollar. Das entspricht einer Differenz von 382,2 Millionen Dollar, die durch die Exportsteigerung nach „Palästina“ (plus 110,4 Millionen Dollar) nur teilweise aufgefangen wird.

Noch heftiger sieht es aus, wenn man bestimmte Handelssparten in den Blick nimmt: Im Sektor „Zement, Glas, Keramik und Bodenprodukte“ weist die TiM-Tabelle eine Steigerung um 453.681 Prozent aus, beim Stahl eine Steigerung von 51.757 Prozent. Zement und Stahl finden sich in einer Liste an Produkten, deren Ausfuhr in Richtung Israel Ankara schon im April, also vor dem vollständigen Embargo, untersagt hatte.

Deutliche Korrelation erkennbar

Der Zusammenhang der Exportexplosion nach „Palästina“ mit dem Handelsembargo gegen Israel wird auch beim Blick auf die Monate vor und nach Verkündigung des Embargos im Mai deutlich: Im Januar lag die Exportsteigerung nach „Palästina“ noch bei „lediglich“ 61 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat; im Februar waren es 51 Prozent.

Im März ging der Handel um 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück, im April stieg er dann wieder um 34 Prozent, bevor er im Mai mit einem Plus von 338 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat stark hochging und sich über eine Steigerung um 537 Prozent im Juni auf nunmehr 1.180 Prozent im Vorjahresmonatsvergleich hochschraubte.

„Globes“ spricht von einem „palästinensischen Schlupfloch“ im Embargo. Der Handel laufe demnach nun so ab: Palästinenser treten als Besteller türkischer Waren auf. Diese werden dann nach Israel geliefert. Wenn sie in Israel ankommen, gehen die Rechte an israelische Logistikunternehmen über. Die Palästinenser würden für den Mittlerdienst dann 5 bis 8 Prozent des Werts der Lieferung als Provision beanspruchen.

Türkei wollte Israels „aggressive Haltung“ bestrafen

Möglicherweise nehmen neben den Palästinensern weitere Länder eine Mittlerrolle im Handel zwischen Israel und der Türkei ein. Beobachter verweisen auf Griechenland. Die von Israelnetz eingesehenen türkischen TiM-Daten zeigen, dass der türkische Export dorthin nach moderaten Steigerungen zwischen Januar und März im April um 21 Prozent, im Mai um 71 Prozent, im Juni um 5 und im Juli um 41 Prozent (jeweils im Vergleich zum Vorjahresmonat) zulegte.

In den Statistiken des israelischen Statistikbüros findet sich die von der Türkei angegebene Reduzierung des Handels derweil wie folgt wieder: Im Juni 2024 lag der Import türkischer Waren nach israelischen Angaben mit 60,7 Millionen Dollar 84 Prozent niedriger als im Juni 2023. Der Export ging demnach im Vergleich zum Vorjahresmonat von 103,1 Millionen Dollar auf 1,7 Millionen Dollar zurück. Handelsdaten für die Palästinenser werden in dieser Tabelle nicht ausgewiesen.

Die Verhängung des vollständigen Handelsboykotts gegen Israel hatte die Türkei im Mai damit begründet, „dass die israelische Regierung ihre aggressive Haltung fortsetzt und sich die humanitäre Tragödie in Palästina verschlimmert“. Das Embargo sollte gelten, bis Israel ausreichende humanitäre Hilfe zu den Palästinensern lasse. Das Handelsministerium kündigte seinerzeit vollmundig an, seine Entscheidung „strikt und entschlossen“ umzusetzen.

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8 Antworten

  1. Danke für den Bericht. Türkische Exporteure zeigen wohl, dass Erdogan NICHT alles in der Wirtschaft bestimmen kann. Ohne Erdogan stünde die Türkei indes viel besser da als jetzt.

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    1. Und das schlimme ist, dass Erdogan seine Wahlen immer in D gewinnt. Die in der Türkei lebenden Wähler stehen ihm nicht so zur Seite wie die dt. Türken. Aber man ja gut politisch wählen, wenn man die Suppe nicht selbst auslöffeln muss.

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  2. Also das Fazit: alles wunderprächtig gelaufen. Ein win-win-Situation für alle!
    Nur weiter so und es geht allen besser – auch den Türken.

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  3. Palästinenser importieren Massen an Zement und Stahl. Yahya Sinwars Strategie: Tunnelbau statt Wohnungsbau.

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  4. Handel und Tourismus und Sport und Musik und Kunstkultur sind Frieden-sowie Aufbau-bringende Methoden, erheblich viel besser als tödlicher Hass und Lügen in den Medien und Bildungsstätten. Erfreulich, dass es so mutige Menschen noch gibt, wie jetzt auch jene in der Türkei: Bravo euch und Segen!

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  5. Zwischen Türken, Palis und Israelis eine Win-Win-Situation.

    Was will man mehr in diesen Zeiten ?

    3

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