JERUSALEM (inn) – Der israelische Außenminister Jair Lapid (Jesch Atid) gibt die Koalition noch nicht verloren – obwohl sie seit Donnerstag eine Minderheit in der Knesset bildet. Nach dem Austritt der Meretz-Abgeordneten Ghaida Rinawie Soabi hat sie nur noch 59 der 120 Sitze im Parlament.
Auf Facebook schrieb Lapid, es sei noch zu früh für Abschiedsreden auf die Regierung. Das sei bislang schon fünfmal geschehen. „Und wir kamen zurück.“
Netanjahu und Ben-Gvir nicht ans Ruder lassen
Der Minister, der Naftali Bennett (Jamina) im August 2023 als Regierungschef ablösen soll, ergänzte: „Jetzt sagen die gleichen Leute, dass alles vorbei ist – es ist nicht vorbei, wir sind noch hier.“ Die Regierung sei „das Richtige für den Staat Israel und das Volk Israel“. Er werde nicht zulassen, dass sie zusammenbreche. Sie hätten nicht die Absicht, den Oppositionspolitikern Benjamin Netanjahu (Likud) und Itamar Ben-Gvir (Religiöser Zionismus) die Möglichkeit zu geben, „das Land zu zerstören“.
Allerdings hätte auch der ehemalige Premier und jetzige Oppositionsführer Netanjahu im Parlament keine Mehrheit, wie die Online-Zeitung „Times of Israel“ anmerkt. Mit Rinawie Soabi, Idit Silman (Jamina) und dem zum Jamina-„Abtrünnigen“ erklärten Amichai Schikli gehören der Opposition zudem drei ehemalige Mitglieder der Koalition an. Sie könnten im Falle von Neuwahlen möglicherweise nicht mehr kandidieren. Silman hatte die Koalition vor fünf Wochen verlassen, weil diese der jüdischen Identität des Staates Israel schade.
Rinawie Soabi sagte am Freitag dem Armeerundfunk, sie werde die Koalition vorübergehend unterstützen, „solange sie auf die Bedürfnisse der arabischen Gesellschaft eingeht“. In einem Brief an Premier Bennett und Außenminister Lapid hatte die Araberin ihren Austritt mit einem „Rechtsruck“ begründet, den sie in der Regierung beobachtet habe. Vorfälle wie Zusammenstöße zwischen Palästinensern und Polizei auf dem Tempelberg oder der Tod der „Al-Dschasira“-Journalistin Schirin Abu Aqla hätten den vergangenen Monat „unerträglich“ gemacht.
Knesset-Austritt nicht ausgeschlossen
In einem Interview des arabischen Senders „Nas“ sagte Rinawie Soabi, sie schließe einen Austritt aus der Knesset nicht aus. „Mein Ziel ist, meine Amtsperiode mit erhobenem Haupt in der arabischen Gemeinschaft zu beenden.“ Wenn die 49-Jährige ihr Mandat niederlegt, könnte Meretz ein Mitglied nachrücken lassen – und die Koalition käme wieder auf 60 Sitze. Eine Mehrheit hätte sie damit allerdings noch nicht.
Die Personalie Rinawie Soabi sorgte bereits im Februar für Schlagzeilen, weil Lapid sie zur neuen Generalkonsulin für Shanghai ernannte. Den Antrag reichte er aber erst im April bei der Kommission ein. Laut der Zeitung „Ha’aretz“ war Widerstand von Mitgliedern des Gremiums der Grund für die Verzögerung. Außerdem habe die Abgeordnete ihr Mandat entgegen den Gepflogenheiten erst niederlegen wollen, wenn sie ihren neuen Posten antritt. (eh)