Wegen der Behinderung der Medienvertreter ist das Bild von den Vorgängen rund um Jisr a-Schugur so bruchstückhaft und wenig stimmig. Angeblich sind 5.000 syrische Soldaten mitsamt Panzern am Sturm auf die Stadt Jisr a-Schugur beteiligt.
Bis Freitagmittag seien 2.792 Syrer über die Grenze in die Türkei geflüchtet, wo sie in Lagern des Roten Halbmonds Aufnahme finden. Das berichtet die türkische Nachrichtenagentur "Anatolia". Die Verletzten werden behandelt. Andere Bewohner der umzingelten Stadt seien bei Verwandten und in umliegenden Dörfern untergekommen.
Der US-Nachrichtensender CNN beruft sich auf einen "Oppositions-Aktivisten", Jussuf Mohamad Ali Hassan, der von einem Hügel aus beobachtet, wie Panzer das Dorf Sirmanija mit mehreren Granaten pro Minute angreifen. Das Dorf liegt nur zehn Kilometer von Jisr a-Schugur entfernt, wo inzwischen Panik ausgebrochen sei. Das syrische Regime habe laut CNN der Stadt Jisr a-Schugur "Rache" geschworen, nachdem "bewaffnete Banden" dort am Wochenende 120 Polizisten oder Soldaten ermordet hätten. Es ist immer noch unklar, wer wen aus welchen Motiven erschossen hat. Möglicherweise wurden Meuterer durch Kopfschüsse hingerichtet.
Erdogan kritisiert Assad
Der wahlkämpfende türkische Premierminister Tayyip Erdogan, der am Sonntag eine dritte Amtszeit erringen könnte, hatte bisher zu den Vorgängen in Syrien geschwiegen, zumal er Syrien und besonders Präsident Baschar Assad zu einem engen Verbündeten gemacht hat. Doch angesichts der Vorgänge, die auch seinen möglichen Wählern nicht entgehen, sagte er am Freitag: "Leider handelt (das Assad-Regime) in unmenschlicher Weise. Die derzeitige Brutalität… Schaut Euch die Bilder der in hässlicher Weise getöteten Frauen an. Die Bilder sind ungenießbar und schwer zu verdauen. Ich habe vor fünf Stunden mit Assad gesprochen. Aber der schätzt die Lage nicht richtig ein." Das Zitat hat die britische Zeitung "Guardian" veröffentlicht.
Die Türkei hat im Rahmen der Annäherung an Syrien (und Abkehr von Israel) einen visumsfreien Grenzverkehr vereinbart. Jetzt erwägt Ankara angesichts der Flüchtlingsströme, eine "Pufferzone" entlang der Grenze einzurichten.
Rim Haddad, die Sprecherin des syrischen Informationsministeriums, wird von der Zeitung schon als die syrische Version des damaligen Sprechers von Saddam Hussein im Irak, mit dem Spitznamen Comical Ali, lächerlich gemacht, weil sie gegenüber BBC behauptet hatte: "Die Menschen von Jisr a-Schugur fliehen vor den bewaffneten Banden, denn die Armee ist doch (noch) gar nicht in der Stadt. Sie besuchen ihre Verwandten jenseits der Grenze in der Türkei."
Der arabische TV-Sender "Al-Dschasira" zeigte jedoch Filmaufnahmen, die angeblich syrische Soldaten in Jisr a-Schugur zeigen, wie sie Demonstranten treten und auf ihnen herumtrampeln.
Während das offizielle Israel zu den Vorgängen in Syrien schweigt, behaupten israelische Experten, dass Assads Regime zunehmend seine Legitimität innerhalb der Bevölkerung Syriens verliere. Je mehr Tote es gibt und je härter die Armee gegen Demonstranten vorgeht, desto heftiger und umfassender werde der Widerstand gegen das Regime im Homs, Hama und anderswo. Wegen der Vorgänge an der israelischen Grenze auf den Golanhöhen habe Assad inzwischen auch die palästinensischen Flüchtlinge als seine engsten Verbündeten im Lande verloren.