Stille in Aussicht?

Sowohl die Hamas als auch Israel haben versprochen, alle Feindseligkeiten und militärischen Aktivitäten gegen einander einzustellen. Das erklärte der Sprecher des ägyptischen Außenministeriums, Hussam Saki. Konkret verpflichtet sich die israelische Armee, keine offensiven Aktionen in den Gazastreifen hinein auszuführen. Die Hamas verpflichtet sich im Gegenzug, alle bewaffneten Angriffe auf Israel vom Gazastreifen aus zu verhindern. Das Abkommen soll am Donnerstag, den 19. Juni 2008, um 6 Uhr morgens in Kraft treten.

Kleinere militante Palästinensergruppierungen im Gazastreifen, die nicht zur Hamas gehören, haben bereits verlauten lassen, sie würden sich nicht an die Waffenruhe halten. Deshalb wurde die israelische Armee im Umfeld des Gazastreifens in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Man befürchtet Anschläge, die eine Waffenruhe verhindern sollen. Die Hamas selbst vermeidet übrigens ausdrücklich das arabische Wort „Hudna“, „Waffenstillstand“ und redet lediglich von einer „Tahadije“, was so viel wie „Stillhalten“ bedeutet.

Außenministerium hofft auf Ende der Raketenangriffe

Mark Regev, Sprecher des israelischen Außenministeriums, hofft auf ein Ende der ständigen Raketenangriffe auf Südisrael. Die israelische Regierung, so Regev, wolle der von den Ägyptern vermittelten Übereinkunft eine Chance geben. Nach drei Tagen tatsächlicher Stille will Israel dann die Blockade des Gazastreifens lockern. Es hat versprochen, eine größere Menge an Rohmaterialien und Handelsgütern passieren zu lassen, um die humanitäre Notlage im Gazastreifen zu lindern.

Gleichzeitig sollen die Gespräche über einen Austausch des im Sommer 2006 von der Hamas entführten israelischen Soldaten Gilat Schalit intensiviert werden. Die israelischen Nachrichtendienste wollen zudem prüfen, ob das Versprechen, gegen den Waffenschmuggel vom Sinai aus durch die Tunnels in den Gazastreifen vorzugehen, eingehalten wird. Sollte dies der Fall sein, ist Israel bereit, über eine Öffnung des Grenzübergangs Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten zu verhandeln.

Das Abkommen berührt übrigens die Situation im Westjordanland zunächst nicht. Dort wird die israelische Armee ihre Aktionen fortsetzen und auch die Lage der Hamas, die dort sowohl von den Israelis, als auch von den Sicherheitskräften des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas verfolgt wird, bleibt unverändert.

Israelischer Vizepremier: „Sieg für radikalen Islam“

Chaim Ramon deutet das „Tahadije-Abkommen“ als Anerkennung der Hamas und somit schweren Schlag für die Fatah-Führung in Ramallah. Der israelische Vizepremier sprach sich offen gegen die Waffenruhe aus, weil sie ein „Sieg des radikalen Islam“ sei, und: „Letztendlich wird es doch eine Offensive im Gazastreifen geben müssen, nur wird sie dann einen viel höheren Preis fordern.“ Auch Israels Generalstabschef Gabi Aschkenasi äußerte sich skeptisch. Man werde sehen, ob tatsächlich eine Beruhigung eintrete, meinte Israels Soldat Nummer Eins, man werde sich aber gleichzeitig weiter auf einen Einmarsch vorbereiten.

Tatsächlich stärkt dieses Einverständnis die radikalen Islamisten – nicht nur im Gazastreifen. Sollte die Ruhe sechs Monate anhalten, wird Israel die Tahadije auf das Westjordanland ausweiten müssen. Und dann sind auch dort nicht etwa Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und die pro-westliche Fatah die Verhandlungspartner, sondern die radikale Hamas. Denn sie hat es geschafft, das zu tun, was die Palästinensische Autonomiebehörde seit 15 Jahren nicht vermochte, nämlich, Wort zu halten.

Erfolg für Hamas und Muslimbrüder

Doch schon jetzt, vor jeder Umsetzung, ist das Tahadije-Abkommen für die Hamas ein Erfolg. Durch die ägyptische Vermittlung wurde der palästinensische Arm der ägyptischen Muslimbruderschaft und ihre Herrschaft im Gazastreifen de facto von der arabischen Welt anerkannt. Bislang werden die Muslimbrüder von den säkularen arabischen Diktaturen, teilweise brutal, verfolgt. Und Israel hat an zwei entscheidenden Punkten eingelenkt: Erstens wird der jüdische Staat keine Aufsicht mehr über den Rafah-Grenzübergang haben, wenn dieser wieder geöffnet werden sollte. Und zweitens wird die Freilassung von Gilat Schalit separat und nicht als Teil des Tahadije-Abkommens verhandelt.

Doch bislang ist eine Ruhe noch nicht eingekehrt. Der Raketenbeschuss des westlichen Negev geht auch in den Stunden nach den Ankündigungen einer Verständigung weiter. Wenige Stunden nach den ersten Tahadije-Verlautbarungen tötete die israelische Luftwaffe fünf Mitglieder der „Armee des Islam“. Die „Armee des Islam“, die in den vergangenen Monaten auch als „Schwert des Islam“ im Gazastreifen in Erscheinung getreten war, wird vom einflussreichen Durghmusch-Clan in Gaza dominiert und gilt als Al-Qaida-nah. Diese Gruppierung, die als noch radikaler eingestuft werden muss als die Hamas, war nicht nur an der Schalit-Entführung beteiligt, sondern hielt bis Anfang Juli 2007 auch den britischen Reporter Alan Johnston gefangen. Vermutlich steht sie hinter einer Serie von Anschlägen auf als „westlich“ empfundene Einrichtungen im Gazastreifen, darunter der Bibelladen der Palästinensischen Bibelgesellschaft. Dessen Leiter, Rami Ajjad, wurde im Oktober 2007 ermordet.

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