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Steinmeier: Deutsch-israelische Beziehungen sind Wunder

BERLIN (inn) – Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sieht das Zustandekommen der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel nach dem Zweiten Weltkrieg als „ein Wunder“ an. Dies erklärte er am Dienstagabend in Berlin bei einer Diskussion mit Kulturschaffenden über die deutsch-israelischen Beziehungen.
Steinmeiers Motto: „Krisen und Konflikte entschärfen.“
Im Berliner Maxim Gorki-Theater diskutierte Außenminister Steinmeier unter dem Titel „Zersprengtes zusammenfügen“ mit der Friedenspreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, der deutschen Autorin Ursula Krechel und dem israelischen Videokünstler Dani Gal über die Erinnerung an und die Aufarbeitung von Tabus und Traumata. Steinmeier befasst sich aus aktuellem Anlass besonders intensiv mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, das sich am 8. Mai zum 70. Mal jährt. Der Außenminister setzt sich aufgrund zahlreicher Gedenkveranstaltungen mit der Historie auseinander, was ihn zunehmend bewege. Steinmeier werde demnach deutlich, dass „die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Israel ein Wunder war“. Es sei für ihn nicht leicht zu verstehen, dass „das Land der Opfer“ [Israel] sinnbildlich die Hand gereicht habe. Viele Menschen in Israel waren kritisch, die Beziehungen „zum Land der Täter [Deutschland] wieder aufzunehmen“, wie dies zu seiner Zeit Israels Staatsgründer David Ben-Gurion anstrebte. Der Politiker habe den Eindruck, dass Israel teilweise größeren Willen zu den diplomatischen Beziehungen zeigte als Deutschland. Die Evangelische Kirche in Deutschland habe maßgeblich die Entwicklungen vorbereitet, um „das Angebot aus Israel anzunehmen“. Im Mittelpunkt der Gesprächsrunde stand die Frage, wie eine Gesellschaft verfasst sein muss, damit jenseits des offiziellen Erinnerns individuelle Schicksale angesprochen werden können, um Gemeinschaft zu stiften und ein Ganzes herzustellen. In den Jahren nach dem Krieg gab es laut Steinmeier keine direkte Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Dies passierte erst in den 1960/70er Jahren. Er „als kritischer linker Student“, wie er sich selbst betitelte, habe sich gemeinsam mit seinen Kommilitonen mit der Geschichte befasst und eine eigene Veranstaltungsreihe zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus organisiert.

Enttäuschung und Kämpfergeist

Die in der Ukraine geborene weißrussische Schriftstellerin Alexijewitsch („Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus“) fragte: „Was ist übrig geblieben von den Roten Zeiten? Es ist der Mensch.“ Er sei beeinflusst teils durch Propaganda, auch vom Fernsehen. „Allerdings nur, wenn sich der Mensch bearbeiten lässt.“ Sie sagte: „Enttäuschung führt dazu, dass der Mensch zynisch wird.“ Begeistert berichtete sie aus Kiew: Dort habe sie Menschen gesehen, die trotz Enttäuschungen bereit seien, an Revolution zu glauben und zu kämpfen. Die Autorin Ursula Krechel las aus ihrem Werk „Landgericht“ vor. Es handelt von einem jüdischen Richter, der in das Nachkriegsdeutschland zu seiner versprengten Familie zurückkehrt und daran scheitert, seine Würde wieder herzustellen. Für das Buch erhielt Krechel 2012 den Deutschen Buchpreis. Krechel sagt in der Retrospektive über die Entwicklung Deutschlands: „Das Projekt Bundesrepublik ist ein erfolgreiches Projekt.“ Jedoch gab es auch Opfer, denn viele Menschen mussten fliehen. Dies sei ein Versagen der frühen Bundesrepublik. Diese Geschichte gebe den Anlass, sich heute mit den Flüchtlingen und ihren Schicksalen zu befassen, denn „Seenot beginnt schon da, wo sie ins Boot steigen“. Zum Thema Flüchtlinge sagte Außenminister Steinmeier, Deutschland und Europa würden nicht entscheidend vorankommen, wenn es nicht gelinge, eine Entwicklung in den Transit- und Ursprungsländern der Flüchtlinge zu erreichen. Dieses Bemühen sei die Aufgabe von Politik. „Wir Deutschen“ hätten jenseits des Verhältnisses zu Israel „an Verhältnissen zu bauen, dass die Welt nicht in Unfrieden verfällt“. Es sei eine besondere Aufgabe der deutschen Außenpolitik, „Krisen und Konflikte zu entschärfen“. Der aus Israel stammende, in Berlin lebende Videokünstler Dani Gan sieht die Geschichte als „ein Konstrukt“. Die Veranstalter zeigten einen kleinen Auszug aus einem seiner Clips namens „Wie aus der Ferne“. Die Aufnahmen zeigen eine frontale Fahrt ins Konzentrationslager. Doch keines der Opfer habe solch eine Sicht gehabt, weil sie in geschlossenen Tierwaggons transportiert wurden. Ähnliche Bilder zeigt Steven Spielberg in seinem Film „Schindlers Liste“. Der Videokünstler wollte deutlich machen: „Erinnerung wird konstruiert“ und es gebe ein subjektives Erleben der Vergangenheit. Gan sagte: „In der israelischen Kultur wurde Deutschland als Holocaust-Staat bezeichnet.“ Die deutsch-israelische Beziehung sieht er als sehr komplex an und nennt einen Aspekt: „Schon in der Kindheit wird einem eingepflanzt, dass man ein Opfer ist.“ Anlass der deutsch-israelischen Gesprächsreihe ist der 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel am 12. Mai 1965. (ms)

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