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Meinung

Sport als Schauplatz der Politik

„Tatami“ ist der erste Spielfilm, bei dem ein Israeli und eine Iranerin gemeinsam Regie führen, zugleich packendes Sportdrama und politischer Thriller. Eine Rezension von Thomas Abeltshauser
Von epd

Bäume vor kahlen Feldern und Wohnburgen am Horizont ziehen vorbei, wie gerahmt durch die Fenster des Reisebusses. Viel mehr werden die Sportlerinnen des iranischen Teams in den nächsten Tagen kaum zu Gesicht bekommen von Georgien, in dessen Hauptstadt Tiflis die Judoweltmeisterschaften anstehen.

Profi-Judoka Leila Hosseini (Arienne Mandi) blickt eher abwesend nach draußen, aus den dicken Kopfhörern über ihrem Hidschab klingt „Jet“ von der iranischen Rapperin Justina. Leila führt das weibliche Team aus Teheran an, das zusammen mit Trainerin Maryam Ghanbari (Zar Amir Ebrahimi) auf dem Weg zum Sportpalast, dem Austragungsort der WM, ist. Dort bereiten sich Judoka aus aller Welt auf die Wettkämpfe vor.

Leila begegnet bald Shani Lavi (Lir Katz) aus Israel. Leila erzählt von ihrem kleinen Sohn, um den sich gerade ihr Mann Nader (Ash Goldeh) kümmert. Shani erwähnt, dass sie selbst wieder Single sei, die Beziehung konnte nicht konkurrieren mit ihrem strikten Zeitplan im Profisport.

Unerwünschter Kontakt

Die Trainerin beobachtet den freundlichen Plausch aus der Distanz mit Unbehagen. Für den Iran ist Israel der Feind, ein Kontakt unerwünscht. Als die ehrgeizige Leila beginnt, mit exzellenter Kampftechnik und angetrieben von Maryam, die ersten Zweikämpfe auf der Matte für sich zu entscheiden, zeichnet sich ab, dass sie auf dem Weg zu einer Medaille womöglich bald gegen Shani wird antreten müssen. Das Regime in Teheran ist alarmiert und setzt die Trainerin vehement immer wieder telefonisch unter Druck, die Spitzensportlerin davon abzuhalten.

Um eine mögliche Niederlage gegen den verhassten Staat zu verhindern, soll Leila eine Verletzung vortäuschen und vor dem Wettkampf freiwillig ausscheiden. Eine Order, die bei Maryam lange verdrängte Erinnerungen an das Ende ihrer eigenen Sportlerinnenkarriere wachruft. Als sich Leila schließlich dem Befehl der Islamisten verweigert, steht nicht nur ihre Existenz auf dem Spiel, sondern auch das Wohl ihrer Familie zu Hause.

Von realen Sportlern inspiriert

„Tatami“ ist inspiriert von realen Sportlerinnen und Sportlern aus dem Iran, die sich in den vergangenen Jahren mehrfach über Verbote des Mullah-Regimes hinwegsetzten, damit viel riskierten und ins Exil gehen mussten. Einige wurden später Teil eines Flüchtlings-Judoteams und traten bei Wettkämpfen an.

Die Entstehungsgeschichte des Spielfilms selbst ist nicht minder spannend: Es ist die erste Produktion, bei der ein Israeli und eine Iranerin zusammen Regie führten. Der in Los Angeles lebende Guy Nattiv, dessen Porträt „Golda – Israels eiserne Lady“ über die ehemalige Premierministerin Golda Meir Ende Mai in den deutschen Kinos lief, hatte Zar Amir Ebrahimi, die als Hauptdarstellerin von „Holy Spider“ 2022 auf dem Filmfest Cannes ausgezeichnet worden war, zunächst nur für die Rolle der Trainerin vorgesehen – und ihr schließlich die Co-Regie angeboten.

In klaustrophobischen Schwarz-Weiß-Bildern hält Kameramann Todd Martin den Mikrokosmos im Sportpalast von Tiflis wie ein Kammerspiel fest, unterstützt vom intensiven Score der deutschen Filmkomponistin Dascha Dauenhauer („Berlin Alexanderplatz“). „Tatami“ ist zugleich ein packendes Sportdrama mit rasant inszenierten Judokämpfen und ein politischer Thriller um strukturelle Unterdrückung, individuelle Freiheit und persönliche Verantwortung.

„Tatami“ läuft am heutigen Donnerstag in den deutschen Kinos an.

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Eine Antwort

  1. „Tatami“ ist ein wichtiger Spielfilm und trägt einen Beitrag zur realen Situation bei.
    Dass verschiedene Länder, auch Iran, Verletzungen vortäuschen, um nicht gegen Israel anzutreten im Sport, das gab es und gibt es schon recht häufig.
    Vielleicht kann „Tatami“ eine bessere Zukunft einleiten, in der die Versöhnung im Vordergrund stehen wird.

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