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„Spiegel“-Journalistin durchleuchtet Saudi-Arabien

Wer den mächtigen Wüstenstaat Saudi-Arabien kennenlernen und verstehen will, kann das gut mit dem Buch „12 Wochen in Riad“ von der „Spiegel“-Journalistin Susanne Koebl machen. Sie schildert gekonnt den gesellschaftlichen Spagat, vor dem das Land durch veränderte ökonomische Faktoren steht. Eine Rezension von Michael Müller
Die Skyline von Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad

Die Journalistin Susanne Koelbl hat drei Monate in Saudi-Arabien gelebt und recherchiert. Herausgekommen ist ein Buch, das den gesellschaftlichen Wandel des Wüstenstaats nachzeichnet, den der 33-jährige Kronprinz Mohammed Bin Salman ausgerufen hat. Der hat nur noch zwei Jahrzehnte Zeit, Saudi-Arabien wirtschaftlich vom Öl unabhängig zu machen, da die Welt vermehrt auf regenerative Energien setzt.

Im Westen kommen deshalb gesellschaftliche Schlaglichter wie öffentliche Kinovorführungen oder Frauen am Steuer an. Koelbl zeigt aber, wie stark der Wahhabismus, die sehr strenge Auslegung des Islam, die Diktatur weiterhin prägt. Auch hat sie ihrem saudischen Kollegen, dem vom Königshaus ermordeten Kollegen Dschamal Chaschoggi, ein ganzes Kapitel gewidmet.

Koelbl wählt eine interessante Mischung aus der Stimmung von 1001 Nacht, die sie in Alltagssituationen bei Kleidung oder Nahrung sinnlich zu beschreiben versteht, und politischen Analysen und Hintergründen zu geschichtlichen Entwicklungen und den wichtigsten Akteuren. Gerade die zahlreichen Erklär-Stücke, etwa zum Gründungsmythos von Saudi-Arabien oder der alles dominierenden Ölfirma Aramco, sind auch dank ihrer prägnanten Kürze lesenswert.

Agenturapparat für heimliche Geliebte

Was sind Salafiten? Woher kommt der Wahhabismus? Was sind Istirahas, in die sich die Männer vor den Frauen zurückziehen? Welches Oberlimit für Ehefrauen gibt es in Saudi-Arabien? Das Buch „12 Wochen in Riad“ klärt darüber auf. Offiziell sind übrigens höchstens vier Ehefrauen per Gesetz erlaubt – aber es gibt einen ganzen Agenturapparat, um sich heimliche Geliebte, sogenannte Misjar-Ehefrauen, zu halten.

Foto: DVA Sachbuch

Koelbl, die seit 2011 für das Wochenmagazin „Der Spiegel“ regelmäßig das Land besucht, liegt bei ihrer Schilderung besonders die Rolle der Frau am Herzen. „Frauen werden in Saudi-Arabien behandelt, als müssten sie vor ihrer kindlichen Dummheit geschützt werden“, schreibt sie. Gerade in diesem Themenbereich arbeitet sie viele kritische Aspekte der saudischen Gesellschaft durch persönliche Gespräche vor Ort heraus. Kopfschüttelnd beschreibt sie das Janusköpfige an saudischen Männern, die ihre Mütter vergöttern, ihren Ehefrauen aber selten Raum zur Entwicklung geben.

Illegale Autorennen als jugendlicher Protest

Zweitfrauen ertragen ihr Schicksal deshalb, erfährt der Leser im Buch, weil sie dadurch in eine höhere Gesellschaftsklasse aufsteigen. Die relativ hohe Scheidungsrate der Saudis ist im Westen wenig bekannt – genauso wie die Tatsache, dass Scheidungspartys im Trend liegen. Überhaupt ist das Buch immer dann am spannendsten, wenn Koelbl den Leser mit unbekannten Phänomenen wie illegalen Autorennen unter Jugendlichen, die gegen das System aufbegehren, oder Duftschnipseln namens Oud überrascht, deren Basis aus Harz und Holz besteht und bis zu 50.000 Euro kosten kann.

Über die zaghaften Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien findet sich leider nichts im Buch. Schließlich überraschte Kronprinz Bin Salman 2018 mit seiner Äußerung zum Existenzrecht des jüdischen Staates im Interview des US-Magazins „The Atlantic“. Dafür hat Koelbl aber der innigen Beziehung des Golfstaats zu den USA und der vergifteten Stimmung zum Erzfeind Katar jeweils ein Kapitel gewidmet. Es gibt auch eine Analyse des Jemen-Krieges, bei der die saudische Beteiligung erklärt wird.

Susanne Koelbl: „Zwölf Wochen in Riad. Saudi-Arabien zwischen Diktatur und Aufbruch“, DVA, 320 Seiten, 22 Euro, ISBN: 978-3-421-04786-1

Weitere Buch-Besprechungen finden Sie in der Ausgabe 4/2019 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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