„Besitzen Sie Atomwaffen oder nicht?“, fragte Ali Asghar Soltanieh, Irans Botschafter bei der Internationalen Atomenergiebehörde, die Direktorin der Abteilung für Politik und Waffenkontrolle bei der israelischen Atom-Energiekommission, Meirav Zafary-Odiz. Soltanieh soll laut Augenzeugen seine Frage mit einem „leidenschaftlichen Tonfall“ vorgetragen haben. Zafary-Odiz habe gelächelt und den Iraner zurückgefragt: „Und wie steht es mit Ihren atomaren Fähigkeiten?“ Der Schlagabtausch soll im „Vier Jahreszeiten Hotel“ in Kairo Ende September stattgefunden haben.
Eigentlich hatte man abgesprochen, das Treffen von Experten aus mehreren Ländern geheim zu halten. Der australische Premierminister Kevin Rudd habe es initiiert und den früheren australischen Außenminister Gareth Evans nach Kairo geschickt. Das Treffen sei im Rahmen der internationalen Kommission für nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung (ICNND) organisiert worden. Daran teilgenommen hätten Vertreter der Arabischen Liga, Jordaniens, Ägyptens, Tunesiens, der Türkei, der Vereinigten Arabischen Emirate sowie Beamte aus Europa und den USA.
Erste Nachrichten über das seltene Gespräch offizieller Vertreter Israels und des Iran, und noch dazu über Atomfragen, kamen aus Australien, also letztlich von den Organisatoren der geheimen Zusammenkunft vor drei Wochen.
„Kein Dialog und keine Interaktion“
Der Iran dementierte heftig und bezeichnete die Berichte als „reine Lüge“, mit der Absicht, die damals noch bevorstehenden Gespräche in Genf und Wien zum Scheitern zu bringen. Teheran ließ verlauten, dass es gar kein Treffen in Kairo gegeben habe, wo der Austausch hätte stattgefunden können.
Aus Israel kamen eher widersprüchliche Bestätigungen. Jael Doron, Sprecherin der israelischen Behörde, behauptete, dass es „keinen Dialog und keine Interaktion“ zwischen den Repräsentanten Israels und des Iran bei dem Treffen in Kairo gegeben habe. Sie bestätigte also das Treffen in Kairo und die israelische Teilnahme daran. Ein israelischer Regierungssprecher erklärte, dass es immer wieder zu „Begegnungen“ israelischer Diplomaten mit Vertretern feindlicher Länder gebe, die offiziell mit Israelis nicht sprechen. Doch das bedeute nicht, dass man miteinander ins Gespräch komme oder sich sonstig austausche.
Der Iraner und die Israelin seien sich bei drei Arbeitsgruppen begegnet, bei denen es um das Bemühen ging, den Nahen Osten zu einer atomfreien Zone zu erklären. Weitere Themen seien die Verhinderung der Verbreitung atomarer Waffen und Fragen der friedlichen Nutzung von Atomenergie gewesen. Außerhalb der Plenums hätten beide jedoch keinen Kontakt gehabt und sich auch nicht die Hand gegeben.
Gemäß einem ausführlichen Bericht in der israelischen Zeitung „Ha´aretz“ habe Zafary-Odiz die israelische Haltung erläutert, durchaus über einen atomfreien Nahen Osten reden zu wollen. Sie erläuterte Israels einzigartige strategische Lage. Erst müsse die Sicherheit in der Region gestärkt werden, Sicherheitsabkommen müssten geschlossen und ein Friedensabkommen unterzeichnet werden, ehe Israel sich „frei fühle“, dieses Thema zu diskutieren. Israel befinde sich in einer komplexen geopolitischen Realität. In drei Jahrzehnten hätten vier Staaten in der Region ihre Verpflichtungen gegenüber dem Nichtverbeitungs-Abkommen gebrochen: Irak, Iran, Libyen und Iran. Israel hingegen nehme eine „verantwortungsvolle Haltung zu dem gesamten Atomkomplex“ ein, so Zafary-Odiz laut Haaretz. Am fernen Horizont stehe durchaus die Vision eines nuklearfreien Mittleren Ostens, doch die Chancen dafür seien gering.
Israel hat nie offiziell eingestanden, im Besitz von Atomwaffen zu sein, obgleich gemäß Spekulationen im Ausland Israel zwischen 200 und 300 Atombomben gebaut habe. Grundsätzlich werde Israel „nicht das erste Land sein, das Atomwaffen in den Nahen Osten einführt“. Israel ist dem Atomsperrvertrag nicht beigetreten und hat mit den Amerikanern angeblich abgesprochen, an einer diffusen Atompolitik festzuhalten. Dieses Abkommen sei in jüngster Zeit auch mit Präsident Barack Obama erneuert worden. Israel lässt seine Feinde im Glauben, dass es Atomwaffen besitze, während es selber deren Existenz nicht bestätigt, um nicht gezwungen zu werden, internationale Inspektoren in den israelischen „Versuchsreaktor“ bei Dimona einzulassen. Die Vermutungen im Ausland dienen Israel als Abschreckung.
Man sagt, der ägyptische Präsident Anwar el-Sadat sei fest davon überzeugt gewesen, dass Israel über die Atombombe verfüge. Weil Israel aus seiner Sicht „unbesiegbar“ sei, habe er nach dem Oktoberkrieg von 1973 beschlossen, Frieden mit Israel zu schließen.
Iraner: „Wir haben nichts gegen Juden“
Soltanieh verteidigte nach Angaben des „Ha´aretz“ die Politik seines Landes. Er behauptete, dass der Iran nicht nach Atomwaffen strebe und Israel nicht gefährde. Er warf Israel vor, die „Mentalität und Ideologie des Teheraner Regimes“ nicht zu verstehen. Das Regime habe nichts gegen Juden und hasse sie auch nicht. Teheran sei lediglich politisch gegen den Zionismus eingestellt. Das ständig wachsende Raketenarsenal des Iran diene allein der Landesverteidigung und nicht offensiven Zwecken.
Seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und Jerusalem 1979 vermeidet der Iran jegliche direkte oder indirekte Kontakte mit Israel. Unter dem Schah pflegten beide Länder sehr enge Beziehungen. Iran belieferte damals Israel mit Öl.
Das in Wien zustande gekommenen Abkommen mit dem Iran, wonach gering angereichertes Uran zur weiteren Aufbereitung nach Russland geschickt, um dann wieder zum Atomreaktor bei Teheran zurückgebracht werden solle, wurde bisher vom offiziellen Israel überhaupt nicht kommentiert. Verschiedene israelische Experten sind unschlüssig, wie das Abkommen zu bewerten sei. Denn der Iran behalte sich das Recht und die Möglichkeit vor, weiterhin selber Uran anzureichern. Unklar sei deshalb, ob damit der möglichen Entwicklung einer Atombombe ein Riegel vorgeschoben worden sei.