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Sozialismus mit Karibik-Flair

BERLIN (inn) - Wie unterschiedlich die Erfahrungen sein können, die Deutsche im Kibbutz sammeln, haben ehemalige Volontäre am Freitag in Berlin gezeigt. Die ehemalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat dort an politischem Pragmatismus dazugewonnen, der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik hingegen verlor seinen Glauben.

Für die einen ist es der gelebte sozialistische Traum, für die anderen einfach ein befristetes Abenteuer nach dem Abitur. Die Erfahrungen, die deutsche Volontäre mit ihrer Zeit im Kibbutz verbinden, sind unterschiedlich. Am Freitag sprachen im Rahmen eines Symposiums zum Thema im Jüdischen Museum in Berlin Persönlichkeiten wie die ehemalige Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), der Erziehungswissenschaftler und Publizist Micha Brumlik, der Theologe und Soziologe Fritz-Rüdiger Volz und die Dokumentarfilmerin Ulrike Pfaff über ihre Erinnerungen an den Kibbutz.

Neue Brücken zwischen Deutschen und Juden

Bulmahn war 1972 gleich nach ihrem Abitur freiwillig im Kibbutz. Sie habe einen Beitrag dazu leisten wollen, "neue Brücken zwischen Deutschland und dem Judentum zu bauen", sagte sie. Geleitet habe sie eine Sehnsucht nach Basisdemokratie. Sie habe selbst erleben wollen, wie es sich in einem System ohne Eigentum und in Gleichberechtigung und Eigenverantwortung lebe, erinnerte sich die SPD-Politikerin. Der Aufenthalt habe sie politisch durchaus geprägt. In Israel habe sie die Bedeutung des "Faktors Mensch" jenseits der sozialistischen Theorie gesehen.

Für den Erziehungswissenschaftler und Publizisten Micha Brumlik war es nach eigenen Worten "völlig unausweichlich", dass er einmal in einen Kibbutz ging. Er ist als Kind deutsch-jüdischer Eltern aufgewachsen und war in der zionistischen Jugendbewegung aktiv. Brumlik verbindet mit der Zeit in Israel den Alltag der 6-Tage-Woche und das Aufstehen um 5 Uhr morgens, um zur Feldarbeit zu gehen. Mit dem Kibbutz verbindet er nichts Geringeres als den "Verlust meiner Unschuld, den Verlust meines Glaubens und den Verlust meines politischen Glaubens". Er habe vor Ort die "Kampf- und Siedlungssituation" erlebt, sagte er und erinnerte sich daran, wie er nachts mit der Waffe Wache laufen musste. Heute könne er sagen: "Ich weiß, was Kommunismus ist", allerdings mit der Einschränkung: "Das war freiwillig" – und am Ende "doch arg kleinbürgerlich".

Sehnsucht nach dem Kibbutz bleibt

Den Soziologen Fritz-Rüdiger Volz habe die Vorstellung von gleichberechtigter Gemeinschaft und das Interesse am Judentum nach Israel getrieben. Noch vor dem Sechs-Tage-Krieg hielt er sich im Kibbutz auf. Dort seien die Kibbutzniks ihm "wohlwollend freundlich" begegnet – trotz seiner deutschen Nationalität. Ganz selbstverständlich sei er in die Lebensform des Kibbutzes einbezogen worden. Ein Leben ohne diese Erfahrung kann er sich heute nicht mehr vorstellen. "Ich wäre ein völlig anderer Mensch geworden", sagte er.

Die Dokumentarfilmerin Ulrike Pfaff war nicht nur als Volontärin im Kibbutz, sie hat sich für die Doku "Hazorea – Ein Kibbutz im Norden Israels" auch filmerisch mit dem Konstrukt beschäftigt. Ursprünglich habe sie weniger den Sozialismus als das Leben der Volontäre kennenlernen wollen. In Erinnerung geblieben ist ihr, dass der Ton der deutschen Sprache für viele Juden im Kibbutz noch eine Zumutung gewesen sei. Andererseits habe sie im Altenheim gearbeitet, weil viele der Älteren nur Deutsch gesprochen hätten und sie sich dort besonders nützlich habe machen können. Sie stellte fest: "Ich habe meine Sehnsucht nach dem Kibbutz bis heute nicht verloren."

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