Der kleine Kibbutz Nir Os gehört zu den Ortschaften, wo die Hamas-Terroristen am 7. Oktober schwer wüteten. Der Gazastreifen befindet sich in Sichtweite, Raketeneinschläge waren schon seit vielen Jahren keine Seltenheit. Doch die 400 Bewohner blieben – weil sie ihr Zuhause liebten. 21 Deutsche kommen an einem sonnigen Tag Anfang Dezember nach Nir Os. Der Kibbutz ist fast menschenleer, das Kibbutz-Areal militärisches Sperrgebiet, die Einwohner evakuiert.
Am Eingang begrüßt die Gruppe Amit. Bis vor zwei Monaten lebten seine Eltern hier. Und auch für ihn war der Ort 30 Jahre lang sein Zuhause. Seit 15 Jahren wohnt er im wenigen Kilometer entfernten Nir Jitzchak, auch dort gibt es häufig es Raketenalarm und auch dort griffen die Terroristen an jenem „schwarzen Schabbat“ an.
Auch der in Berlin aufgewachsene Armeesprecher Arye Shalicar ist gekommen. Drei Kameraden begleiten ihn. Er begrüßt die Gruppe: „Danke, dass ihr da seid.“
„Bitte vergesst uns nicht“
Auf Shalicars Bitte führt Amit die Gruppe durch den Kibbutz. Die Bilder sind schrecklich: „Nur wenige Häuser blieben von den Terroristen verschont“, sagt Amit. „Die meisten sind verbrannt.“ Er zeigt die Häuser und erzählt die Geschichten dazu.
Dort, wo die Türen noch im Rahmen stecken, kleben die allgegenwärtigen Poster an den Häusern: „Entführt – Familie Munder. Bibas. Kalderon. Tal.“ Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Etwa 160 Einwohner des Ortes sind entweder brutal ermordet oder entführt worden.
An den Häusern sind Zahlen und Symbole in verschiedenen Farben angesprüht; ein Zeichen, dass sie von der Armee für sauber erklärt wurden – darin befinden sich keine Terroristen mehr und keine Waffen.
Amit spricht mit ruhiger Stimme. Auch, als er die fast wundersame Geschichte erzählt, wie seine Eltern und seine Tochter mit Schwiegersohn gerettet wurden, indem sie aus dem Fenster sprangen und sich für mehrere Stunden hinter einem Gartenhäuschen versteckten.
Neben Amit haben nur einige wenige Zugang zu dem Ort. Sie bewässern die Pflanzen, versuchen, die verbliebenen Häuser, Vegetation und Infrastruktur in Ordnung zu halten. Sie sind fest entschlossen, den Kibbutz wieder aufzubauen. Seine größte Sorge: „Dass man uns vergisst!“
Die Gruppe trifft auf zwei Männer in einem Haus. Auch dieses weist schwere Brandschäden auf. Sie laden ein unversehrtes Möbelstück auf einen Hänger. Einer von ihnen ist der Bruder eines Mannes, der immer noch von der Hamas in Gaza festgehalten wird. „Er hat nichts getan. Und trotzdem hält man ihn fest. Die Welt tut nichts.“ Das Massaker ist bereits neun Wochen her.
Verblüfft schaut er auf die deutsche Gruppe: „Danke, dass ihr hier seid. Und dass ihr und euer Land an unserer Seite steht.“
„Als Christen stehen wir hinter euch Juden“
Amits Zeugnisse sind bedrückend. „Das müssen wir festhalten“, sind sich alle einig. Manch einem laufen die Tränen über die Wangen. Die Gruppe geht weiter, von Haus zu Haus, hört Geschichte um Geschichte.
„Diesen Ort mit so viel Gewalt kann ich kaum ertragen“, sagt Albrecht Birkenfeld aus Dillenburg. „Mein Herz schlägt dafür, dass ich mithelfe, das wieder aufzubauen. Ich würde gern selber kommen und den Schutt hier mit wegräumen, damit der Kibbutz wieder neu aufgebaut werden kann.“
Zuhause hat er Dutzende Bilder vorbereitet, die er im Land verschenkt. Mit Wachs hat er darauf zwei brennende Kerzen geprägt, auf einer ist ein Davidsstern, auf der dahinter ein Fisch. Darüber ist ein Ölzweig. „Weil wir doch als Christen in den Ölbaum eingepfropft sind“, erklärt Albrecht. Auf der Rückseite ist noch die Bedeutung der Farben erklärt.
Die Gruppe ist gekommen, um zu helfen, zu trösten und Zeichen zu setzen: „Gerade jetzt, in dieser schweren Zeit, stehen wir an Israels Seite.“
Markus Schlenker war früher Berufssoldat und bereitet sich aktuell in Schwerin als Priesteramtskandidat für das Erzbistum Hamburg vor. Als ihn die Information zu der Reise erreichte, überlegte der Mittvierziger nicht lange. „Es fühlte sich richtig und wichtig an. Hier hatte ich die Möglichkeit, vor Ort Flagge zu zeigen und mein Herz von Deutschland nach Israel zu bringen.“
In den vergangenen Tage habe er gemerkt, wie die Israelis gerührt waren, wenn sie die Deutschen trafen: „Entgegen aller Widrigkeiten kämpfen sie den Kampf gegen eine Welt, deren veröffentlichte Meinung eine Schweigemauer über dieses Land legt. Aber die Wahrheit dringt durch. Mir war es wichtig, dabei zu sein, wenn wir einen Unterschied machen.“
Zum Schluss des Besuches von Nir Os bekommt Amit noch ein Wachsbild von Albrecht. Es soll ihn immer an die Botschaft der Deutschen erinnern: „Unser Glaube ist aus eurem Glauben entstanden. Und heute stellen wir Christen uns hinter euch Juden.“ Und Werner Hartstock von den Sächsischen Israelfreunden sagt zu: „Unsere Handwerker stehen in den Startlöchern. Sobald es hier losgeht, wollen wir kommen, um euren Kibbutz wieder aufzubauen.“
4 Antworten
Liebe Israelfreunde, sollten wir nicht auch „das Lied des Mose“ im Gepäck haben?
Lieber Gruß Martin
Danke für Artikel. Als wir nach Freistellung hier nach dem Massaker der Hamas 2 Mon. in Israel gearbeitet haben, waren wir auch in der blutigen Erde. Es ist nicht fassbar. Es ist allgegenwärtig. In Gaza, arab. Ländern, EU teils und BRD wurde gefeiert und pro bestialische Mörder demonstriert. Die Wunden werden lange nicht heilen, wenn überhaupt.
Shalom.✡🇮🇱
Israel ist und bleibt ein Pulverfass. Und das wird sich bis zum 2. Kommen des Messias nicht ändern, sondern verstärken. Hier sind die negativen Auswirkungen einer Politik Land gegen Frieden und einer 2 Staatenlösung, beide schließt die Bibel aus, erkennbar. Solange Israel das 1. Kommen des Messias, bis auf wenige Ausnahmen, die der weltweiten Gemeine hinzugetan werden, und damit den Inhalt des Neuen Testamentes ignoriert, wird Jerusalem der Stein bleiben, an dem sich die antiisraelischen Staaten wund reißen werden. Die derzeitigen blutigen Auseinandersetzungen sind als Aufruf Jahwes an Israel zu verstehen, doch die Erlösungstat des Messias vor 2000 Jahren am Kreuz anzunehmen. Die humanitären Dramen sind auch für mich furchtbar, und ich bitte Gott, Israel den Sieg zu geben. Wer die Bibel, und hier die prophetischen Aussagen über Israel liest, darf über seinen säkularen, jüdischen und auch christlichen Tellerrand blicken. Letztendlich wird Israel das Haupt der Nationen unter der Führung des Messias sein. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass noch viel Blut fließen wird. Als Beobachter des Szenarios sollten wir der biblischen Realität ins Auge blicken. Das gilt auch für jeden Berichterstqtter.
@Friedhelm Seelig :
Hier geht es nicht um Endzeittheologie, sondern um das Ernstnehmen der Worte von Jesus zu seinen damals ziemlich ausschließlich jüdischen Zuhörern: Einfach praktisch Liebe üben! Nicht mit eigener thelogischer Erkenntnis pralen! Hingehen! Trösten! Füreinander da sein! Ich bin meinen sächsischen Freunden von Herzen dankbar, dass sie in einer Zeit, wo ich leider nicht konnte, diesen Dienst in Israel getan haben.