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„Silberketten“: „Fesselnde“ Judaika-Ausstellung im Herzen des modernen Israel

In Down Town Ramat Gan, direkt neben der Börse von Tel Aviv, im Manhattan des modernen Israel, wo das Finanzherz des Heiligen Landes schlägt, das von ganzem Herzen alles, nur nicht heilig sei will, liegt das "Harry Oppenheimer Diamanten Museum". Dieser Tage beherbergt es eine Ausstellung moderner Judaika, die den Namen "Retukot Kessef" trägt.

Schon der hebräische Name der Ausstellung ist ein Schwall von Assoziationen, der sich nur schwer in eine andere Sprache fangen lässt. "Chains of Silver" ist die offizielle, lapidar anmutende englische Übersetzung: "Silberketten". In dem hebräischen Wort steckt aber viel mehr, als nur ein Gebilde aus Edelmetall, so etwa die Bedeutung "fesseln", "binden", "in Schach halten". "Meratek" ist im heutigen Hebräisch etwas, das "fesselnd" und "spannend" ist.

Der Begriff "Retukot Kessef" ist dem biblischen Buch Jesaja, Kapitel 40, Vers 19, entnommen: "Der Meister gießt ein Bild und der Goldschmied vergoldet’s und macht silberne Ketten daran." Das Zitat aus der Heiligen Schrift, das verabscheuungswürdigen Götzendienst beschreibt, zur Beschreibung einer Ausstellung im Heiligen Land, an einem Ort, der sich weltweit als "Sündenstadt" anpreist, von Gegenständen, die praktisch ausschließlich gottesdienstliche Funktionen haben und deshalb, so der Kurator der Ausstellung ausdrücklich, "alle streng nach jüdischem Gesetz hergestellt" wurden, bündelt die faszinierende Widersprüchlichkeit des modernen jüdischen Staates in einzigartiger Weise.

Mühelose Bibelzitate

Der Kurator von "Retukot Kessef", Jehuda Kassif, erscheint selbst als Mischung von wandelndem Museum, Götzenbild und fernöstlichem Guru. Glatzköpfig mit Zopf im Bart trägt er Ohrringe und fette, unförmige Klunker an den Fingern. Um den Hals hängen protzige Silberketten und eine eigenartig anmutende Fratze in Stein geschnitten. "Mein Schmuck ist ein extra Vortrag und steht jetzt nicht zur Debatte", schnauzt er, als ihm meine Kamera zu nahe kommt – und sprudelt weiter mit rabbinischen Erklärungen zu den Judaika-Gegenständen der Ausstellung. Dabei fließen Bibelzitate im ursprünglichen Hebräisch weit müheloser aus seinem Mund, als die Übersetzungen ins Englische für die zwei Journalisten aus der Volksrepublik China, die mit einem Anflug von Ratlosigkeit das Schauspiel verfolgen. Konzentriert man sich nur auf die Bewegung der Hände des Kunstmonsters Kassif, meint man, einem Rabbiner im längst versunkenen Stedtl Osteuropas gegenüberzusitzen, der sich im Pilpul jüdischer Spitzfindigkeiten verliert.

Bescheiden lächelnd stehen die beiden Urheber der kostbaren Kunstwerke, die Silberschmiede Itzchak Luvaton und Mauriciu Samuel, an der Seite, während sich Jehuda Kassif produziert. Wortreich erklärt der Kurator die Sammlung von Mesusot, Buchrollen und Rasseln zur Feier des Purimfests, Sabbat- und Chanukkaleuchtern, Kelche zur Segnung des Weins, oder auch einen prunkvollen Pokal zur Handwaschung, der chassidischen Kunstvorstellungen nachempfunden ist.

In der Mitte des Ausstellungsraums steht eine Vitrine mit einem Flugzeug, einem Motorrad mit Beiwagen und einem Merkava-Panzer. Alles originalgetreu in 925er Sterling Silber gearbeitet und mit praktisch anwendbaren Funktionen für die jüdischen Feste und Traditionen. So sind im Panzer, der jedem modernen Israeli als Sinnbild für die Selbstbehauptung des jüdischen Volkes in einer feindlichen Welt steht, ein Kidduschbecher, Schabbatleuchter, ein Halter für die Havdala-Kerze, Gewürzbehälter für die Havdala-Zeremonie, eine Streichholzschachtel, das Buch Ester – geschrieben von einem professionellen jüdischen Schreiber – und eine Rassel für Purim, ein Leuchter und zwei Kreisel für Chanukka, sowie ein Zeiger für das Lesen der Torahrolle enthalten. Wie bei vielen Erklärungen schiebt auch beim Merkava-Panzer Kassif eine philosophische Überlegung mit ein: "Ganz aktuell stellt sich uns natürlich beim Anblick des Merkava die Frage, wer ihn lenkt?! Sind das demokratisch gewählte Politiker und damit das Volk? Oder die Rabbiner und ihr Gott?"

Wem das alles zu militaristisch ist, wird vielleicht Gefallen finden an der Eisenbahn, die ebenfalls funktionell alle jüdischen Traditionen abdeckt und deren Waggons sich je nach Festzeit und Geschmack unterschiedlich anordnen lassen.

Jüdischer Mercedes

Besonders angetan hat es Kassif der "Schabbat Mercedes", ein originalgetreues Modell des Luxus-Mercedes Benz 500 K Roadster von 1936. Wenn das Fahrzeug geschlossen ist und Kiddusch-Becher, Havdala-Behälter, Schabbatkerzenhalter verborgen sind, verraten nur die Nummernschilder, dass das Fahrzeug "jüdisch" ist – und natürlich der Name! "Karl Benz und Gottlieb Daimler wussten zwar, wie man ein gutes Auto baut", schmunzelt Jehuda Kassif, "aber sie hatten kein Geld. Bis dann der reiche jüdische Geschäftsmann Emil Jellinek aus Österreich anbot, die Fahrzeugproduktion zu finanzieren, unter der Bedingung, dass die Autos den Namen seiner Tochter tragen würden: Mercedes." "Und so", schließt der Kurator seine Erklärungen selbstzufrieden, "musste sogar der deutsche Kanzler, dessen Namen wir nicht aussprechen, während des Zweiten Weltkriegs immer den Namen eines jüdischen Mädchens zur Schau tragen."

Itzchak Luvaton kooperiert seit 1986 eng mit seinem Freund und Kollegen Mauriciu Samuel. Dem Silberschmied ist ein kleiner Reisechanukkaleuchter besonders wertvoll. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben jüdische Kunstschmiede "Chanukkiot" für unterwegs gemacht, wie überhaupt die Herstellung wertvoller, jüdischer Kultgegenstände eine uralte Tradition hat. "So einen Chanukkaleuchter hat der jüdische Astronaut Jeffrey Hoffman im Dezember 1993 mit in den Weltraum genommen", erklärt Luvaton stolz. "Unser Reiseleuchter war der erste, der diese Erde verlassen hat."

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