Jordanien, „Palästina“ und Israel lauten die drei Stationen des vierten Besuchs eines Papstes in Nahost. Franziskus interessieren die Spuren Jesu, die Taufstätte Jesu in Jordanien, die Krippe Jesu in Bethlehem und Golgatha in Jerusalem. Das wichtigste „politische“ Treffen wird weder dem jordanischen König, noch dem palästinensischen Präsidenten, noch dem israelischen Premierminister gewidmet sein, sondern dem aus Istanbul angereisten Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. von Konstantinopel. Die Versöhnung der katholischen Kirche mit der orthodoxen Ostkirche, vor genau 50 Jahren auf dem Jerusalemer Zionsberg mit dem Patriarchen Athenagoras besiegelt, hat höhere Priorität als politische Plaudereien mit vergänglichen Politikern.
Ein Papst kann sich nicht wie ein Pilger zum stillen Gebet zurückziehen und Messen feiern. In Jordanien wird er mit der Überschwemmung des Haschemitischen Königreichs mit Millionen von Flüchtlingen aus Syrien konfrontiert werden. Bei einem Bevölkerungsanteil von etwa 75 Prozent Palästinensern droht auch das bislang stabile Jordanien vom „arabischen Frühling“ erfasst zu werden. Es leben nur wenige Christen in Jordanien. Aber mit der Errichtung von Kirchen an der Taufstätte Jesu am Jordan, knapp zehn Meter von der israelischen Stätte am anderen Ufer entfernt, hat Jordanien mehr Toleranz gegenüber Christen gezeigt als alle arabischen Länder in der Umgebung.
Papst als Che Guevara?
Von Amman wird der Papst mit einem jordanischen Hubschrauber nach Bethlehem in „Palästina“ und dann weiter nach Israel, zum Ben-Gurion-Flughafen, fliegen. Das darf als Symbol für den stabilen Frieden zwischen Israel und Jordanien gewertet werden.
Nach der Messe auf dem Krippenplatz Bethlehems, einem Besuch in der Geburtsbasilika und einem Gespräch mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas ist ein Besuch im Flüchtlingslager Deheische geplant. Hier erwartet den Papst das palästinensische Fettnäpfchen: Wird er die Plakate und Abbilder von Selbstmordattentätern zu sehen bekommen, oder werden sie rechtzeitig übertüncht werden, wie vor dem Besuch des amerikanischen Präsidenten Barack Obama im Mai vor einem Jahr? Wie wird er auf die palästinensischen Flüchtlinge reagieren und auf deren Forderung, mit ihren Kindeskindern nach Israel zurückkehren zu dürfen, was das Ende des jüdischen Staates bedeuten würde?
Der argentinische Rabbi Sergio Bergman, ein enger Freund von Papst Franziskus, soll behauptet haben, dass sich der Pontifex als den „Che Guevara der Palästinenser“ betrachte und deren „Kampf“ unterstütze. Das löste bei israelischen Politikern „Unruhe“ aus. Einige hielten die Äußerung für „übertrieben“ und erwarten vom Papst, „die Balance zu halten und nicht auf allen Hochzeiten zu tanzen“. Auffällig ist, dass der Papst nur in „Palästina“ eine Messe halten wird, nicht aber in Israel, wo mehr Christen leben.
Sicherheit fährt vor
Nach dem offiziellen Empfang auf dem Ben-Gurion-Flughafen und einem Helikopterflug nach Jerusalem, wo er in der Residenz seines Botschafters auf dem Skopusberg übernachten wird, erwartet ihn am Sonntag eine Armee von mindestens 8.000 Polizisten und Sicherheitsleuten. Sollte der Papst tatsächlich auf eigenen Wunsch in einem ungepanzerten „Papamobil“ durch Jerusalem fahren, wird die Polizei alle Straßen 45 Minuten zuvor „hermetisch“ sperren und alle Menschen auf Distanz halten, denen der Papst so sehr begegnen will.
Auch auf der israelischen Seite erwarten ihn mehrere Fettnäpfchen. Eine ultrarechte israelische Organisation schreit schon, dass der Papst den Mufti von Jerusalem treffen werde, der dazu aufgerufen habe, alle Juden zu töten. Hysterische Proteste äußerten orthodoxe Juden, weil die israelische Regierung plane, dem Papst den Saal des Letzten Abendmahls mitsamt dem darunter liegenden traditionellen Grab des biblischen Königs David zu übergeben. Das wurde allerdings offiziell dementiert!
Allein vom Papst hängt ab, ob er an der Klagemauer wieder eine Geste der Versöhnung mit den Juden machen wird, wie sein polnischer Vorgänger Johannes Paul II., der sich dort im Jahr 2000 für die Judenverfolgungen durch Mitglieder der katholischen Kirche „entschuldigt“ hat. Kritisch könnte auch der Besuch in der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem werden. Dort hat sein deutscher Vorgänger Papst Benedikt XVI. im Jahr 2009 durch falsch formulierte oder missverstandene Äußerungen Unmut erregt, den die Israelis freilich schnell unter den Teppich kehrten, um nicht die ohnehin delikaten Beziehungen mit dem Vatikan zu belasten.
Bedeutsame Kranzniederlegung
Immerhin hat sich der Heilige Stuhl inzwischen mit der Existenz eines jüdischen Staates abgefunden, wenn sogar eine Kranzniederlegung am Grab des Verkünders des „Judenstaates“, Theodor Herzl, geplant ist. Der Vatikan hat erst 1993 mit Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen, nachdem Israel die Palästinensische Befreiungsorgansiation (PLO) anerkannt hatte. Bis dahin galt die theologische Lehre, dass die Juden im Exil leben müssten, sei eine Gottesstrafe, weil sie Christus nicht „erkannt“ hätten. Gleichwohl hatte es schon ab 1965 infolge des Holocaust mit der Erklärung „Nostra Aetate“ des Zweiten Vatikanischen Konzils Schritte in Richtung Dialog mit dem Judentum gegeben.
Der Papstbesuch hat auch eine wirtschaftliche Komponente. Das israelische Tourismusministerium rechnet mit zehn Prozent mehr christlichen Pilgern und hat dafür eine halbe Million Euro in Werbung investiert.