Die Überlebenden der nationalsozialistischen Judenvernichtung waren sicher, das Land ihrer Sehnsucht zu erreichen: das damalige Mandatsgebiet Palästina. Deshalb tauften sie auf hoher See das Schiff in „Exodus“ um und hissten eine blau-weiße Flagge mit dem Davidstern. Doch es kam anders: Über Frankreich wurden sie im Juli 1947 nach Hamburg gebracht, von dort ging es mit der Bahn weiter nach Lübeck. In der Nähe der Hansestadt wurden die Flüchtlinge auf zwei Lager verteilt. Was sie dort erlebten, veranschaulicht die Ausstellung „Die Exodus-Affäre“ im Jüdischen Museum der schleswig-holsteinischen Stadt Rendsburg.
Persönliche Geschichten einzelner „Exodus“-Passagiere sind in der Ausstellung ebenso dargestellt wie die allgemeine Geschichte. Über Kopfhörer können die Besucher Erinnerungen mehrerer jüdischer Flüchtlinge hören – diese wurden für die Ausstellung „Die Exodus-Affäre“ nach Originalquellen neu eingelesen. Zu den „Displaced Persons“ an Bord zählte etwa der sogenannte „Boxer von Auschwitz“, Noah Klieger. Er hatte im Vernichtungslager eine unmittelbare Begegnung mit dem berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele überlebt.
Auch ein Hinweis auf die polnische Katholikin Gertruda Bablinska fehlt nicht. Sie war die einzige Nichtjüdin unter den Passagieren. Als Kindermädchen hatte sie während des Zweiten Weltkrieges ihrer jüdischen Herrin auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen, sich um deren Sohn Michael Stolowicki zu kümmern. Und tatsächlich gab sie den damals Dreijährigen als ihr eigenes Kind aus und rettete ihn vor dem Zugriff der Nazischergen. Nach dem Krieg erfuhren sie, dass der Vater in der Scho’ah ermordet worden war.
Anschaulich zeigt das Jüdische Museum das Leben in den beiden Internierungslagern bei Lübeck, Pöppendorf und Am Stau. Fotos von kulturellen und gesellschaftlichen Ereignissen hängen an Wäscheleinen. Kleine schwarze Steine auf dem Boden erinnern an Ruß, an der Wand steht ein rostiger Ofen, wie er seinerzeit in den sogenannten Nissenhütten als einzige Wärmequelle zur Verfügung stand.
Doch auch die Außenperspektive beleuchtet die Ausstellung: Zeitungen aus verschiedenen Ländern zeigen, wie die Welt auf die Rückführung der Flüchtlinge nach Deutschland reagierte. In britischen Medien lag die Betonung dabei auf der guten Versorgung der ehemaligen „Exodus“-Passagiere. Journalisten in den USA hingegen übten scharfe Kritik am Vorgehen der Briten.
Kreativität ist gefragt
Filmdokumente vervollständigen die sehenswerte Schau. In einem ist die israelische Staatsgründung am 14. Mai 1948 zu sehen. In diesem Bereich erfahren die Besucher, wie die Flüchtlinge letztlich doch nach Israel gelangten. Interessierte können sich ferner insgesamt 15 Minuten aus dem bekannten Film „Exodus“ von 1960 mit Paul Newman anschauen. Er basiert auf dem gleichnamigen Roman von Leon Uris, der die Affäre weltberühmt machte.
Die Ausstellung regt zum Nachdenken an. Die wenigen Besucher an diesem Dienstagnachmittag wirken konzentriert und teilweise erschüttert. Eine Frau ist aus dem 40 Kilometer entfernten Neumünster angereist. Die Ausstellung sei „liebevoll und interessant aufgebaut“, schildert sie ihre Eindrücke gegenüber Israelnetz. „Ich habe tatsächlich alles gelesen und mir alles angehört und alle Filme angeschaut.“
Am Ende dürfen die Besucher dann aktiv werden: Vorgefertigte Schlagzeilen und Bilder laden dazu ein, selbst eine Titelseite für ein „Extrablatt“ zu gestalten. Thema ist die Unterbringung der Flüchtlinge ausgerechnet in deutschen Lagern.
Die Ausstellung „Die Exodus-Affäre. Schleswig-Holstein und die Gründung Israels“ ist noch bis zum 3. Juni 2018 im Jüdischen Museum, Prinzessinstraße 7–8, 24768 Rendsburg zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 12 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr, oder nach Vereinbarung
Von: Elisabeth Hausen