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Schuster und Knobloch widersprechen Netanjahu

BERLIN (inn) – Führende jüdische Vertreter in Deutschland sehen auch nach dem Anschlag von Kopenhagen keinen Anlass für Juden, wegen Terrorgefahr aus der Bundesrepublik zu fliehen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ruft hingegen erneut zur Auswanderung in den jüdischen Staat auf.
Ist anderer Meinung als Israels Premier Netanjahu: Josef Schuster
Bereits nach dem Attentat auf einen koscheren Supermarkt in Paris am 9. Januar hatte der israelische Regierungschef Netanjahu Juden in Frankreich aufgerufen, nach Israel auszuwandern. Nun nahm er den tödlichen Anschlag auf den Wachmann einer Synagoge in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen zum Anlass, die Aufforderung erneut auszusprechen. Der jüdische Staat erwarte die Juden aus Europa und der gesamten Welt mit offenen Armen, sagte er. „Israel ist eure Heimstätte.“ Seine Regierung wolle für die Aufnahme von Juden aus Belgien, Frankreich und der Ukraine 40 Millionen Euro bereitstellen. Kritische Reaktionen kamen nicht nur aus Frankreich und Dänemark, sondern auch aus Deutschland. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte am Montag: „Wer geglaubt hat, dass die Terroranschläge von Paris einmalige Vorfälle waren, sieht sich leider schrecklich getäuscht. Der Terror gegen islamkritische Journalisten und jüdische Einrichtungen ist endgültig mitten in Europa angekommen. Die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen haben offensichtlich schlimmeres Blutvergießen verhindert.“ Gegenüber der „Berliner Zeitung“ merkte der Zentralratsvorsitzende an: „Ich halte jüdisches Leben in Deutschland weiterhin für möglich und sehe derzeit keinen Grund, warum Juden Deutschland verlassen sollten. Voraussetzung ist allerdings, dass jüdische Einrichtungen weiterhin gut geschützt werden. Ich vertraue hier sowohl der Bundesregierung als auch den Sicherheitsbehörden.“ Die Angst vor Terroranschlägen solle möglichst kein Grund sein, das eigene Land zu verlassen. „Denn dann hätten die Terroristen schon eines ihrer Ziele erreicht.“ Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, schloss sich Schusters Ansicht an. „Exodus ist keine Lösung“, teilte sie nach Angaben der „Tagesschau“ mit. Nicht nur Juden, sondern „die europäischen Demokratien als Ganzes“ seien durch islamistischen Terror bedroht. Knobloch fügte an, Israel müsse Interesse an einer starken jüdischen Diaspora haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte unterdessen am Montag den Juden in Deutschland ihre Unterstützung zu. „Wir sind froh und auch dankbar, dass es wieder jüdisches Leben in Deutschland gibt“, wird sie in der Onlineausgabe der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ zitiert. „Und wir möchten gerne mit den Juden, die heute in Deutschland sind, weiter gut zusammenleben.“ Man werde alles dafür tun, dass die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und die Sicherheit der Bürger, die jüdischer Herkunft sind, gewährleistet werde. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete es laut „Berliner Zeitung“ aus historischer Sicht als Geschenk, dass nach den Erfahrungen des Holocaust heute wieder etwa 100.000 Juden in Deutschland lebten.

„Juden sind ein Teil Dänemarks“

Die dänische Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt sagte gemäß der Deutschen Presse-Agentur (dpa) als Reaktion auf Netanjahus Aufruf: „Die Juden sind ein Teil Dänemarks und das Land wäre nicht mehr das, welches wir kennen, falls sie gingen. – Aber natürlich können sie tun, was sie möchten.“ Mehrere zehntausend Menschen nahmen am Montagabend an einer Gedenkfeier für die beiden Opfer der Anschläge auf die Synagoge und auf eine Kundgebung zur Meinungsfreiheit teil. Den mutmaßlichen Attentäter hatten Polizisten bei einem Feuergefecht erschossen. Seine Eltern sind Medienberichten zufolge Palästinenser.

„Anerkennung für alle Bürger Frankreichs“

In Frankreich hatten Randalierer am Wochenende auf einem jüdischen Friedhof gewütet und ihn weitgehend zerstört. Er gehört zur elsässischen Gemeinde Sarre-Union. Die Hintergründe für die Tat sind noch unbekannt. Der französische Präsident François Hollande appellierte an die Juden in seinem Land, trotz des zunehmenden Antisemitismus nicht auszuwandern. „Ich werde keine in Israel ausgesprochenen Worte zulassen, die denken lassen, dass die Juden in Europa keinen Platz mehr hätten, und vor allem in Frankreich“, kritisierte er Netanjahu. „Die Republik liebt alle ihre Kinder“, betonte Hollande laut einem Bericht der französischen Tageszeitung „Le Figaro“. „Wir müssen allen Juden Frankreichs, noch viel mehr, allen Bürgern Frankreichs Anerkennung und Würde zusichern.“ Premierminister Manuel Valls übte ebenfalls Kritik an seinem israelischen Amtskollegen: „Wenn man sich im Wahlkampf befindet, heißt das nicht, dass man sich für welche Erklärung auch immer autorisiert. Der Ort der französischen Juden ist Frankreich. Ein Jude, der Frankreich verlässt, ist ein Stück von Frankreich, das weggeht.“

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