DORTMUND (inn) – Josef Schuster hat bei einer Podiumsdiskussion beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund am Donnerstag zu mehr Einsatz gegen „Alltags-Antisemitismus“ aufgerufen. Jeder könne seinen Beitrag leisten, sagte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Es sei wichtig, dass man sich auch am Stammtisch gegenüber Freunden und Bekannten klar positioniere. Diese Zivilcourage sei ein entscheidender Schritt im Kampf gegen Antisemitismus.
Verwunderlich für Schuster: Israelkritik, aber keine Nordkoreakritik
Er sagte, noch sei die Situation der Juden in Deutschland nicht so, dass man schon auf gepackten Koffern säße. Allerdings machten sich einige schon Gedanken, wo man die Koffer abgestellt habe. Die Frage, ob man Israelkritik und Antisemitismus abgrenzen könne, beantwortete Schuster mit einem klaren „Ja“. Die Differenzierung sei nicht schwer. Es sei zwar merkwürdig, dass es nur Israelkritik gebe, aber beispielsweise keine Nordkoreakritik, dennoch sei es natürlich legitim, eine Regierung zu kritisieren. Sobald man aber Israel dämonisiere, delegitimiere oder mit anderen Maßstäben bemesse, sei die Grenze zum Antisemitismus überschritten.
Schuster sprach sich auch gegen die AfD aus. Getreu dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ suche die AfD eine Verbindung zur jüdischen Bevölkerung und zu Israel. Allerdings seien Muslime nicht die natürlichen Feinde der Juden. Auch andersherum gebe es keinen natürlichen Hass. Jedoch seien Ressentiments vor allem bei Einwanderern aus dem arabischen Raum nicht zu leugnen und ein großes Problem.
Neue Strategien für Antisemitismusbekämpfung
Die Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung, Stefanie Schüler-Springorum, wies in der Diskussion zum Thema „Hört das nie auf? Antisemitismus in Deutschland“ auf die steigende Zahl von antisemitischen Straftaten hin. Ein Problem sei, dass die 20 Prozent „Gelegenheitsantisemiten“ immer lauter würden. Darum sei es umso wichtiger, die Mitte der Gesellschaft zu schützen.
Alle Bürger seien aufgefordert, die positiven Aspekte der Demokratie zu stärken und die Gründe der antisemitischen Ressentiments zu ergründen. Ein solcher Grund sei in der Kirchengeschichte zu finden. Christlicher und säkularer Antisemitismus seien nicht sauber voneinander abzugrenzen. Dessen ist sich auch Landesbischof Ralf Meister bewusst. Er selbst erschrecke bei manchen Predigten und fühle sich 60 Jahre in die Vergangenheit versetzt. Man könne allerdings das Problem nur in kleinen Schritten lösen. Zeitgleich sei es aber notwendig, rote Linien zu benennen.
Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter von Baden-Württemberg, plädierte dafür, die negativen Geschichten der Antisemiten nicht nachzuerzählen. Vielmehr müsse man mit positiven Erzählungen dagegenhalten. Hass müsse durch Aufklärung besiegt werden – nicht durch Schuldgefühle.
„Muslim ist nicht der neue Jude“
Der aktuelle Diskurs laufe genau in die falsche Richtung, bestätigte auch die Islamwissenschaftlerin Layma Kaddor. Momentan würden die Minderheiten gegeneinander ausgespielt. Juden und Muslime seien beide Anfeindungen ausgesetzt. Allerdings sei es falsch, einen historischen Vergleich von Juden im Nationalsozialismus und Muslimen heute in Deutschland zu ziehen.
Von: Martin Schlorke