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Schindlerjude: Bar Mitzwa nach 71 Jahren nachgeholt

JERUSALEM (inn) – Durch „Schindlers Liste“ überlebte er den Holocaust in Polen – nun hat ein 84-jähriger Israeli mit 71 Jahren Verspätung in Jerusalem seine Bar Mitzwa gefeiert. Kurz vor seinem 13. Geburtstag war er in das Krakauer Ghetto deportiert worden und konnte deshalb die Feier seiner Religionsmündigkeit nicht begehen.
Das Krakauer Ghetto hat Arieh Sadeh überlebt – nun holte er seine Bar Mitzwa nach.

„Ich freue mich, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde, meine Bar Mitzwa zu feiern, und bei der Gelegenheit auch Oskar Schindler zu danken, dass er mir das Leben gerettet hat“, sagte Arieh Sadeh in seiner Rede, die der Bar Mitzwa („Sohn des Gebotes“) traditionell während der Zeremonie hält. „Ich freue mich über die Möglichkeit, Schindler zu danken, der in der Tat ein einzigartiger Gerechter war. Er hat das Lager von Brünnlitz errichtet, und von seinem Geld hat er alle Juden dorthin gebracht. Oskar wurde hier in Israel bestattet, und am Tag seiner Beisetzung kamen Menschen von allen Enden der Welt. Auch Ronit, meine große Tochter, hat an dieser Beisetzung teilgenommen.“
Bis kurz vor der Feier hatte der Rentner nicht gewusst, dass sie am Montag stattfinden würde. Seine Ehefrau und die Töchter überraschten ihn erst am Morgen mit der Mitteilung. Verwandte und Freunde begleiteten ihn dann mit Klängen chassidischer Musik zu einer Synagoge in seinem Jerusalemer Viertel. Nach der Torahlesung warfen die Feiernden wie üblich Süßigkeiten auf Sadeh. Gesang und Tanz durften bei der Zeremonie ebenfalls nicht fehlen, schreibt die Tageszeitung „Ma‘ariv“.
Die zehnjährige Enkelin Liri Sadeh bekundete ihre Freude darüber, dass der Wunsch ihres Großvaters nach so langer Zeit erfüllt worden war: „Nach 71 Jahren bin ich gerührt, mit Dir bei der Bar Mitzwa sein zu können. Ich wünsche dir, dass du immer gesund und munter sein wirst und dass du weiter der beste Großvater der Welt sein wirst.“ Die Feier hatten die Familie und die Mitarbeiter des Betreuten Wohnens organisiert, wo der Rentner lebt.
Deportation und Flucht
Sadeh war drei Tage vor seiner eigentlichen Bar Mitzwa ins Krakauer Ghetto gebracht worden. Seine Mutter war sehr krank und starb kurz darauf. Deshalb wurde er im jüdischen Waisenhaus der polnischen Stadt untergebracht. Als er von einer in dem Kinderheim geplanten Deportation hörte, gelang ihm die Flucht. Danach lebte er bei einer Jüdin in dem Ghetto, bis es aufgelöst wurde. Er wurde ins Konzentrationslager Plaszow deportiert. Der Unternehmer Schindler setzte Sadehs Namen auf seine berühmte Liste, so dass er in dessen Fabrik in Brünnlitz arbeiten konnte. Dort blieb er bis zur Befreiung.
Im Jahr 1946 wanderte der Überlebende ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina aus. Er trat der Marinegruppe der jüdischen Untergrundorganisation Palmach, Paljam, bei und schloss sich nach der Staatsgründung zwei Jahre später der israelischen Marine an. 1954 heiratete Sadeh. Aus der Armee wurde er nach 15 Jahren aus gesundheitlichen Gründen entlassen und arbeitete fortan im Tel Aviver Kunstmuseum, bis er 1984 in den Ruhestand ging. Das Ehepaar Sadeh blieb viele Jahre in Kontakt mit Schindler, der mehrere Male die Familien der Überlebenden in Israel besuchte.
„Vielleicht bin ich kein Jude“
Die Tochter Diti erzählte gegenüber „Ma‘ ariv“, dass die Angehörigen lange Zeit nichts von der versäumten Bar Mitzwa geahnt hatten: „Viele Jahre lang hat Vater das Geheimnis bewahrt und nicht erzählt, dass er nie Bar Mitzwa gefeiert hat. Erst bei seinem letzten Krankenhausaufenthalt sagte er mir: ‚Ich habe keine Bar Mitzwa gefeiert, also bin ich vielleicht kein Jude.‘ Ich versprach ihm, dass wir noch das Glück haben würden, das zu feiern.“ In Anspielung auf die Bedeutung seines hebräischen Namens, Löwe, habe sie hinzugefügt: „Entsprechend deinem Namen Arieh hast auch du immer wie ein Löwe gekämpft.“
Ascher Od, der sich für die Überlebenden der Schoah einsetzt, bezeichnete die Zeremonie am Montag als „Feier des Sieges über diejenigen, die uns und unsere jüdische Seele umbringen wollten“. Dem 84-Jährigen sagte er: „Du hast gesiegt, und diesen Sieg feiern wir jetzt bei deiner Bar Mitzwa.“

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