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Scheidungsrecht im Westjordanland reformiert

RAMALLAH (inn) – Die Regierung im Westjordanland hat das Scheidungsrecht für Frauen vereinfacht. Künftig müssen sie eine Misshandlung durch ihren Ehemann nicht mehr nachweisen. Die Scheidung muss außerdem binnen drei Monaten vollzogen werden.
Frauen im Westjordanland haben es jetzt leichter, sich scheiden zu lassen.

Wollten sich muslimische Palästinenserinnen gegen den Willen ihres Ehemannes scheiden lassen, standen ihnen bisher harte Zeiten bevor. Sie riskierten dadurch eine schlechte und häufig gewalttätige Behandlung durch ihren Mann, Ausgrenzung aus der Familie sowie einen langwierigen und teuren Prozess. Nun wurde das Scheidungsrecht im Westjordanland reformiert.
„Laut islamischem Recht sollte die Beziehung zwischen Ehepartnern auf Freundlichkeit, Liebe und Verständnis basieren. Wenn es Hass zwischen ihnen gibt, sollten wir sie dann zwingen, zusammenzubleiben?“, sagte Scheich Jussef al-Dais am vergangenen Donnerstag, als er die Neuerungen bekanntgab. Er sprach von „mutigen“ Veränderungen.
Bislang war es so, dass sich Frauen nicht einfach scheiden lassen konnten, wenn sie in ihrer Ehe unglücklich waren. Dieses Privileg war den Männern vorbehalten. Eine Frau benötigte die Einwilligung ihres Ehemannes oder sie musste Misshandlung in ihrer Ehe nachweisen. Stimmte der Gatte einer Scheidung zu, musste die Frau alle Ausstattung und Geschenke zurückgeben, die sie während der Ehe von ihrem Mann erhalten hatte. Häufig verlangten die Männer für ihre Einwilligung jedoch mehr, wie Geld oder das alleinige Recht auf die Kinder. „Diese Frauen sind Investitionsprojekte für Männer, sie können jederzeit erpresst werden“, erklärte Scheich Al-Dais dazu laut der Tageszeitung „Washington Post“.
Seit Donnerstag müssen Frauen Misshandlungen durch ihre Ehegatten nicht mehr nachweisen. Ein Richter kann von nun an ohne Zugrundelegung von Beweisen entscheiden, ob die Ehe für die Frau eine Gefahr ist oder nicht. Ehemännern wurde verboten, „unvernüftig“ hohe Summen von ihren Frauen zu verlangen. Zudem muss die Scheidung innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein.
In den vergangenen Monaten waren im Westjordanland immer wieder Rufe laut geworden, das Scheidungsrecht zu ändern, nachdem es mehrere Fälle von Gewalt gegen Frauen in der Öffentlichkeit gegeben hatte. Unter anderem hatte ein Mann seiner Frau auf dem Marktplatz von Bethlehem die Kehle durchgeschnitten.
In dem Bericht der „Washington Post“ wird auf das Beispiel einer Frau eingegangen, die drei Jahre vor Gericht für eine Scheidung gekämpft hatte. Ihr Mann war gegen die Trennung und sie musste nachweisen, dass er sie misshandelte. Während des Prozesses habe sie enorme Gewalt durch ihren Mann ertragen müssen. Er habe sie geschlagen, ihr die Nase gebrochen, ihr wiederholt die Haare herausgerissen und sie obdachlos gelassen, nachdem ihr gemeinsamer Sohn geboren wurde. Zunächst hätten die Richter ihren Antrag zurückgewiesen, weil ihr Mann Besserung gelobt habe. Die Polizeiberichte über die Gewalttaten ihres Ehemannes hätten sie ebenfalls nicht anerkannt. Die Scheidung habe sie und ihre Familie schließlich etwa 7.000 Dollar gekostet.
Kein Geschlechtsverkehr? Scheidung möglich
Wie die palästinensische Nachrichtenagentur „Ma‘an“ meldet, birgt das Gesetz eine weitere Neuerung. Einige muslimische Paare ziehen es vor, einen Ehevertrag zu schließen, ohne sich zuvor zu verloben und ohne vorerst zusammenzuleben. Dies ermögliche ihnen größere Freiheiten als verlobten Paaren. Sie können beispielsweise ohne Begleitung durch andere Familienmitglieder ausgehen. In solchen Fällen darf sich eine Frau nun scheiden lassen, wenn das Paar noch keinen Geschlechtsverkehr miteinander hatte.
Das neue Scheidungsrecht gilt nur für Muslime im Westjordanland. Die Hamas-Regierung im Gazastreifen hatte moniert, dass die Reformen nicht mir ihr besprochen worden waren. Die Behörden in Gaza hätten gerne die Vorschläge geprüft, aber sie seien nicht dazu befragt worden, teilte Hassan al-Dschudschu, Leiter des Islamischen Gerichtshofs in Gaza, laut „Ma‘an“ mit.
Während im Westjordanland jordanisches Recht angewandt wird, wird im Gazastreifen vor allem ägyptische Rechtsprechung zugrunde gelegt.

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