"Wenn er wach ist, schaut er mich an und bewegt Finger, wenn ich ihn darum bitte", sagte Gilad Scharon in dem Telefoninterview. "Ich bin sicher, dass er mich hört." Anlass für das Gespräch mit der "New York Times" war die Biographie, die er über seinen Vater geschrieben hat. Das Buch "Scharon: Das Leben einer Führungspersönlichkeit" erscheint am Dienstag auf Hebräisch und auf Englisch.
In der Biographie heißt es über den ehemaligen Regierungschef: "Er liegt im Bett, sieht wie der Herr des Landgutes aus, schläft ruhig. Groß, stark, selbstsicher. Seine Wangen weisen einen gesunden Schatten Rot auf. Wenn er wach ist, starrt er durchdringend in die Gegend. Er hat kein einziges Pfund verloren; im Gegenteil, er hat etwas zugenommen." Dabei werde der 83-Jährige künstlich ernährt, erzählte sein Sohn.
Vor einem Jahr war Ariel Scharon versuchsweise zu Hause auf seiner Sykomorenfarm in Südisrael. Aber er wurde bald wieder ins Krankenhaus in Tel HaSchomer zurückgebracht. Das Problem liege in der israelischen Bürokratie, meint der Sohn. "Ich denke, es wäre besser für ihn, zu Hause zu sein." Seit dem Schlaganfall am 4. Januar 2006 habe sein Vater, der zweifacher Witwer ist, jeden Tag Besuch erhalten – entweder von einem seiner beiden Söhne oder von Gilad Scharons Ehefrau Inbal. "Wir haben keinen einzigen Tag ausgelassen." Um die Farm kümmern sich Gilad und sein Bruder Omri.
"Niemals aufgeben"
Im Buch beschreibt der Autor die Diskussionen mit Ärzten und Krankenschwestern in der Jerusalemer Hadassa-Universitätsklinik, die nach dem Schlaganfall meinten, der berühmte Patient habe nicht mehr lange zu leben. Deshalb wollten sie ihn sterben lassen. "Ich erzählte ihnen von einem Traum, den ich vor vielen Jahren hatte. In jenem Traum war ich mit meinem Vater im Krankenhaus. Er lag im Bett, umgeben von medizinischem Personal, und sie hatten alle entweder aufgegeben oder die Hoffnung verloren und wollten gehen, und mein Vater sagte nichts, aber er starrte mich mit diesem Gesichtsausdruck an, mit seinen grün-grauen Augen, und ich wusste, dass ich nie aufgeben würde und dass ich ihn einfach nicht verlassen würde. Diesen Traum hatte ich, als mein Vater gesund und stark war und sich das Szenario völlig von der Wirklichkeit unterschied." Später habe sich herausgestellt, dass nach dem Schlaganfall ein Röntgenbild falsch gedeutet worden war.
Nach eigenen Angaben hat Gilad Scharon seinen Vater auf die Idee gebracht, den Gazastreifen komplett zu räumen. Denn es sei unmöglich geworden, die israelischen Siedler in dem Gebiet angemessen zu schützen. Die meisten Israelis hätten den Preis nicht zahlen wollen, der nötig gewesen wäre, um den Küstenstreifen zu halten, schreibt der Sohn des ehemaligen Premierministers.
In dem Buch spart der Verfasser nicht mit bissiger Kritik am heutigen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Im vergangenen Jahr ist er in die Oppositionspartei Kadima getreten, die sein Vater im November 2005 gründete – wenige Wochen vor dem Schlaganfall.
Ariel Scharon wurde 2001 zum Premierminister gewählt. Nach dem Rückzug aus Gaza im Sommer 2005 verließ er seine politische Heimat, den Likud, und wurde Vorsitzender der neuen Kadima-Partei. Diese wird derzeit von Zippi Livni geführt.