Deutschland und Israel feiern diese Tage intensiv die Aufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen. Am 12. Mai jährt sich der Tag zum 50. Mal. Aus diesem Anlass ist der israelische Präsident Reuven Rivlin nach Berlin gereist. Auftakt des Staatsbesuchs war die Begrüßung des israelischen Politikers und seiner Frau, Nechama Rivlin, durch den Bundespräsidenten Joachim Gauck und dessen Lebensgefährtin Daniela Schadt auf dem Schloss Bellevue. Anschließend wurden die Israelis mit militärischen Ehren begrüßt, erst spielte die Kapelle die Hatikva, dann erklang die deutsche Nationalhymne.
Rivlin erklärte am Montag im Schloss Bellevue: „Dass wir heute hier stehen, beweist nicht nur, dass die Lehren aus der dunklen Vergangenheit gezogen wurden, sondern auch das Versprechen, das in der gemeinsamen Zukunft zwischen uns Form annimmt, solange wir an den Freiheitswerten und der Demokratie festhalten.“
Weiter sagte Rivlin nach dem Gespräch mit Gauck: „Es ist wichtig zu erklären, dass der enge und warme Kontakt zwischen den beiden Völkern in Israel und Deutschland und zwischen den beiden Regierungen in keiner Weise eine Entschädigung für die Sch‘oah darstellt. Er basiert auf den gemeinsamen Werten und auf gemeinsamen Lehren, die wir aus der Vergangenheit gezogen haben. Sie sind es, die uns in eine bessere Zukunft führen.“
Größtes Ziel: Wahrer Frieden
Der israelische Staatsmann schaue „mit aufrichtiger Sorge auf den Antisemitismus, der sich erhebt, und auf den erstarkenden Rassismus an verschiedenen Orten dieser Welt“. Es sei die Verpflichtung „als Israelis, als Deutsche, als Demokraten, als wichtiger Teil der Menschheit“, sich mit Entschlossenheit diesem Übel entgegenzustellen. Das „größte Ziel“ sei „wahrer Frieden“. In Bezug auf den Nahen Osten sagte er: „Juden und Araber sind dafür bestimmt, zusammenzuleben.“ Israel kämpfe nicht gegen den Islam, sondern es habe ein Problem mit Fundamentalismus.
Nicht immer gebe es unter Freunden Übereinstimmungen, meinte Rivlin. Auch Gauck sagte am Montag, dass die beiden Staaten bei gewissen Themen unterschiedliche Ansichten haben, etwa beim Umgang mit dem Iran. Der Bundespräsident habe in ihrem Gespräch versucht, zu erklären, dass die Europäer und die USA einen „anderen Weg“ gingen. Ein weiterer Punkt, bei dem die Ansichten auseinander gingen, war die Zweistaatenlösung, an der Deutschland festhalte. Rivlin befürwortet hingegen eine Einstaatenlösung.
Für Gauck sei es nicht nur die Vergangenheit, „die uns verbindet“, sondern auch die Kontakte in der Zivilgesellschaft, der Künstler, der Wissenschaftler, der Journalisten. Der Bundespräsident zeigte sich dankbar für gemeinsame wissenschaftliche Projekte. Auch seien es die Werte, die die Parteien verbinden. Er sprach von einem „weltoffenen Berlin“, in dem viele Israelis wohnten. Der größere Teil der Bürger wehre sich gehen Antisemitismus.
Gauck kündigt Israelreise an
Der Bundespräsident kündigte an, dass er noch dieses Jahr nach Israel reisen werde. Und er komme mit einem kulturellen Geschenk: dem „Thomanerchor, der um die Weihnachtszeit musizieren wird“.
Der aktuelle Besuch stellt für den 75-jährigen Rivlin, der seit Ende Juli der zehnte Staatspräsident Israels ist, den ersten Staatsbesuch in Deutschland dar. Anschließend an den Termin auf Schloss Bellevue ist eine Kranzniederlegung am Mahnmal Gleis 17 geplant. Von diesem Ort aus wurden während der Nazi-Herrschaft Zehntausende Juden in Konzentrationslager deportiert. Danach schreiten der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und Rivlin durch das Brandenburger Tor.
Am Nachmittag besuchen Rivlin und Gauck gemeinsam den
Deutsch-Israelischen Jugendkongress. Während des am Freitag eröffneten und bis Dienstag laufenden Treffens diskutieren junge Leute in Berlin Fragen, Erfolge und Herausforderungen der deutsch-israelischen Beziehungen.
„Akzeptieren, dass wir nicht immer einer Meinung sind“
Das ZDF-„Morgenmagazin“ veröffentlichte am Sonntag ein Interview mit dem israelischen Staatsoberhaupt. Nach einem halben Jahrhundert diplomatischer Beziehungen könnten beide Staaten „als Freunde akzeptieren, dass wir nicht immer einer Meinung sind“. Es könne durchaus passieren, dass „die Notwendigkeit Israels, sich zu verteidigen, zu Entscheidungen führen kann, die für Europa nicht immer akzeptabel sind“. Dies müsse Deutschland verstehen, aber es müsse Israel im Übrigen auch nicht „in jeder Hinsicht, um jeden Preis und jederzeit unterstützen“.
Am Dienstag trifft Rivlin Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Themen ihrer Gespräche werden unter anderem die abgeschlossene Regierungsbildung in Israel und der Stand des Friedensprozesses im Nahen Osten sein. Rivlin beendet seinen Staatsbesuch am Mittwoch in Kiel. (ms)