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Rekord-Olympionikin genießt Leben in Israel

HERZLIJA (inn) – Sie kann das Bein hoch über den Kopf heben und Spagat machen – im Alter von 91 Jahren. Vor allem aber ist Agnes Keleti eine olympische Legende. Ihren Lebensabend verbringt die gebürtige Ungarin bei Strand und Sonne in Herzlija, nördlich der israelischen Stadt Tel Aviv. Nur ihre Medaillen kann sie nirgendwo mehr finden.
Dekoration in Melbourne anlässlich Olympia 1956. Star der Spiele: Agnes Keleti.

Das sei ihr aber auch nicht so wichtig. „Am Leben zu bleiben ist wichtiger als die Medaillen“, sagte Keleti der israelischen Zeitung „Ha‘aretz“, nachdem sie vergeblich die Schränke nach ihren Trophäen durchsucht hatte. „Die Medaillen haben keine Bedeutung.“ Dabei hat sie eine ganze Menge davon. Zehn sind es an der Zahl. Sie war in ihrer Zeit die Top-Medaillengewinnerin überhaupt. Nur der finnische Läufer Paavo Nurmi und der amerikanische Schütze Carl Osburn hatten größeren Olympia-Erfolg als Keleti. Unter den Frauen hielt sie den Rekord.
Nie und nimmer hätte sie Turnerin werden wollen. Eigentlich wäre Cellistin ihr Traumberuf gewesen. Aber die Nazis machten ihr einen Strich durch die Rechnung, denn wegen des Holocausts musste sie aus ihrer Heimat Budapest flüchten. Als christliche Magd getarnt überlebte die Jüdin im ländlichen Gebiet von Ungarn. Ihr Vater und andere Familienangehörige kamen im KZ Auschwitz ums Leben. „Er war ein fantastischer Athlet. Er war derjenige, der mich für den Sport begeisterte“, sagt sie über ihren Vater.
Wegen des Krieges konnte sie erst sehr spät mit dem Sport anfangen und feierte ihre größten Siege mit 35 Jahren, einem Alter, in dem andere Athleten sich schon längst aus dem Sport zurückgezogen haben. Bei den Spielen in Melbourne 1956 gewann sie vier Gold- und zwei Silbermedaillen, nachdem sie drei von vier Einzeldisziplinen für sich entschieden hatte. Zusammen mit den vier anderen von 1952 in Helsinki hatte sie mehr Medaillen gewonnen als jede andere Olympionikin vor ihr.
Als 1956 die Sowjetunion in Ungarn einmarschierte, erhielt sie politisches Asyl in Israel, heiratete, bekam zwei Kinder und trainierte die israelische Turnmannschaft über Jahrzehnte. Die diesjährigen Olympischen Spiele in London hat sie mit Spannung im Fernsehen verfolgt. Von der Entwicklung, die der Sport in der Zeit seit ihren Olympiasiegen mitgemacht hat, ist sie sehr beeindruckt: „Es hat sich wahnsinnig viel getan. Was die Turner da vollbringen, ist unglaublich. Das ist kein Sport mehr, sondern ein Beruf. Heutzutage hätte ich niemals gewinnen können. Was ich da gesehen habe, sieht völlig unmöglich aus“, sagte sie im Interview mit „Ha‘aretz“.
Ihre zehn Medaillen sind mehr als alle zusammen, die sich Israel je bei Olympia sichern konnte. Die begrenzen sich auf sieben Stück. „Schade, dass Israel diesmal keine gewonnen hat“, habe sie gesagt, bevor sie mit einem Lächeln hinzufügte: „Aber ich bin ja auch Israeli.“

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