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Raheb in Berlin: Kirche verteidigt umstrittenen Pfarrer

BERLIN (inn) - Der Berliner "Jerusalemverein" hat den palästinensischen Pfarrer Mitri Raheb bei seinem Besuch in Berlin in Schutz genommen. Am Freitag soll er mit dem "Deutschen Medienpreis" ausgezeichnet werden. Kritiker werfen Raheb Antisemitismus vor. Am Sonntag sprach er in Berlin über die Zukunft der palästinensischen Christen.

Raheb trat am Sonntag beim 160. Geburtstag des Jerusalemvereins im Berliner Missionswerk auf, das wiederum der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) angegliedert ist. Der Vorsitzende des "Jerusalemvereins", Bischof Hans-Jürgen Abromeit, sprach angesichts der Kritik gegen Raheb von einer "Verleumdungskampagne". Raheb habe niemals das Existenzrecht Israels bestritten, geschweige denn, eine extremistische politische Agenda verfolgt. Auch antisemitische Einstellungen seien seinen Texten nicht zu entnehmen.

Mitri Raheb soll am Freitag für seinen Einsatz zur Verständigung von Christen, Juden und Muslimen mit dem "Deutschen Medienpreis" des Unternehmens "Media Control" ausgezeichnet werden. Das stieß in den vergangenen Wochen auf heftige Kritik. Der Präsident der "Deutsch-Israelischen Gesellschaft", Reinhold Robbe, kritisierte laut "Evangelischem Pressedienst" (epd), der evangelische Theologe Raheb sei "ganz wesentlich" verantwortlich für das umstrittene "Kairos-Papier" von palästinensischen Christen, in dem unter anderem ein Boykott israelischer Waren befürwortet wird. Zudem ergingen Protestbriefe an den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der die Laudatio auf den palästinensischen Theologen Raheb halten soll. Die "Deutsche Initiative für den Nahen Osten" verteidigte die Preisvergabe an Pfarrer Raheb. Vorwürfe gegen ihn seien unbegründet und verzerrend, sagte der Sprecher der Initiative, Manfred Erdenberger. Gleichwohl ist Raheb Mitunterzeichner des "Kairos-Papiers".

"Die Europäer lassen euch fallen"

In Berlin sagte Raheb am Sonntag, die Solidarität bedeute ihm sehr viel. In seinem Festvortrag sprach er über die Zukunft der palästinensischen Christen angesichts des arabischen Frühlings. Die Revolution sei zugleich Chance und Herausforderung: "Ich weiß nicht, ob wir ihr gewachsen sind", gab er zu. So rief er die palästinensischen Christen dazu auf, nicht auf die Worte westlicher Politiker zu vertrauen: "Bitte, nicht in diese Falle tappen. Öl ist letzten Endes wichtiger als Menschenrechte", sagte Raheb, und weiter: "Die Europäer lassen euch fallen."

Die Christen rief er dazu auf, ihre eigene Version einer neuen arabischen Welt, geleitet durch christliche Werte, durchzusetzen. Gleichheit, Freiheit und Pluralismus solle die Region demnach künftig prägen. Ohne die Lösung der "Palästinenserfrage" habe sie allerdings keine Zukunft. Christen sollten zudem in gesellschaftsrelevante Theologie und in Bildung und Entwicklung investieren und sich gegen wachsende fundamentalistische Strömungen im Juden- und Christentum sowie im Islam wehren. Ziel müsse ein "denkender und in der Liebe agierender Glaube" sein, der auch Kirchenoberhäupter in Frage stelle.

Raheb sieht eine zunehmende Verdrängung der Christen aus der arabischen Welt kommen. In Anbetracht dessen forderte er ein Zusammenstehen der Christen Europas und des Nahen Ostens. Im Angesicht einer herannahenden Katastrophe seien Gläubige dazu aufgerufen, "Räume der Hoffnung" zu schaffen.

"Leiser Friedensstifter" oder Rassist?

Raheb wirkt seit 1988 an der evangelisch-lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem. Dort hat er die "Dar-al-Kalima-Schule" gegründet, die mittlerweile zum zweitgrößten privaten Arbeitgeber in der Gegend der Autonomiestadt geworden ist. Die Jury des "Deutschen Medienpreises" will Raheb als "leisen Friedensstifter" ehren. "Mitri Raheb ist mit einer großen Leidenschaft ausgestattet, das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen. Er arbeitet beharrlich an einem nachhaltigen Frieden im Mittleren Osten. Raheb ist ein Visionär, der neue Wege in der Erziehung und im Gesundheitsbereich gegangen ist", würdigt ihn auch der Vorsitzende Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika, Mark S. Hanson.

Zu den schärfsten Kritikern Rahebs gehört der Historiker Malcolm Lowe. Bei der Schweizer Agentur "Audiatur" veröffentlichte er eine Analyse einer Grundsatzrede Rahebs bei einer Konferenz in Bethlehem im Jahr 2010. Er wirft ihm Rassismus und Hetze sowie eine Verdrehung theologischer Lehren vor. So habe Raheb behauptet, dass er, der Palästinenser, authentischer Nachfahre des Königs David und Jesu sei und identisches DNA habe, während der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu keinerlei Blutsverwandtschaft mit David und Jesus habe. Denn die europäischen Juden seien erst im Mittelalter zum Judentum konvertiert. Dieses kommentiert Lowe mit den Worten: "Nicht nur zeigt Raheb sich hier schamlos rassistisch, er hat auch nicht den geringsten Beweis, um seine Behauptungen zu stützen. Über Netanjahus Abstammung weiß er nichts, und er selbst könnte genauso von griechischen Pilgern oder europäischen Kreuzfahrern abstammen."

Lowe fährt fort: "Dem ’neuen Denken‘ Rahebs liegt vor allem eine Absicht zugrunde: zu zeigen, dass die Bibel bei der Rede vom auserwählten Volk die heutigen Palästinenser und insbesondere die palästinensisch-arabischen Christen meint. Bei aufmerksamer Lektüre der ‚palästinensischen Theologie‘ von Raheb, Ateek und ihresgleichen wird deutlich, dass diese Behauptung über die Auserwähltheit der Palästinenser bei gleichzeitigem Ausschluss Israels den ganzen Sinn und Zweck der Übung bildet."

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