Die als "BDS – Boycott, Divest, Sanction" (Boykott, Entblößung, Sanktionierung) bekannte israelkritische Bewegung sei "eine Sekte", der es "nicht um die Rechte der Palästinenser geht, sondern um die Zerstörung Israels", zitiert die "Jüdische Allgemeine" aus dem Interview, das Finkelstein am 9. Februar einem Vertreter des Imperial College in London gegeben hatte. Die vor allem in Nordamerika und Großbritannien aktive Gruppe bekomme ihre "Marschbefehle von den Gurus in Ramallah". Bei diesen handele es sich um "Ein-Mann-Operationen", die zwar von sich behaupten, die Palästinenser zu vertreten, aber in Wirklichkeit "absolut nichts repräsentieren".
Die Aussagen Finkelsteins gelten als überraschend, da er in der Vergangenheit immer wieder durch israelfeindliche Äußerungen von sich reden machte. "Umso größer ist jetzt die Verwirrung und Empörung unter den Israelkritikern", kommentiert der Journalist Michael Wuliger in der "Jüdischen Allgemeinen", denn Finkelstein bezeichne deren Bewegung nicht nur als "albern", "kindisch" und "linkes Getue", sondern "schlachtet auch einige ihrer heiligsten Kühe".
So sagte Finkelstein über das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge: "Wird die Öffentlichkeit es vernünftig finden, wenn sechs Millionen Palästinenser in ein Land strömen, das jetzt 1,8 Millionen Palästinenser und 5,5 Millionen Juden hat? Ich glaube nicht, dass man das vermitteln kann." Und weiter: "Wollt ihr den Konflikt lösen, oder Schrecken im Herzen jedes Israelis säen?"
"Kronzeuge des organisierten Antizionismus"
Der in New York geborene Politikwissenschaftler Norman Finkelstein wurde in Deutschland vor allem durch sein im Jahr 2000 erschienenes Buch "Die Holocaust-Industrie" bekannt. Er behauptet darin unter anderem, jüdische Gruppen wollten sich am Holocaustgedenken "bereichern" und würden jüdische Opferzahlen übertreiben. Seine aus Polen stammenden Eltern überlebten die Internierung in den Konzentrationslagern Majdanek und Auschwitz und wanderten nach Kriegsende in die USA aus.
2008 verhängte der Staat Israel ein zehnjähriges Einreiseverbot gegen Finkelstein, weil er Kontakte zur libanesischen Hisbollah unterhielt. In der israelkritischen Szene sei er "einer der prominentesten jüdischen Kronzeugen des organisierten Antizionismus", so die "Jüdische Allgemeine".
In einigen Punkten wird Finkelstein der israelkritischen Bewegung jedoch erhalten bleiben: In dem Gespräch mit dem Imperial College forderte er unter anderem ein Ende der "illegalen Siedlungspolitik" Israels.