Wie die Tageszeitung "Jediot Aharonot" berichtet, stellte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu nach dem Tod einen offiziellen Antrag an die US-Behörden. Doch der Bitte um Freilassung für die Zeit der Teilnahme an der Trauerfeier wurde nicht stattgegeben. Aus Quellen im Familienkreis hieß es, die Angehörigen seien äußerst enttäuscht. Sie seien den Behörden nicht einmal eine negative Antwort wert gewesen, sondern nur Schweigen.
"Die Familie hätte eine andere Behandlung erwartet, vor allem, nachdem Morris sein Leben für den Staat gefährdet hatte", zitiert die Zeitung einen Angehörigen. Im Zweiten Weltkrieg habe sich der Verstorbene trotz der Lebensgefahr freiwillig für dringende Impfexperimente zur Verfügung gestellt. "Und das sagt noch nichts über die vielen Leben, die er als Forscher zu Krebs und in anderen Fachgebieten gerettet hat."
Am Sonntag hatten Dutzende Aktivisten vor der US-Botschaft in Tel Aviv dafür demonstriert, dass der Spion für die Beisetzung am Montag auf freien Fuß kommt. Sie appellierten an US-Präsidenten Barack Obama: "Yes you can, Obama, free Pollard!" (Ja, Sie können es, Obama, befreien Sie Pollard!) Die Demonstranten skandierten: "Seien Sie nicht grausam, 26 Jahre – wo bleibt die Scham?" Zudem hatten zahlreiche Unterstützer im Weißen Haus angerufen und dadurch die Telefonvermittlung teilweise lahmgelegt.
Hintergrund
Pollard, ein jüdisch-amerikanischer Mitarbeiter des Geheimdienstes der US-Marine, war am 21. November 1985 verhaftet worden. Er ist der einzige Spion für ein befreundetes Land, der in den Vereinigten Staaten zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde. Tausende Israelis setzen sich für seine Freilassung ein.
Sicherheitsbeamte der israelischen Botschaft in Washington hatten Pollard zum Verlassen des Geländes aufgefordert. Dorthin waren der Geheimdienstmitarbeiter und seine damalige Frau Anne geflüchtet, nachdem sie Agenten der Bundespolizei FBI in einem Auto hinter sich bemerkt hatten.
Die damalige israelische Regierung unter Premierminister Schimon Peres hatte laut einem Bericht der Tageszeitung "Ha´aretz" vom November 1985 erklärt, sie wisse "nichts von Pollards Arbeit für Israel". Die Regierung berief jedoch drei Diplomaten zurück nach Jerusalem und reichte eine offizielle Entschuldigung für den Vorfall nach. Erst 1998 räumte Israel offiziell ein, dass Pollard für den jüdischen Staat spioniert habe.