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Politische Illusionen in der „Zeit“

Die Knesset vertreibt ihre arabischen Abgeordneten, beklagt der israelische Philosoph Omri Boehm in der Wochenzeitung „Zeit“. „Schutz der Demokratie“ sei dabei nur ein Vorwand. Der Artikel hält einige Illusionen wach. Eine Analyse von Daniel Frick
Die Knesset bespricht derzeit ein Ausschlussgesetz für Parlamentarier
Wie schön war es doch, als „Oslo“ noch realistisch war. Die Zwei-Staaten-Lösung schien greifbar, hier ein israelischer, dort ein palästinensischer Staat. Dann kam 1995 der Mord an Jitzhak Rabin, dem damaligen israelischen Premier, durch den jüdischen Extremisten Jigal Amir. Und seither scheint alles unaufhaltsam auf die Ein-Staat-Lösung zuzugehen – mit Israel als jüdischem Staat. Mit diesem Hauch von Nostalgie schildert der israelische Philosoph Omri Boehm den Lesern der Wochenzeitung „Zeit“ die Entwicklung in Nahost. Anlass für seinen Beitrag ist eine bald zu erwartende Änderung des Grundgesetzes: Abgeordnete sollen ihre Kollegen bei „unangemessenem Verhalten“ vom Knesset-Betrieb ausschließen dürfen. Zu diesem „unangemessenen Verhalten“ zählt die Leugnung der Existenz Israels als jüdischer und demokratischer Staat, rassistische Hetze und die Unterstützung von Terrorgruppen oder Feindesstaaten. Boehm glaubt nun, bei dem Vorstoß gehe es nicht um Schutz der Demokratie, wie dessen Verfechter sagen, sondern um die Förderung des Zionismus zuungunsten der Araber; es gehe darum, den jüdischen Charakter Israels zu fördern. Das aber sei eine Illusion, zumal wenn dieser Staat irgendwann mal auch das Westjordanland umfassen sollte.

Rabin als Gewährsmann

Die größten Illusionen produziert dann aber der Artikel selbst. Boehm führt für seine Position Gewährsmänner an, die dazu nicht taugen. Da wird der 1995 ermordete israelische Premier Rabin als Agent einer Zwei-Staaten-Lösung dargestellt. Genau genommen sprach Rabin jedoch von einer palästinensischen Entität, die „weniger als ein Staat“ sein werde. Und dies sah er dann als „dauerhafte Lösung im Rahmen des Staates Israel“. Boehm moniert weiter, das Vermächtnis Rabins habe über das Amirs, seines Mörders, gesiegt. „Rabins Projekt hätte das Land von einem jüdischen in einen israelischen verwandelt“, meint der New Yorker Philosoph über den ermordeten Politiker zu wissen. Rabin selbst sagte jedoch einst: „Im Rahmen der permanenten Lösung streben wir einen Staat Israel als jüdischen Staat an.“ Wenn der Autor also davon spricht, dass Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit seiner Absage an die Oslo-Abkommen vor der UN-Vollversammlung die Ära der Zwei-Staaten-Lösung beendet und die der Ein-Staat-Lösung eingeläutet hat, mutet er dem Palästinenserpräsidenten doch zu viel Wortmacht zu. Die Diskussion um Israel als jüdischen Staat war auch zur Zeit der Zwei-Staaten-Lösung en vogue.

Araber mit politischem Gewicht

Das ist aber noch nicht das Ende der Illusionen des Autors. Er behauptet weiter, arabische Israelis könnten in einem jüdischen Staat „nicht als legitime politische Subjekte“ gelten. Seine Begründung offenbart dann aber ein merkwürdiges Demokratieverständnis: Arabische Parteien seien zwar wählbar, standen aber noch nie in der Regierungsverantwortung – so als ob nur der politisch legitim ist, der auch schon mal regiert hat. Was der Artikel an dieser Stelle dann nicht sagt: Zahlenmäßig wäre eine Regierungsbeteiligung vorstellbar: das arabische Parteienbündnis „Vereinigte Liste“ hat mit 13 Sitzen drei mehr als der Koalitionspartner „Kulanu“. Es ist also nicht so, dass Araber in der Knesset kein Gewicht hätten. Im Fortlauf beklagt der Autor den Umstand, dass die Knesset arabische Abgeordnete deswegen sanktioniert, weil sie sich mit Familien von Terroristen treffen. Anstatt nun aber ein kritisches Wort zu diesen Vorgängen zu verlieren, kommt Boehm lieber auf die Juden zu sprechen, die einen Dritten Tempel errichten wollen. Dass das eine Randgruppe in Israel ist, und auch die israelische Regierung jüdischen Terrorismus verurteilt, wird dem Leser bei der Lektüre des Artikels freilich entgehen, weil der Autor dies verschweigt. Ebenso übrigens wie die Äußerung des arabischen Abgeordneten Basal Ghattas, der behauptete, wenn Palästinenser Israelis töten, sei das weder verbrecherisch noch ungesetzlich; oder die Schelte arabischer Parteien, als arabische Staaten die Terror-Miliz Hisbollah als solche eingestuft haben. Der Autor sieht in einer solchen Denkweise offenbar keine Gefahr für die Demokratie. Über das geplante Ausschluss-Gesetz in Israel lässt sich vortrefflich streiten. Dass muss dann aber auch so geschehen, dass historische Figuren realistisch eingeordnet und die verbalen Eskapaden arabischer Abgeordneter erwähnt werden. Im Übrigen richten sich Ausschlüsse nicht nur gegen Araber. Dem „Likud“-Abgeordneten Oren Hasan wurde es nach Skandalberichten über seine Person untersagt, jeglichem Knesset-Ausschuss vorzusitzen. Und nachdem er ein ums andere Mal nicht zu Abstimmungen erschienen war, war seine Partei anständig genug, ihn immerhin aus allen Ausschüssen zu werfen. (df)

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