Auf der Facebook-Seite des Zentralrats der Juden gehen wegen der israelischen Militäroperation „Starker Fels“ im Gazastreifen immer mehr antisemitische Kommentare ein. Wie die Organisation am Dienstag mitteilte, gab es zu einem offenen Brief von Zentralrats-Präsident Dieter Graumann innerhalb von wenigen Stunden mehr als 60 Kommentare. Etwa ein Viertel davon sei wegen antisemitischer Äußerungen, Volksverhetzung oder Herabsetzung des Staates Israel gleich wieder gelöscht worden. In besonders schlimmen Fällen werde die Polizei eingeschaltet.
Graumann hatte sich in dem Offenen Brief am Montag über „antisemitische Slogans von übelster und primitivster Natur“ beklagt, die bei Demonstrationen gegen Israels Vorgehen im Gaza-Konflikt skandiert worden seien. „Niemals im Leben hätte ich mir vorgestellt, dass wir so eine Hetze gegen Juden in Deutschland wieder hören könnten.“ Gelöscht werden nach Angaben des Zentralrats zum Beispiel Kommentare, in denen Israel als „Mörderstaat“ bezeichnet wird.
Die „Berliner Zeitung“ veröffentlichte einen Gastbeitrag des israelischen Botschafters Yakov Hadas-Handelsman, in dem er Rufe wie „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ bei antiisraelischen Kundgebungen, oft als „Friedensdemonstration“ angemeldet, anprangerte. Die Rufe waren vor allem von jungen Muslimen ausgegangen. „Seit März 2012 bin ich Botschafter des Staates Israel in Deutschland“, schreibt der Diplomat. „Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich in diesem Land Zeuge solcher hasserfüllter, volksverhetzender und antisemitischer Erscheinungen in aller Öffentlichkeit werden würde, hätte ich es wohl nicht für möglich gehalten.“
Justizminister: „Unerträglicher Hass“
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verurteilte die Vorfälle zusammen mit seinen Kollegen aus Frankreich und Italien. „Antisemitische Hetze und Anfeindungen gegen Juden, Angriffe auf Menschen jüdischen Glaubens und Synagogen haben in unseren Gesellschaften keinen Platz“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die am Dienstag veröffentlicht wurde. „Nichts, einschließlich der dramatischen militärischen Konfrontation in Gaza, rechtfertigt ein solches Handeln bei uns in Europa.“
Die drei Minister kündigten an, „mit allen Mitteln des Rechtsstaats“ gegen Taten und Äußerungen vorzugehen, die die Grenze zu Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit überschritten.
In Deutschland, Frankreich und Italien war es in den vergangenen Tagen zu Kundgebungen gegen Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen gekommen, bei denen auch judenfeindliche Parolen zu hören waren. Besonders in den Vororten von Paris randalierten die Demonstranten, verbrannten Israel-Fahnen und warfen Brandsätze. Hasserfüllte Mobs griffen laut Deutscher Presse-Agentur Synagogen an und verwüsteten jüdische Geschäfte.
Am Samstag musste die Berliner Polizei einen jüdischen Mann vor Angriffen von Demonstranten schützen.
Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verurteilte die Vorfälle. „Antisemitismus darf in Deutschland nie wieder eine Bühne bekommen. Antisemitische Töne bei Demonstrationen in Deutschland dürfen wir nicht akzeptieren“, erklärte er in Berlin. „Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Dagegen kann man demonstrieren, die Art und Weise, wie dies zur Zeit geschieht, ist allerdings erschreckend.“
Beck: „Medien beschönigen Demonstrationen“
Sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien hatten die Ausfälle bei den Demonstrationen verurteilt. So erklärte der innenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck: „Kirchen und muslimische Verbände sind jetzt aufgerufen, gemeinsam den Antisemitismus in Deutschland zurückzuweisen und sich vor die Juden in Deutschland zu stellen.“ Beck kritisierte zudem die teils verharmlosende Medienberichterstattung über die Demonstrationen: „Solche Schönfärbereien machen den Antisemitismus demokratisch hoffähig. Das ist inakzeptabel!“
Innerhalb der Linkspartei war es zu Diskussionen gekommen, weil die „Linksjugend“ in Nordrhein-Westfalen zu einer Demonstration gegen Israel aufgerufen hatte. Verschiedene Spitzenpolitiker der Partei verurteilten die teils antijüdischen Rufe, die bei der Kundgebung zu hören gewesen waren.