JERUSALEM (inn) – Die Organisation Amnesty International hat am Mittwoch die Tötung einer palästinensischen Angreiferin durch israelische Grenzpolizisten verurteilt. Die Frau sei erschossen worden, obwohl zwischen ihr und den Polizisten noch einiger Abstand vorhanden gewesen sei. Sie habe damit keine „unmittelbare Bedrohung“ dargestellt, sagte der stellvertretende Leiter für die Region Nahost/Nordafrika, Saleh Higazi. „Das legt die Vermutung nahe, dass ihre Tötung unrechtmäßig war.“
Die Frau hatte sich am Mittwochmorgen am Kalandia-Übergang bei Jerusalem den Sicherheitskräften genähert. Sie weckte nach Angaben der Polizei zunächst Verdacht, weil sie zu Fuß eine Autospur betrat. Warnrufe der Grenzpolizisten ignorierte sie, zückte stattdessen ein Messer. Daraufhin schoss einer der Sicherheitskräfte auf ihr Bein. Sie kam in das Hadassah-Krankenhaus auf dem Skopusberg, wo sie ihren Verletzungen erlag.
Vorfall auf Video festgehalten
Amnesty beruft sich auf einen 42-sekündigen Mitschnitt des Vorfalls auf YouTube. Dieser beginnt direkt mit dem Schuss des Polizisten. Der Abstand zwischen dem Polizisten und der Frau beträgt den Bildern nach zu urteilen etwa fünf Meter. Zu sehen ist noch, wie die Frau zusammenbricht und am Straßenrand liegenbleibt.
Für Higazi ist der Vorfall ein neues Beispiel dafür, wie israelische Sicherheitskräfte „exzessive Gewalt anwenden und unrechtmäßige Tötungen durchführen“. Es gebe einen „absoluten Mangel“ an Verantwortlichkeit. Die internationale Justiz müsse diese Fälle aufnehmen, „um die institutionalisierte und systematische Verletzung palästinensischer Menschenrechte“ zu beenden.
Auch der Knesset-Abgeordnete Ofer Cassif äußerte sich kritisch zu dem Vorfall. Die Frau sei „durch die Besatzung hingerichtet worden“, schrieb er auf Twitter. Er forderte, dass die „Verbrecher der Besatzung“ vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag kommen. Cassif ist der einzige jüdische Abgeordnete der Partei Hadasch, die dem arabischen Bündnis Vereinigte Liste angehört. Als solcher ersetzte er Dov Chenin, der bereits bei den Wahlen im April nicht mehr angetreten war.
Die genauen Hintergründe des Vorfalls am Kalandia-Übergang sind indes unklar. Die Onlinezeitung „Times of Israel“ weist darauf hin, dass in der Vergangenheit Fälle von „Suizid durch Polizisten“ aufgetreten sind – wie etwa im Fall der 29-jährigen Asra Sidane im Oktober 2015.
Von: df