GAZA (inn) – Bei einer Militäroperation im Gazastreifen ist ein Offizier am Sonntagabend getötet worden. Die Armee hielt die Nachricht zunächst unter Verschluss und informierte erst die Familie. Um kurz vor 2 Uhr Ortszeit setzte sie dann die Öffentlichkeit in Kenntnis. Dabei teilte sie auch mit, dass ein weiterer Offizier verletzt wurde. Er kam in ein Krankenhaus in Be’er Scheva. Am Morgen erlangte er sein Bewusstssein wieder; sein Zustand ist inzwischen stabil.
Offenbar kam es zu der Tötung, weil das Geheimkommando der Armee aufgeflogen ist. In einem zivilen Volkswagen seien die Soldaten etwa drei Kilometer tief in den Gazastreifen bei Abu Schanam eingedrungen. Sie seien teilweise als Frauen verkleidet gewesen. Sie hätten vor dem Haus des Hamas-Kommandeurs Nur Barake geparkt – angeblich um ihn zu töten oder zu entführen. Die Armee widersprach jedoch dieser Darstellung. Eine Entführung oder Tötung sei nicht Ziel der Operation gewesen, sondern lediglich „die Stärkung der Sicherheit Israels“, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus.
Unruhige Nacht
Wie es in Medienberichten weiter hieß, hätten die Leibwächter des Hamas-Kommandeurs das verdächtige Auto der Israelis beobachtet und eine Verfolgungsjagd gestartet. Als das Kommando gestoppt und die Insassen aufgefordert wurden, sich auszuweisen, sei es zum Feuerwechsel gekommen, bei dem der Offizier getötet wurde. Die israelische Luftwaffe griff ein. Mit Raketen wurden der Kommandeur und sechs seiner Leibwächter getötet. Dem Kommando gelang es, wieder auf israelisches Territorium zurückzukehren.
In der Nacht registrierte die Armee zudem 17 Geschosse, die bis 5:15 Uhr Ortszeit aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert wurden. Über Schäden wurde nichts bekannt; nach Angaben der Armee kam das Raketenabwehrsystem Eisenkuppel dreimal zum Einsatz. Am Montag fiel in der Region um den Gazastreifen die Schule aus; Bahnverbindungen südlich von Aschkelon wurden geschlossen. Am Ben-Gurion-Flughafen wurden die Routen für den Anflug geändert.
Wegen der Eskalation im Gazastreifen flog der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu noch in der Nacht von Paris nach Israel zurück. Netanjahu hatte an den Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkriegs teilgenommen; aufgrund der vorzeitigen Abreise musste ein Treffen mit dem französischen Präsidenten Emanuel Macron ausfallen.
„Israel steht tief in seiner Schuld“
Am Montagnachmittag kamen Tausende zur Beerdigung des Getöteten, den die Armee aus Gründen der Geheimhaltung nur „M.“ nannte. Der 41-Jährige hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Präsident Reuven Rivlin und Kommunikationsminister Ajub Kara wohnten der Beerdigung bei. Auf Twitter schrieb Rivlin am Morgen, er sei „schockiert und betrübt“ angesichts der Nachrichten.
Verteidigungsminister Avigdor Lieberman betonte, Israel habe einen vielbegabten Soldaten verloren, „dessen Beitrag zur Sicherheit Israels noch viele Jahre geheim bleiben wird“. Netanjahu sagte, eines Tages werde die ganze Geschichte seines Heldentums bekannt werden. „Die israelischen Bürger stehen tief in seiner Schuld.“ Der Vater des Getöteten sagte laut der Onlinezeitung „Times of Israel“: „Ich hoffe, dass dies der letzte Verlust für Israel ist.“
Von: Ulrich W. Sahm / df