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Israel bestätigt Angriff auf syrischen Atomreaktor

Mehr als zehn Jahre war es ein offenes Geheimnis, jetzt hat Israel es offiziell bestätigt: Die Luftwaffe hat im September 2007 einen im Bau befindlichen Atomreaktor in Syrien zerstört. Nun stellt sich die Frage, warum Israel das ausgerechnet jetzt zugibt.
Bild der Zerstörung: Israel hat 2007 einen im Bau befindlichen Atomreaktor in Syrien angegriffen

JERUSALEM (inn) – In der Nacht zum Mittwoch hat Israel die Zerstörung einer geheimen Atomfabrik im Norden Syriens erstmals öffentlich eingestanden. Fast alle Einschränkungen der militärischen Pressezensur wurden aufgehoben. Viele der unmittelbar Beteiligten, darunter der damalige Verteidigungsminister Ehud Barak und die damalige Außenministerin Zippi Livni, sprachen im Rundfunk über die Planungen und Ausführung der „wichtigsten militärischen Aktion in der Geschichte Israels“.

Am 6. September 2007 stiegen in der Nacht vier israelische F-15- und vier F-16-Kampfflugzeuge von zwei Stützpunkten im Süden Israels auf. Sie flogen über Zypern in Richtung Osten zur syrisch-türkischen Grenze. In großer Höhe steuerten sie das Ziel Al-Kibar in der Wüste nahe Dir e-Sor im Osten Syriens an. Dort warfen sie 17 Tonnen Bomben ab. Ein Video von dem Angriff veröffentlichte die Armee auf Twitter:

Mit dem Codewort „Arizona“ meldeten die Piloten die vollständige Zerstörung des im Bau befindlichen Atomreaktors an den „Bunker“ in Tel Aviv, den Sitz des Verteidigungsministeriums. Dort hatten Regierungschef Ehud Olmert, einige Minister und Spitzenmilitärs die Operation verfolgt. Bis heute hatte Israel seine Beteiligung streng geheim gehalten und Veröffentlichungen im Ausland weder dementiert noch bestätigt.

Strenggeheimes Projekt

Die israelische Regierung und der Geheimdienst hatten von dem Bau der syrischen Atomfabrik nur durch Zufall erfahren. Auch in Syrien wusste nur ein kleiner Kreis von Vertrauten um Präsident Baschar al-Assad von den Plänen, mit Hilfe nordkoreanischer Wissenschaftler eine Atombombe zu bauen. Weder der syrische Verteidigungsminister noch andere Spitzenpolitiker waren eingeweiht.

Ende 2006 bemerkten die Israelis dank Satellitenaufklärung die Errichtung eines mysteriösen, 20 Meter hohen Kubus in der Wüste, 450 Kilometer nördlich von Damaskus. Auf die Spur des Reaktors waren die Israelis dann in Wien gekommen. Anfang März 2007 beteiligte sich Ibrahim Othman, Chef des syrischen Atomenergie-Ausschusses, in der österreichischen Hauptstadt an Beratungen der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA). Mitglieder der Keschet-Gruppe des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad brachen in die geheime Wohnung ein, in der Othman übernachtete, und entnahm in weniger als einer Stunde aus seinem dort zurückgelassenen Laptop alle Informationen, darunter Fotos vom Innern des Kubus in der Wüste. Othman beteiligte sich währenddessen an den Beratungen der Atombehörde. Das Zurücklassen seines Laptops ohne Überwachung war wohl das schlimmste „Versehen“ in der Geschichte Syriens.

Ein schmaler Grat

Die Israelis hatten nun Beweise in der Hand, dass die Syrer tatsächlich an einer Atombombe bastelten, und bereiteten sich darauf vor, den Reaktor zu zerstören. Aus Aussagen der damaligen Verantwortlichen geht hervor, welche Hemmschuhe im Weg standen: Totale Geheimhaltung war angesagt, um sicherzustellen, dass die Vorbereitungen nicht an die Öffentlichkeit geraten. Andernfalls wäre Israel wohl an seinen Plänen gehindert worden. Andererseits konnte Israel es nicht hinnehmen, dass ein unberechenbarer Nachbar im Besitz einer Atombombe ist. So übten Piloten monatelang den Angriff, ohne zu wissen, was sie da übten. Die Militärs wollten den Angriff wegen möglichen schlechten Wetters nicht im Winter durchführen. Der Angriff musste erfolgen, ehe der Reaktor fertiggestellt und mit Uran geladen war, um eine Strahlungsverseuchung entlang des Euphrat zu vermeiden. Ebenso wollten die Israelis sicherstellen, dass Syrien den Luftangriff nicht als „Kriegserklärung“ auffasst und einen Krieg gegen Israel startet.

Am Abend vor dem Angriff besuchte Olmert als Ablenkungsmanöver eine Hochzeit, damit niemand Verdacht schöpft. Trotz einer kleinen Panne verlief das Bombardement erfolgreich. Die syrische Luftabwehr war offenbar elektronisch lahmgelegt. Dass Israelis da herumgeflogen waren, bemerkte ein türkischer Bauer nahe der Grenze zu Syrien: Er fand einen abgeworfenen Benzintank mit hebräischer Aufschrift auf seinem Feld. So war schon kurz nach dem Angriff klar, dass israelische Kampfflugzeuge an einem ansonsten „unbekannten“ Ereignis in der syrischen Wüste beteiligt waren.

Rhetorische Windungen

Assad konnte nicht eingestehen, dass Syrien den Bau einer Atombombe plante, weil das zur internationalen Ächtung seines Landes geführt hätte. Deshalb behauptete er nach dem „Vorfall“, dass „Unbekannte“ nahe einer landwirtschaftlichen Versuchsfarm ein „Loch in die Wüste“ gebohrt hätten. Diese Erklärung bewahrte ihn vor der Notwendigkeit, einen möglicherweise verheerenden Krieg gegen Israel führen zu müssen. Damals, vor Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs 2011, verfügte Assad noch über eine relativ starke Armee und vor allem über Raketen, mit denen er jeden Punkt im jüdischen Staat hätte treffen können – das israelische Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ stand erst im Juli 2010 zum Einsatz bereit. Gleichzeitig wusste er aber auch, dass Israel die Fähigkeit hatte, Syrien komplett zu zerstören. Zwischen beiden Ländern funktionierte seit dem letzten Nahostkrieg 1973 ein System wechselseitiger Abschreckung. Deshalb hielten die Syrer ihre Grenze zu Israel auf den Golanhöhen hermetisch verschlossen und ließen keine Terroristen, „Freiheitskämpfer“ oder andere Provokateure durch. Weil die Israelis zu dem Angriff eisern schwiegen, könnte Assad das Gesicht wahren und auf eine Reaktion verzichten.

Im Rundfunk äußerte sich die frühere Außenministerin Livni zu einigen Details der Vorbereitungen. Damals seien an alle israelischen Botschaften verschlossene Umschläge mit Geheimdienstmaterial zu den syrischen Atomplänen geschickt worden, um im Falle einer Panne bereit zu sein. Die Amerikaner seien heimlich informiert worden. Sie versprachen, „nicht einzugreifen“, und gaben so „grünes Licht“.

Unklar – und deshalb Anlass für Spekulationen – ist der Zeitpunkt, weshalb ausgerechnet jetzt die Zensur beschlossen hat, fast alle Informationen zu dem Angriff freizugeben. Der ehemalige UNO-Botschafter Ron Pros’or, der als damaliger Generaldirektor des israelischen Außenministeriums in die Vorbereitungen eingeweiht war, brachte den Gedanken ins Spiel, dass die jetzigen Veröffentlichungen auch eine Botschaft an den Iran sein könnten. Die Amerikaner hätten damals „skeptisch“ reagiert, weil sie nach dem Debakel der vermeintlichen chemischen Waffen im Irak unter Saddam Hussein übervorsichtig geworden seien. Sie hätten den israelischen Entdeckungen nur bedingt getraut, weil ihr eigener Geheimdienst über keinerlei eigene Informationen zu den syrischen Atomplänen verfügte.

Von: Ulrich W. Sahm

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