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Verfahren neu aufgerollt: Verurteilter Palästinenser aus Haft entlassen

Israel hat einen wegen Lynchmordes verurteilten Palästinenser vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen – wegen mangelnder Beweise für seine Beteiligung. Dabei versäumte es die Armee, die Angehörigen des Opfers zu informieren.
Der verurteilte Palästinenser konnte das Ofer-Gefängnis in der Nacht zu Donnerstag verlassen

RAMALLAH (inn) – Der Vorfall gilt als eines der Symbole der „Al-Aksa-Intifada“: Im Oktober 2000 gerieten zwei israelische Reservisten, Vadim Norevich und Jossi Avrahami, versehentlich nach Ramallah. Dort wurden sie von einem Mob gelyncht. Nun ist ein Palästinenser, der wegen Mordes an Avrahami verurteilt worden war, vorzeitig aus der Haft freigekommen. Er hatte um Wiederaufnahme des Verfahrens ersucht.

Bei dem Freigelassenen handelt es sich um Haitham Fais Muari. Neue Untersuchungen ergaben, dass die Beweise nicht ausreichten, um seine direkte Beteiligung an dem Lynchmord zu belegen. Die Zeugenaussage eines der Beteiligten, Bassam Hassin al-Luah, hatte zu seiner Verurteilung geführt. Der Palästinenser beschuldigte sieben weitere Mittäter. Zwei von ihnen gestanden, beschuldigten aber nie Muari. Da gegen zwei weitere der direkt Beschuldigten keine Ermittlungen aufgenommen wurden, wuchsen bei Muari die Zweifel. Er bat mehrfach um Wiederaufnahme des Verfahrens, was ihm zuletzt gewährt wurde.

Das zuständige Militärgericht teilte laut der Tageszeitung „Yediot Aharonot“ mit: „Der Angeklagte war in eines der abscheulichsten Verbrechen im Bewusstsein der israelischen Bürger verwickelt. Jeder, der diesen Tag erlebt hat, wird die Bilder von der Misshandlung jener israelischen Soldaten nie vergessen, die im Fernsehen verbreitet wurden. Gemäß des Urteils, das heute gefällt wurde, spielte der Angeklagte bei dem Vorfall eine kleine Rolle.“ Muari habe zu den Polizisten gehört, welche die Soldaten verhafteten und in die Polizeistation brachten. Er habe die Israelis unterwegs geschlagen, sei aber nicht Teil der Gruppe gewesen, die sie zu Tode prügelte.

Zwei Anklagepunkte blieben bestehen: Angriff auf einen Soldaten und das Nichteingreifen, um eine Straftat zu verhindern. Dafür verurteilte ihn das Gericht zu elfeinhalb Jahren Haft. Ursprünglich hatte der Palästinenser 2004 eine lebenslange Haftstrafe erhalten. Da er bereits mehr als 15 Jahre verbüßt hat, wurde er Mittwochnacht aus dem Ofer-Gefängnis entlassen und zu einem Checkpoint am Eingang des Gazastreifens gebracht.

Angehörige: Durch Medien von Freilassung erfahren

Angehörige des ermordeten Reservisten reagierten befremdet auf die Entscheidung – zumal sie nicht offziell darüber informiert worden seien. Der Sohn Roi Avrahami erzählte am Donnerstag dem Fernsehsender „Kanal 10“, er habe am Vorabend um 20 Uhr einen Anruf vom israelischen Armeesender erhalten. Die Moderatorin habe seine erste Reaktion auf die Freilassung hören wollen. „Ich sagte zu ihr: ‚Wovon reden Sie? Wir wissen von nichts. Es scheint sich um ein Missverständnis zu handeln.’“ Erst zehn Minuten später sei ihm durch einen Facebook-Post von „Kanal 10“ klar geworden, dass Muari freikomme. „Wir erfuhren erst davon, als der Terrorist vermutlich schon bei der Siegesfeier in Gaza war“, sagte er später dem Armeesender.

Das Militär bedauerte das Versäumnis. Es sei in Kontakt mit dem Vater des Getöteten gewesen, teilte ein Sprecher gemäß „Yediot Aharonot“ mit. „Im Rückblick hat sich herausgestellt, dass diese Information nicht zu der Witwe und den Kindern des Verstorbenen gelangt ist. Wir bitten dafür um Entschuldigung. Daraus werden Lehren gezogen, um zu verhindern, dass sich ähnliche Vorfälle wiederholen.“

Die Reservisten Norevich und Avrahami waren am 12. Oktober 2000 nach ihrer Festnahme in eine Polizeistation gebracht worden. Dort ermordete sie der Mob. Ihre Leichen wurden aus dem Fenster geworfen und in einem Triumphzug durch die Straßen von Ramallah geschleift. Einer der Mörder, Asis Salha, erlangte Berühmtheit: Er zeigte dem Mob durch das Fenster seine blutbeschmierten Hände. Auch er wurde 2004 zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Im Oktober 2011 kam er mit 1.026 weiteren Palästinensern vorzeitig frei – im Austausch entließ die Hamas den entführten Soldaten Gilad Schalit aus der Geiselhaft.

Dreisprachige Warnschilder sollen Israelis davon abhalten, die palästinensisch verwaltete Zone im Westjordanland zu betreten Foto: Israelnetz/Dana Nowak
Dreisprachige Warnschilder sollen Israelis davon abhalten, die palästinensisch verwaltete Zone im Westjordanland zu betreten

Betreten palästinensischer Städte für Israelis verboten

Der Lynchmord führte zu einer Einschränkung der israelischen Bewegungsfreiheit: Jüdische Israelis dürfen Städte und Ortschaften der Palästinensischen Autonomie nicht betreten. Rote Schilder warnen vor der damit verbundenen Lebensgefahr. Dennoch verirren sich immer wieder Zivilisten oder auch Soldaten in ein palästinensisches Dorf. Dort werden sie oft mit Steinen empfangen, aber auch von palästinensischen Polizisten in Sicherheit gebracht.

Von: eh

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