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Britische Abgeordnete warnen vor Vertreibung von Palästinensern in Ostjerusalem

Jüdische Israelis wollen arabische Grundstücke in Ostjerusalem erwerben. Gegen eine mögliche Enteignung von Palästinensern protestieren Abgeordnete im Vereinigten Königreich – und fordern notfalls Boykottmaßnahmen gegen Siedlungsprodukte.
Umstrittenes Gebiet: das Ostjerusalemer Stadtviertel Silwan

LONDON / JERUSALEM (inn) – Mehr als 100 britische Abgeordnete haben ihre Besorgnis darüber geäußert, dass Israelis in Ostjerusalem Häuser von Palästinensern erwerben wollen. Die Siedler begründen ihren Anspruch damit, dass die Grundstücke vor der Staatsgründung in jüdischem Besitz waren. Damit sind sie im Einklang mit israelischem Recht.

Nach Angaben des Rates für Arabisch-Britische Verständigung (CAABU) haben bislang 108 Abgeordnete aus beiden Kammern den Brief unterzeichnet. Zu ihnen gehört auch der frühere Vorsitzende der Labour-Partei, Jeremy Corbyn. Dieser stand vor seinem Rücktritt Anfang 2020 wegen anti-israelischer und antisemitischer Äußerungen in der Kritik. Das Schreiben ist an den konservativen Außenminister Dominik Raab gerichtet.

Die Abgeordneten zeigen sich äußerst besorgt über eine „Beschleunigung bei Versuchen israelischer Siedlerorganisationen, die Kontrolle über Hunderte palästinensische Häuser in Ostjerusalem zu übernehmen“. Das würde zur gewaltsamen Ausweisung und Enteignung von Hunderten palästinensischen Familien führen. Der gewaltsame Transfer einer besetzten Bevölkerung sei eine schwere Verletzung der Vierten Genfer Konvention, „ebenso wie der Transfer der Bevölkerung eines Besatzers in besetztes Gebiet, das Jerusalem einschließt“.

Als eine Informationsquelle führen die Politiker den palästinensischen Schriftsteller Mohammed el-Kurd an. Dessen Familie sei 1948 enteignet worden. 2009 hätten sie einen Teil ihres Hauses durch Raub verloren. Nun befürchte er, dass die israelische Regierung in den kommenden Wochen das Haus seiner Familie übernehmen werde.

Britische Regierung sollte alle Maßnahmen in Betracht ziehen

Die Unterzeichner betonen: „Es ist in der Macht des Staates Israel, diese Ungerechtigkeit zu beenden. Es ist die Verantwortung des Vereinigten Königreiches als hoher Vertragspartner der Genfer Konventionen, alles ihm Mögliche zu unternehmen, damit dies geschieht.“ Weiter heißt es: „Die Regierung des Vereinigten Königreiches muss ihrem israelischen Gegenüber klar machen, dass Beziehungen angesichts solcher Verstöße nicht wie gewohnt weitergehen können. Alle Maßnahmen sollten in Betracht gezogen werden, einschließlich der Verringerung des diplomatischen Engagements und eines Verbotes von Handel mit Siedlungsprodukten.“ Denn die Siedlerwirtschaft profitiere von der Besatzung.

Konkret geht es um Stadtviertel wie Silwan und Scheich Dscharrah, wo sich das britische Konsulat befindet. Der Brief geht auf diese Nachbarschaft mit palästinensischen Familien ein: Damit wisse das Konsulat um Ängste und Traumata der von Enteignung bedrohten Araber. Dies betreffe auch Kollegen.

Protestmarsch durch Jerusalem

Das Schreiben nimmt Bezug auf die israelische Bewegung „Schalom Achschaw“ (Frieden Jetzt). Diese äußerte sich auf Facebook zu Plänen des Jüdischen Nationalfonds, Grundstücke in Ostjerusalem zu erwerben: „Alle diese Ansprüche basieren auf dem Grundsatz des Rechts auf Rückkehr nur für Juden und dem Gesetz, das sie erlaubt. Bei allen lautet der Anspruch, dass vor 1948 das Land von Juden besessen wurde und jetzt in ihrem Namen Siedler das Recht haben, es zu fördern.“ Dieses Recht gelte aber nur für Juden – von denen viele bereits enschädigt worden seien. Palästinenser könnten es nicht anwenden.

Am Samstag veranstaltete die Organisation einen Marsch von Silwan in die Balfour-Straße. Diese wurde im vergangenen Jahr zum Symbol der Proteste gegen die Corona-Politik der israelischen Regierung. Demonstrationen dort richteten sich aber auch dagegen, dass Premier Benjamin Netanjahu (Likud) trotz der Korruptionsanklage gegen ihn im Amt bleibt. Nach Auffassung von „Schalom Achschaw“ ist das geplante Vorgehen in Silwan und Scheich Dscharrah ebenfalls korrupt. Bei der Kundgebung war ein Transparent mit der Aufschrift „Palestinian Lives Matter“ (Palästinensische Leben zählen) zu sehen. Damit spielten die Aktivisten auf die amerikanische Protestbewegung Black Lives Matter an.

Jemenitische Juden gründeten Silwan

In Silwan sind die Besitzverhältnisse kompliziert. Die meisten Häuser sind ohne jede Baugenehmigung nach 1967 errichtet worden. Bei Gerichtsprozessen konnten Juden ihre Besitzansprüche mit entsprechenden Grundbucheintragungen nachweisen. Die palästinensischen Bewohner entrichteten weder Stadtsteuern, noch zahlten sie Strom- oder Wasserrechnungen, sodass sie dem Richter keinerlei Papiere auf ihren Namen zeigen konnten. Bei allem Bemühen, Hinweise auf Wohnrechte der Palästinenser zu entdecken, bleibt dem Richter keine Wahl – er muss den arabischen Bewohnern einen Räumungsbefehl erteilen.

Silwan ist ein ursprünglich von jemenitischen Juden um 1880 gegründetes Dorf an einem Abhang nahe der Altstadt Jerusalems. Bei Ausgrabungen seit 1920 wurden auf dem Abhang die ältesten Spuren Jerusalems gefunden, darunter Befestigungen der kanaanäischen Jebusiter, durch die König David laut biblischem Bericht in die Stadt eindringen und sie erobern konnte.

Von: eh

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