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DIG-Präsident Becker: Zahlungen an Hamas einfrieren

In Tel Aviv fordert der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Becker, ein vorläufiges Ende aller Zahlungen an die Hamas. Der Grund: Die Terrorgruppe hält die Leichen zweier israelischer Soldaten und zwei Zivilisten zurück.
Bei dem Treffen mit Leah Goldin versprach Uwe Becker, sich bei deutschen Politikern für die israelische Familie einzusetzen

TEL AVIV (inn) – Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Uwe Becker, fordert die Bundesregierung auf, Zahlungen einzufrieren, die in den von der palästinensischen Terror-Organisation Hamas kontrollierten Gazastreifen fließen. Auf diese Weise solle die Freilassung von israelischen Geiseln erwirkt werden, die dort von der Hamas festgehalten werden. Dies erklärte Becker bei einem Treffen mit Leah Goldin, der Mutter des 2014 von der Hamas entführten und getöteten israelischen Soldaten Hadar Goldin, am Mittwoch in Tel Aviv.

Die Goldin-Familie konnte ihren Sohn Hadar bis heute nicht beerdigen, weil die Hamas sich weigert, die sterblichen Überreste des Israelis herauszugeben. Die Goldins teilen ihr Schicksal mit der Familie von Oron Schaul, dessen Leichnam sich ebenfalls noch in Gaza befindet. Außerdem hält die Hamas die Israelis Abraham Mengistu und Hischam al-Sajad gefangen. Beide haben die Grenze zwischen Israel und Gaza als Zivilisten überschritten.

Hadar Goldin und Oron Schaul kämpften gemeinsam als Soldaten der israelischen Armee im Gazakonflikt 2014. Entführt wurden sie jedoch durch einen Hinterhalt der Hamas, nachdem ein Waffenstillstandsabkommen, das die bewaffneten Auseinandersetzungen beenden sollte, eigentlich bereits in Kraft getreten war. DIG-Präsident Becker fordert, der Hamas den Geldhahn zuzudrehen, bis Mengistu und Al-Sajad frei und die sterblichen Überreste von Goldin und Schaul in der Obhut ihrer Familien sind. Damit greift er einen Vorschlag von Leah Goldin auf, für den er nun politische Unterstützung in Deutschland mobilisieren möchte.

Indirekte Unterstützung von Hamas-Terror

Das Auswärtige Amt in Berlin erklärt dazu, dass es diese Problematik sehr ernst nehme und keine Beziehungen zur Hamas unterhalte. Auch finanziell unterstütze es die Organisation nicht. Da die Hamas aber seit 2007 im Gazastreifen regiert und somit auch den dortigen palästinensischen Verwaltungsapparat kontrolliert, profitiert sie von Zahlungen, die im Rahmen von humanitären Hilfspaketen, Entwicklungshilfe und Bildungsarbeit auch von der deutschen Bundesregierung an die Palästinenser geleistet werden.

Laut Zahlen, die das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite veröffentlicht, unterstützte Deutschland Hilfsmaßnahmen in Gaza und im Westjordanland allein im Jahr 2017 mit 34,5 Millionen Euro. Im gleichen Jahr flossen 7,5 Millionen Euro für den deutsch-palästinensischen Bildungs- und Kulturaustausch. Seit Anfang der 80er Jahre habe die Bundesregierung über 1,2 Milliarden Euro für bilaterale Vorhaben in „Palästina“ zugesagt, wovon bis zum Mai 2018 rund eine Milliarde ausgezahlt worden sei.

Hinzu komme der deutsche Anteil an den Entwicklungsprogrammen von EU, Weltbank und Vereinten Nationen. Insbesondere ihre Zahlungen an das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge, UNRWA, hat die Bundesregierung kürzlich stark erhöht. Nach Berichten der Nachrichtenagentur Reuters überwies Deutschland der UN-Hilfsorganisation noch in der ersten Hälfte des Jahres 2018 eine Summe von 81 Millionen Euro. Nachdem die USA im Sommer desselben Jahres angekündigt hatten, ihre Zahlungen an das Werk einzustellen, hatte die Bundesregierung mitgeteilt, sie wolle einen Teil der so wegbrechenden Zahlungen ausgleichen und ihren Beitrag entsprechend erhöhen.

Vorwurf: Ausschließlich für palästinensische Flüchtlinge

Die UNRWA sah sich zuletzt häufig mit Korruptions- und Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. 2014 wurde ein von dem Hilfswerk verwaltetes Gebäude nach Angaben der Organisation von der Hamas als Waffenlager missbraucht. Kritisiert wird unter anderem, dass die UNRWA ausschließlich für palästinensische Flüchtlinge zuständig ist, während Flüchtlinge aus allen anderen Teilen der Welt vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) betreut werden.

Bei dem Treffen in Tel Aviv sagte Leah Goldin, dass nur jene Gelder eingefroren werden sollen, die dem Terror der Hamas zugutekommen. Da die zivile Infrastruktur des Gazastreifens und der Terrorapparat der Hamas aber eng miteinander verwoben sind, ist fraglich, wie sich eine solche Trennung praktizieren lässt.

Israel mit Geiseln erpresst

In der Vergangenheit gelang es islamistischen Terror-Organisationen im Nahen Osten mehrfach, mit Hilfe von Geiselnahmen Zugeständnisse von Israel zu erpressen. Im Austausch für den israelischen Soldaten Gilad Schalit ließ Israel im Oktober 2011 insgesamt 1.027 palästinensische Gefangene – darunter rechtskräftig verurteilte Mörder und Terroristen – frei. Für die Leichen der israelischen Soldaten Ehud Goldwasser und Eldad Regev gab Israel 2008 sechs lebende und die sterblichen Überreste von 199 militanten Libanesen, größtenteils Kämpfer der islamistischen Terrormiliz Hisbollah, heraus.

In Israel sind diese Deals umstritten. Zu den Kritikern gehören insbesondere auch Angehörige von Opfern der aus israelischen Gefängnissen entlassenen Terroristen. Deshalb fordert Leah Goldin, „den Spieß umzudrehen“. Anstatt die Hamas mit der Freilassung von Terroristen für die Entführung von Israelis zu belohnen, solle Druck auf die palästinensische Organisation ausgeübt werden. Zum Beispiel indem westliche Staaten Zahlungen an die Hamas einfrieren. Diesen Vorschlag greift Becker nun auf. Insbesondere möchte er die Gruppe deutsch-israelischer Parlamentarier im deutschen Bundestag dazu bewegen, sich dafür einzusetzen, der Hamas den Geldhahn zuzudrehen.

Leah Goldin betont, dass es ihr nicht nur um ihren Sohn, sondern um ein allgemeines humanitäres Anliegen gehe. UN-Resolution 2474 verlange von allen Parteien eines bewaffneten Konflikts, Maßnahmen zu ergreifen, um Vermisste aufzufinden und dafür zu sorgen, dass die sterblichen Überreste von Opfern zurückgeführt werden können. Auch Becker betonte, dass er Leah Goldin als Beispiel für tausende von Müttern sehe, die ein ähnliches Schicksal durchleiden.

Trotz Versprechen: Derzeit wenig konkretes Handeln

Die Familie hat ihr Anliegen bereits vor vielen hochrangigen internationalen Politikern vorgebracht. Neben israelischen Parlamentsabgeordneten und Israels Premierminister trafen die Goldins auch EU-Politiker in Straßburg und UN-Generalsekretär António Guterres in New York. Im Januar begleiteten die Familien von Hadar Goldin und Oron Schaul Israels Präsident Reuven Rivlin zu einer Gedenkfeier, anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, im Deutschen Bundestag. Dort bat Rivlin Deutschland um Unterstützung, um die israelischen Geiseln aus den Fängen der Hamas zu befreien. Dennoch hat Leah Goldin das Gefühl, dass kaum etwas unternommen werde.

Ein Sprecher der israelischen Botschaft in Berlin erklärte, dass ihm derzeit keine konkreten Vorhaben bezüglich der von der Hamas zurückgehaltenen Israelis im Rahmen der deutsch-israelischen Beziehungen bekannt seien. Im Gegensatz dazu heißt es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin, dass man in dieser Angelegenheit mit der israelischen Regierung in engem Kontakt stehe. DIG-Präsident Becker fordert, der Bitte, die Israels Präsident Rivlin an den Bundestag richtete, konkrete Taten folgen zu lassen und der Hamas den Geldhahn zuzudrehen, bis Mengistu und Al-Sayad frei und die sterblichen Überreste von Goldin und Schaul in der Obhut ihrer Familien sind.

Von: Marc Neugröschel

Der Autor ist freier Journalist in Jerusalem und Vorstandsmitglied der DIG in Aachen.

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