Der Vatikan ist ein winziger Staat. Sein Militär besteht aus ein paar Schweizer Garden mit malerischen Uniformen und mittelalterlichen Lanzen als Waffe. Gleichwohl heißt es, dass das Staatsoberhaupt des Vatikans, der Papst, weltweit über „Divisionen“ verfüge. Seine Gefolgsleute sind weltweit verstreut, Millionen Katholiken, die dem Vatikan treu folgen. Anders als bei Juden, die ebenfalls Bürger dutzender Nationen sind und auch nur über einen winzigen Staat verfügen, gibt es bei den Gefolgsleuten des Papstes keine Vorwürfe „doppelter Loyalität“.
Diese Feststellungen sind notwendig, um zu sehen, dass der Papst über sein offizielles Sprachrohr, „Radio Vatikan“, nicht nur fromme Sprüche verbreitet, sondern durchaus auch handfeste politische Parolen. So gab es da kürzlich einen ausführlichen Bericht zu Syrien. Der Bericht gipfelte in der Behauptung: „Für Präsident Baschar al-Assad gebe es keine Alternative.“
Assad lässt keine Kritik zu
Es ist nicht das erste Mal, dass der Vatikan Partei ergreift für den syrischen Präsidenten Assad. Der ist zwar bei „demokratischen Wahlen“ zuletzt mit 98 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Doch wer die Vorgänge in jenem Land seit 2011 verfolgt, kommt nicht umhin, auch ein paar negative Elemente in der Politik des vermeintlich alternativlosen Assad zu sehen.
2011 brach in Syrien ein Bürgerkrieg aus, weil einige Kinder Assad-kritische Graffiti an eine Wand gemalt hatten. Kritik duldet der Staatschef nicht, weshalb Tausende in seinen Gefängnissen sitzen.
Gemäß Schätzungen sind etwa eine halbe Million Menschen dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen. Dabei ging das Assad-Regime mit Hubschraubern gegen die Rebellen in seinen Städten vor. Sie warfen über der eigenen Bevölkerung nicht nur mit Sprengstoff gefüllte Bomben ab, sondern setzten auch Giftgas ein. Millionen sind inzwischen geflohen, darunter viele nach Deutschland.
Bekannt ist auch, dass in den Aufnahmezentren in Deutschland Christen wie Muslime miteinander auskommen müssen, während sie sich in ihrer alten Heimat schwerst bekämpfen. Aber in Deutschland ist es unfein, Flüchtlinge nach ihrer Religion oder der ethnischen Zugehörigkeit zu befragen, um potentielle Todfeinde räumlich zu trennen.
Bemerkenswerte Auslassungen
In dem Bericht bei „Radio Vatikan“ geht es um syrische Christen und um die im Bürgerkrieg zerstörten Städte, darunter Homs, Hama, Teile von Damaskus und eine der schönsten Städte der Welt: Aleppo, einst die Wirtschaftsmetropole Syriens. Zugleich ist Aleppo auch eine der ältesten Städte der Welt, wo laut Überlieferung schon Erzvater Abraham vor etwa 3.000 Jahren die gute Milch genossen hat.
Erstaunlich in dem Vatikan-Bericht sind bemerkenswerte Auslassungen. Da werden die schrecklichen Zerstörungen erwähnt und die Notwendigkeit eines Wiederaufbaus. Doch mit keinem Wort wird der Einsatz von Giftgas oder die Rolle der Armee Assads erwähnt. Kein Wort auch über die Zerstörung uralter christlicher Dörfer, in denen teilweise noch das Aramäische, die Umgangssprache in der Zeit Jesu, gesprochen wird. Kein Wort auch zu den hunderttausenden Christen, die fliehen mussten, nachdem sie alles verloren haben. Die zitierten christlichen Besucher kritisieren die westlichen Wirtschaftssanktionen, ohne ein Wort über die problematische Politik Assads und die ihm vorgeworfenen Menschenrechtsverstöße zu erwähnen.
Klar ist, dass die Menschen in Syrien, die Bevölkerung, unter den Sanktionen leiden und gewiss nicht der Diktator selber, dessen Familie über alle Ressourcen verfügt, um weiterhin Strom, fließendes Wasser und gutes Essen zu genießen. Der Linzer Generaldechant und Obmann der „Initiative Christlicher Orient“ (ICO), Slawomir Dadas, sagte nach einem Besuch in Syrien, dass Assad „die Minderheiten“ schütze. Das dürfte der Grund sein, weshalb unter der Familie Assad inzwischen alle Juden aus Syrien geflohen sind und die christliche Minderheit dezimiert wurde.
Der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. Karim wird von dem Linzer zitiert mit den Worten: „Wir Christen hoffen auf eine starke Regierung. Wir wollen Frieden, bitten nicht um Hilfe von außen.“ Er forderte ein Ende der Einmischung aus dem Ausland und der Sanktionen. Seit die syrische Armee im Vorjahr die Ostbezirke von Damaskus (Ost-Ghuta) befreit habe, „geht es uns wieder besser“, sagte der Patriarch. Die Misere in Syrien liegt offenbar nicht an der syrischen Regierung und dem Bürgerkrieg, sondern an der Einmischung des Auslands und an den Wirtschaftssanktionen der USA, mitgetragen von den Europäern.
Patriarch: Krieg soll Christen vertreiben
Immerhin beklagt der zitierte Patriarch, dass sich der Militärdienst von zwei Jahren aus Kriegsgründen oft auf bis zu acht Jahren ausdehne. Das schrecke viele junge Männer ab. Aphrem: „Sie verlieren ihre Zukunft.“ Der Krieg in Syrien sei nicht zu Ende. „Kriege toben im ganzen Nahen Osten“, zog der melkitische Bischof ein bitteres Resümee. Einer der Hauptgründe dafür sei, die Christen aus ihrer Urheimat zu vertreiben. Den Weltmächten gehe es um „Hegemonie im Nahen Osten“ und um die Kontrolle der regionalen Bodenschätze.
Dieses ist zweifellos eine interessante Analyse und Erklärung für den seit 2011 tobenden Bürgerkrieg in Syrien und andere Kriegsschauplätze wie den Jemen, der über keine nennenswerten Bodenschätze verfügt. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Anmerkungen des Direktors der Universitätsklinik in Aleppo, Maher al-Aradsch: „Das ist ein Krieg der großen Mächte.“ Drei Jahre lang habe man Tag und Nacht gearbeitet. „Oft gab es 50 bis 100 Tote und Verwundete am Tag, nach militärischen Aktionen bis zu 170.“
Wenn sich da die „großen Mächte“ bekämpft haben, müssen dort wohl Russen gegen Amerikaner vorgegangen sein, während die Armee Assads nur darauf wartete, die eroberten Gegenden zu „befreien“, mit dem Ziel, die Christen zu schützen. So erfährt man bei „Radio Vatikan“ echte Neuigkeiten, die bisher von allen Medien und den betroffenen Staaten, also von Washington und Moskau, offensichtlich geheim gehalten worden sind.