TEL AVIV (inn) – Der ehemalige Premierminister Ehud Barak kehrt in die Politik zurück. Bei den geplanten Knesset-Neuwahlen am 17. September will der 77-Jährige mit einer eigenen Partei antreten, wie er am Mittwoch vor Journalisten mitteilte. Die noch namenlose Partei werde für „Reformen in Staat und Gesellschaft“ arbeiten, kündigte Barak an: „Dies ist nicht die Zeit, an der Seitenlinie sitzenzubleiben.“
In seiner Rede stellte sich der langjährige Politiker deutlich gegen Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud). Dessen Ziel sei es, „Gesetz und Ordnung zu unterwandern, alles zu seinem persönlichen Nutzen, um der Angst vor einem Urteil zu entgehen“, nahm Barak Bezug auf die Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu. „Dies sind dunkle Tage, wie wir sie zuvor nicht gesehen haben.“ Barak wandte sich direkt an Netanjahu: „Ihre Zeit als politischer Anführer ist vorbei.“
„Anti-Netanjahu-Partei“
Weitere Programmpunkte trug Barak zunächst nicht vor. Die konservative Tageszeitung „Jerusalem Post“ bezeichnete sein neues Projekt daher als „Anti-Netanjahu-Partei“. Barak appellierte an den linken Block, die eigenen Kräfte zu bündeln: „Unser Gegner ist Netanjahu und sein Weg“, wandte er sich an „meine Waffenbrüder“ aus dem blau-weißen Bündnis um Benny Gantz. Der Ex-Armeechef hatte sich vor den vergangenen April-Wahlen mit den einstigen Militärs Mosche Ja’alon und Gabi Aschkenasi sowie dem Jesch-Atid-Politiker Jair Lapid zusammengeschlossen und war Netanjahu bei der Wahl knapp unterlegen. Barak, ebenfalls ein ehemaliger Generalstabschef, erhält nun unter anderem von dem einstigen Vize-Armeechef Jair Golan Unterstützung, der sich am Mittwoch auch vor der Presse zeigte.
Der konservative Likud reagierte gelassen auf den Auftritt Baraks: „Wir mischen uns nicht darin ein, wie die Linke ihre Sitze zwischen Ehud Barak, Lapid und Gantz aufteilt.“ Ex-Justizministerin Ajelet Schaked griff Barak indes scharf an. Der denke, dass die Öffentlichkeit seine „missratene Amtszeit“ und „das Blut, das uns in die Zweite Intifada führte“, vergessen habe, verwies sie auf die Gewaltwelle, die während Baraks nicht einmal zweijähriger Amtszeit ihren Anfang nahm. Dass ausgerechnet der „am meisten gescheiterten Premier in der Geschichte des Landes“ nun versuche, „allen zu erklären, wie man ein Land führt“, sei „der Gipfel der Absurdität“, meinte auch Wirtschaftsminister Eli Cohen (Kulanu).
Kritik von Gantz, Wohlwollen der Arbeitspartei
Positive Reaktionen kamen aus der gebeutelten Arbeitspartei, die nach dem Rücktritt Avi Gabbais derzeit auf der Suche nach einem neuen Vorsitzenden ist. Der Knesset-Abgeordnete Itzik Schmuli, der für die Parteispitze kandidieren will, stellte Barak eine Kooperation in Aussicht. Blau-Weiß-Chef Benny Gantz hatte sich indes schon vor Baraks Pressekonferenz skeptisch gezeigt: „Nur eine starke Partei der Mitte wie Blau-Weiß kann gewinnen und jede Teilung im [Mitte-Links-]Lager wird den Bemühungen schaden, Netanjahu zu schlagen.“
Barak müsste jedoch wissen, wie man Netanjahu besiegt. 1999 setzte er sich in einer Direktwahl gegen den Likud-Chef durch und beendete so dessen erste Amtszeit als Premier. Er war dann bis 2001 für die Arbeitspartei Regierungschef, bevor er nach dem Ausbruch der sogenannten Zweiten Intifada von Ariel Scharon (Likud) im Amt ersetzt wurde. Zwischen 2009 und 2013 war er als Verteidigungsminister Mitglied der zweiten Netanjahu-Regierung, bevor er sich, da bereits in seiner eigenen Unabhängigkeitspartei aktiv, vorerst aus der Politik zurückzog. In einer ersten Umfrage liegt Baraks neue namenlose Partei bei 6 Sitzen.
Absage der Neuwahlen?
Unterdessen sorgen Äußerungen von Premier Netanjahu im politischen Israel für Verwirrung. Der Likud-Chef erklärte am Dienstag, dass er die Umsetzung eines Plans von Knessetsprecher Juli Edelstein (Likud) in Erwägung ziehe, die Parlamentsneuwahlen wieder abzusagen. Edelstein hatte erklärt, dass es „unsere Pflicht“ sei, der 21. Knesset zu ermöglichen, ihrer Arbeit weiter nachgehen zu können. „Ich habe eine parlamentarische Möglichkeit gefunden und es gibt eine Option, die unnötigsten Wahlen in der Geschichte Israels abzusagen“, sagte Edelstein.
Es ist unklar, ob dieses Vorgehen gesetzlich möglich wäre, nachdem sich die Knesset Ende Mai bereits selbst aufgelöst hat. Laut Medienberichten bräuchte es aber wohl zumindest die Zustimmung von 80 der 120 Knessetabgeordneten. Einige Vertreter des rechten Lagers äußerten ihre Sympathien für den Plan, darunter sogar Ex-Bildungsminister Naftali Bennett, der bei den Wahlen mit seiner „Neuen Rechten“ sehr knapp an der 3,25-Prozent-Hürde gescheitert war. Kritik kam jedoch aus dem Mitte-Links-Lager: „Netanjahu hat den Knopf zur Knesset-Auflösung betätigt und es gibt keinen Weg zurück“, wandte sich Blau-Weiß-Chef Gantz gegen das Vorhaben.
Von: ser