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„Corbyn ist nur ein Symptom“

Das britische Parlament beschäftigt sich häufiger mit Israel als mit anderen Staaten des Nahen Ostens. Ein britischer Forscher hat dazu Zahlen ausgewertet – und eine „totale Obsession“ mit dem jüdischen Staat festgestellt.
Israel ist immer häufiger Thema im britischen Parlament

LONDON (inn) – Ob Freundschaftsbekundungen mit Hamas und Hisbollah, eine Kranzniederlegung für arabische Terroristen oder Solidärität mit einem antisemitischen Graffito: Jeremy Corbyn, Chef der britischen Labour-Partei mit Ambitionen auf den Posten des Premierministers, wird sein Image als Antizionist und Antisemit nicht mehr los. Immer wieder wird die Arbeiterpartei von den radikalen Positionen ihres Parteichefs eingeholt. Zuletzt traten mehrere Abgeordnete unter Verweis auf Corbyns Haltungen aus der Partei aus.

Der britische Forscher David Collier hat diese Entwicklungen zum Anlass genommen, den Blick zu weiten: Er attestiert nicht nur Corbyn, sondern dem gesamten britischen Parlament eine „totale Obsession mit Israel“. Der Labour-Chef sei nur ein „Symptom“ dessen. Collier stützt sich auf Zahlen, die das Recherche-Tool „Hansard“ ausspuckt, wenn man es mit Begriffen wie „Israel“, „Palästina“ oder „Jerusalem“ füttert. Das Programm des britischen Parlaments teilt dem Nutzer mit, wie oft die jeweiligen Schlagwörtern in Parlamentsprotokollen des gewünschten Zeitabschnitts auftauchen.

„Zunehmende Fixierung“

Die Ergebnisse sind eindeutig: Für den Zeitraum zwischen 1946 und heute findet das Programm für das Ober- und Unterhaus 17.759 Bezüge zum Schlagwort Israel – verglichen mit anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, etwa Pakistan (12.252 Bezüge) oder Iran (11.704) eine enorm hohe Zahl (sehen Sie hier die Entwicklung seit 1946). Gleichzeitig erkennt das Tool deutlich mehr Einträge zu „Palästina“ (7.049) als etwa zu den Schlagwörtern „Libanon“ oder „Saudi-Arabien“, obwohl das Land gar nicht existiere, wie Collier betont. Zum Irak, mit dem Großbritannien selbst Krieg geführt hat, findet „Hansard“ 25.463 Einträge.

Ausreißer nach oben lassen sich jeweils in den Kriegszeiten feststellen, etwa während des Sechs-Tage-Kriegs 1967. Aber zuletzt wurden diese Ausschläge immer stärker. Rund um den bisher letzten Gaza-Krieg 2014 etwa findet die Suchmaske ähnlich viele Ergebnisse zum Thema „Israel“ wie im Zusammenhang mit der Suez-Krise 1956, an der Großbritannien im Gegensatz zum Gaza-Krieg jedoch selber beteiligt war. „Die zunehmende Fixierung auf das Thema ist ein klarer Trend“, meint Collier und verweist auch auf Diskussionen über die israelische Siedlungspolitik. Dies liege daran, dass die Palästinenser den Konflikt seit 2005 zunehmend aktiv „internationalisiert“ hätten.

Auch pro-israelische Bezüge mitgezählt

Die Zahlen sind jedoch teilweise mit Vorsicht zu genießen. So weist die Onlinezeitung „Times of Israel“ darauf hin, dass nicht jeder Israel-Bezug im Parlament kritisch gegenüber dem jüdischen Staat ist: Auch wenn sich Abgeordnete pro-israelisch einmischten, erhöhe das die Zahl der Stichworttreffer. So habe die britische Öffentlichkeit etwa während des Sechs-Tage-Krieges 1967 und des Jom-Kippur-Krieges 1973 überwiegend an der Seite Israels gestanden.

An dem grundsätzlichen Trend ändert das jedoch nichts. Und der sei nicht an einzelne Personen gekoppelt, gibt Collier zu bedenken: „Der Aufstieg Corbyns hängt mit dem Aufstieg des Antisemitismus zusammen, mit dem extremistische Ideologien den Mainstream erreicht haben.“

Von: ser

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