RAMALLAH (inn) – Mahmud Abbas macht derzeit keinerlei Anstalten, einen seiner drei Posten zu räumen: Er ist gleichzeitig Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und Vorsitzender der Fatah-Partei. Doch obwohl er scheinbar fest im Sattel sitzt, machen sich mehrere ranghohe Fatah-Vertreter Gedanken über die „Zeit nach Abbas“. Das berichtet die israelische Rundfunkanstalt „Kan“.
Demnach bemühen sich gleich vier Palästinenser im Westjordanland um Bündnisse für den Kampf um das Erbe. Sie sammeln Waffen, falls es zu Gewaltausbrüchen kommen sollte. Die Machtspiele konzentrieren sich auf die Flüchtlingslager und auf die Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden, den militärischen Arm der Fatah.
Einer derjenigen, die sich für einen geeigneten Kandidaten halten, ist der Präsident des Palästinensischen Fußballverbandes, Dschibril Radschub. Hinzu kommen der PA-Geheimdienstchef Madsched Faradsch und sein Vorgänger Taufik Tirawi. Auch der stellvertretende Fatah-Vorsitzende Mahmud al-Alul ist mit von der Partie.
Radschub hat vor allem Anhänger im Raum Hebron und Ramallah. Faradsch ist im Flüchtlingslager Deheische in Bethlehem aufgewachsen, Tirawi verfügt über viel Einfluss im Lager Balata in Nablus. Al-Alul hat jahrelang die Tansim-Milizen, ebenfalls ein bewaffneter Fatah-Flügel, kommandiert.
Abbas hält an Macht fest
Für die Zeit nach Abbas sind mehrere Szenarien denkbar. Das erste wäre eine stabile Fatah-Koalition mit einer Machtverteilung auf mehrere Führungskräfte, ohne Konzentration auf eine Person wie bei Abbas und dessen Vorgänger Jasser Arafat. Möglich ist aber auch, dass Lagerkämpfe zu gewaltsamen Zusammenstößen und Chaos auf den Straßen führen. Davon würde die Hamas profitieren, sie könnte ihre Macht im Westjordanland ausbauen. An den Universitäten gewinnt die radikal-islamische Organisation, die den Gazastreifen regiert, bereits jetzt regelmäßig Wahlen.
Abbas indes klammert sich an die Macht, obwohl der Gesundheitszustand des 82-Jährigen instabil ist und er in der Bevölkerung an Unterstützung verliert. Umfragen der jüngsten Monate zeigen, dass er derzeit Präsidentschaftswahlen gegen den Hamas-Führer Ismail Hanije verlieren würde. Der Fatah-Chef wurde im Januar 2005 – nach Arafats Tod – für vier Jahre zum PA-Präsidenten gewählt. Er ist also seit Anfang 2009 ohne Legitimierung aus der Bevölkerung im Amt. In den vergangenen Jahren drohte er mehrfach mit Rücktritt, was er allerdings bislang nicht umgesetzt hat.
Von: eh