JERUSALEM (inn) – Nach drei Jahren polizeilicher Untersuchungen gegen das Ehepaar Netanjahu ist am Donnerstag eine formelle Klage gegen Sara, die Ehegattin des israelischen Premierministers, bei Gericht eingereicht worden. Ihr wird vorgeworfen, im Wert von etwa 80.000 Euro Mahlzeiten bei teuren Restaurants bestellt und mit Steuergeldern bezahlt zu haben, obgleich eine Köchin auf Staatskosten im Hause Netanjahu angestellt war. Das wurde als eigennützige Verschwendung von Steuergeldern und Vertrauensbruch dargestellt.
Der Rechtsberater der Regierung und Staatsanwalt Avichai Mandelblit sowie der Staatsankläger Schai Nitzan haben die Klage beim Gericht eingereicht, nachdem eine außergerichtliche Absprache gescheitert war. Sara Netanjahu habe sich geweigert, die genannte Geldsumme dem Staat zu erstatten. Dementiert wurde eine Äußerung von ihr, wonach sie lieber ins Gefängnis gehe, als dem Staat die Gelder zu erstatten.
Die Mahlzeiten dienten wohl auch dazu, Staatsgäste zu bewirten. Aber weil es eine festangestellte Köchin gab, galt das Catering bei teuren Gourmet-Restaurants als Verschwendung. Die Essen seien sowohl für den offiziellen Amtssitz in Jerusalem wie auch für die Privatvilla in Caesarea bestellt worden.
Zusammen mit Sara wurde auch Esra Saidoff angeklagt, ein früherer Generaldirektor im Büro des Premierministers. Saidoff leitete den Haushalt. Er wurde wegen Betrug und Vertrauensbruch angeklagt.
Beiden wird falsche Aussage vorgeworfen, wonach kein Koch zur Verfügung gestanden habe, als die teuren Mahlzeiten bei Restaurants bestellt wurden. Per Gesetz sei es verboten, Mahlzeiten von Restaurants zu bestellen, solange ein Koch im Hause des Premierministers zur Verfügung stehe. Saidoff soll zudem illegal Chefköche und Kellner für private Mahlzeiten im Hause der Netanjahus angeheuert und dann Rechnungen gefälscht haben. Die Vorwürfe stammen im Wesentlichen von Nir Hefetz, der sich selber vor einer Anklage geschützt hat, indem er „Kronzeuge“ wurde.
Vorwürfe abgestritten
Die Anwälte von Sara Netanjahu und Saidoff behaupteten inzwischen, dass alle Vorwürfe „erlogen und erstunken“ seien. Problematisch sei zum Beispiel, dass diese Vorwürfe gegen die Ehefrau des Premierministers erhoben worden seien, obgleich sie keine Staatsangestellte sei und deshalb nicht an Vorgaben gebunden sei, die „unbedarfte Beamte ohne Vollmacht“ nur wenige Tage vor dem Amtsantritt Netanjahus festgelegt hätten. Sara habe nichts davon gewusst.
Gegen das Ehepaar Netanjahu stehen noch weitere Verdachtsmomente aus. So hätten sie Geschenke von amerikanischen Millionären entgegengenommen, darunter rosa Champagner und teure kubanische Zigarren. Benjamin Netanjahu soll dem Hollywood-Produzenten Arnon Milchan im Gegenzug bei der Beschaffung von Einreisevisa und anderen Vergünstigungen geholfen haben.
Der Premierminister steht zudem wegen Korruption und Veruntreuung in den Polizei-Akten 1000, 2000 und 3000 im Verdacht. Da geht es um Schmiergelder beim Kauf der U-Boote aus Deutschland, problematische Kontakte mit den Medien und um die monopolistische Telefongesellschaft Bezeq.
Gegen den Premierminister wurde selbst nach jahrelangen intensiven polizeilichen Verhören bislang keine Anklage bei Gericht eingereicht. Erst wenn die Verdachtspunkte gerichtsfähig nachgewiesen sind, würde es für den seit etwa zehn Jahren regierenden Premier eng werden. Verdacht der Polizei reicht noch nicht aus, ihn vor Gericht zu zerren. Ohne offizielle Klage kann er jedoch nicht zum Rücktritt gezwungen werden. Netanjahu wiederholt ständig das Mantra: „Es wird nichts sein, weil nichts war“.
Missliche Lage: Premierminister mit Polizeiverhören beschäftigt
Während die linke Opposition seit Jahren den Sturz Netanjahus betreibt, redet die israelische Rechte von einer unlauteren Hetzjagd gegen den Premierminister. Anstatt ihn mit politischen Mitteln zu bekämpfen, werde versucht, ihn mit Hilfe der Polizei und der Staatsanwaltschaft aus dem Amt zu vertreiben.
In jedem Fall ist der jetzige Zustand problematisch, weil der Regierungschef ständig mit Polizeiverhören beschäftigt ist, anstatt sich voll auf die Staatsgeschicke zu konzentrieren. Andererseits ist die Polizei vom Gesetz her gezwungen, Verdacht wegen kriminellen Handlungen zu untersuchen, wenn irgendjemand bei der Polizei Beschwerde einreicht.
Von: Ulrich W. Sahm